Süddeutsche Zeitung

Anmeldeschluss am 28. Februar:"Verliert euch nicht im Plot!"

Lesezeit: 4 min

Autorin Juliane Breinl ist Jurorin beim ersten Schreibwettbewerb der VHS Vaterstetten für Jugendliche. Das Thema lautet "Netzgeschichten"

Interview von Anna Horst

Neben dem Singen und dem Zeichnen ist das Schreiben seit ihrer Kindheit ihre große Leidenschaft. Im Jahr 2011 veröffentlichte Juliane Breinl ihr erstes Buch, seitdem ist sie freie Autorin, Stimm- und Sprachtrainerin. Ihr Genre sind vor allem spannende Geschichten für Kinder und Jugendliche, zum Beispiel um eine Bande namens "Feuerbälle" oder Thriller wie "Perlentod" oder "Feentod". Außerdem gibt Breinl Kurse in kreativem Schreiben. Besonders gerne arbeitet sie mit Jugendlichen zusammen und gibt ihnen wertvolle Tipps für ihre Texte. Beim ersten Schreibwettbewerb für Nachwuchsautoren an der VHS Vaterstetten ist Breinl als Jurymitglied mit von der Partie - sie möchte es jungen Autoren ermöglichen, viele Menschen mit ihren Kurzgeschichten zu erreichen.

SZ: Frau Breinl, in der Schule werden eher Aufsätze in sachlichem Stil verlangt. Schreiben Jugendliche heutzutage überhaupt noch kreative Texte?

Juliane Breinl: Ja, definitiv! In meinen Kursen erlebe ich es ganz oft, dass die Jugendlichen Ideen für ganze Buchreihen haben oder auch schon riesige Projekte für sich umgesetzt haben. Sehr beliebt ist zur Zeit Fanfiction, da wollen manche ganze Trilogien schreiben! Es haben auch immer noch viele "Autor" als Traumberuf und sind deshalb sehr engagiert. Das ist dann wie ein Drang zu schreiben, den man in sich hat. Wenn ich so jemanden sehe, ist das automatisch ein Schriftsteller für mich, und nicht nur ein Jugendlicher.

Welchen Einfluss haben soziale Medien und das Internet auf Jugendliche, wenn es ums Schreiben geht?

Das Internet hat vieles verändert, vor allem tauschen sich die Jugendlichen heutzutage viel mehr aus. Das ist auch für junge Autoren ein Vorteil: Es gibt zum Beispiel Wattpad, das ist eine Plattform für junge Schriftsteller und Leser, die sehr viel bietet. Die Community dort bewertet sich gegenseitig und gibt sich untereinander Verbesserungsvorschläge. Durch das Internet bekommt man also Zugriff auf das ganze Know-How und hat noch dazu ein kritisches Publikum. Das ist eine tolle Gelegenheit: Eine Idee wird ja schließlich erst zu einer richtigen Geschichte, wenn man auch für andere schreibt.

Für den Wettbewerb sollen Jugendliche "Netzgeschichten" verfassen. Welcher Gedanke steckt hinter diesem Thema?

Das Thema der VHS hat mich sofort angesprochen. Ich denke, die Jugendlichen können damit viel anfangen. Aber ich finde es schon allein wichtig, dass der Wettbewerb überhaupt ein Thema hat, man hätte ihn ja auch frei gestalten können. Ich bin ein großer Freund von Beschränkung, weil ich finde, dass man dann in seiner künstlerischen Arbeit ein bestimmtes Motiv besser entfalten kann. Wenn man komplett frei ist, dann hat man vielleicht eine kurze Idee, aber es ist viel schwieriger zu entscheiden, wo man genau hin möchte. Das fängt an bei der Wahl des Genres und der Zielgruppe und geht bis hin zur Entwicklung der Figuren.

Welche Chancen bieten Wettbewerbe wie dieser für junge Autoren?

Bei solchen Wettbewerben sollte man immer mitmachen! Man kann mal erleben, was es bedeutet, als Autor einen Abgabetermin und eine Begrenzung für die Handlung zu haben. Für viele Jugendliche ist es das erste Mal, dass sie wirklich ehrliches Feedback bekommen, sie sehen also ganz deutlich, ob die Geschichte überhaupt beim Publikum ankommt. Auf jeden Fall sollte man das Risiko eingehen, auch mal eine Niederlage einzustecken. Dann merkt man, ob man so fürs Schreiben brennt, dass man dabeibleiben möchte.

Wie gehen Jugendliche beim Schreiben vor? Beobachten Sie dabei Unterschiede zu Erwachsenen?

Erwachsene stehen sich oft mit ihrem eigenen Anspruch selbst im Weg. Der innere Kritiker ist bei ihnen noch lauter als bei Jugendlichen. Vor allem Kinder sind da freier und kommen besser in einen Schreibfluss. Sie orientieren sich an ihren Vorbildern und trauen sich auch neue und verrückte Ideen zu haben. Jugendliche sind außerdem weniger "kränkbar" als Erwachsene. Das finde ich aber eigentlich schlimm, weil sie es aus der Schule gewohnt sind, immer nur ihre Fehler vorgehalten zu bekommen. Andererseits können sie deshalb viel Kritik einstecken und man muss nicht so einen Eiertanz veranstalten wie bei Erwachsenen. Bei denen muss man immer etwas vorsichtiger sein.

Welche Tipps geben Sie in Ihren Schreibkursen den Jugendlichen immer wieder?

Verliert euch nicht im Plot! Gerade wenn man "filmorientiert" ist, passiert das ganz schnell. Aber es gibt ja nur begrenzte Grundstrukturen, auf denen eine Handlung basieren kann, es geht immer um etwas wie Liebe, Freundschaft, einen Mord und so weiter. Was eine Geschichte erst interessant macht, sind die individuellen Figuren. Als Autor muss man seine Figuren unglaublich gut kennen, ihre Glaubenssätze, ihre Handlungsmuster. Je besser man selbst seine Figuren kennt, desto lebendiger werden sie. Davon hängt dann auch der Schreibstil ab. Was viele junge Autoren noch dazu vergessen, sind die Dialoge. Sie beschreiben dann sehr viel, aber erst in den Dialogen wird die Handlung und die Figurenentwicklung vorangetrieben.

Was macht eine gelungene Kurzgeschichte denn außerdem aus?

Sie muss Anfang, Hauptteil und Ende haben. Das ist gar nicht so selbstverständlich, wie man vielleicht denken könnte. Am Anfang werden die Charaktere eingeführt und der Konflikt aufgebaut. Der ist auch ganz wichtig! Manche Schreibanfänger versuchen eine Geschichte ohne Konflikt zu erzählen, aber das kann gar nicht funktionieren. Der Lösungsweg ist schließlich das Spannende, zusammen mit dem Wendepunkt. Das Ende kann dann aufgelöst werden oder auch offen sein, beides kann gut funktionieren. Anfang und Ende sollten sich aber auf jeden Fall umarmen, wie ich immer sage. Für Anfänger sind Kurzgeschichten super, um zu lernen, wie man die Handlung richtig aufbaut. In längeren Texten verliert man sich nämlich leichter.

Wie wichtig ist Talent, um eine gute Geschichte zu schreiben?

Eine Geschichte aufs Papier bringen kann jeder, der einigermaßen schreiben kann. Aber für eine Geschichte, die wirklich berührt, dafür braucht es schon mehr.

Haben Sie selbst auch schon als Jugendliche geschrieben?

Schon als Kind habe ich meiner Mutter Geschichten diktiert, weil ich noch nicht selber schreiben konnte. Mit Fünfzehn habe ich dann eine Schreibmaschine zum Geburtstag bekommen, das war das beste Geschenk für mich. Etwas später habe ich ein Literaturheft gegründet, in dem Kurzgeschichten und Gedichte drin waren. Das war alles handgeschrieben! Mit achtzehn habe ich dann angefangen, Gesangsstunden zu nehmen und schließlich habe ich Linguistik studiert. In der Zeit habe ich mich mit dem Schreiben überhaupt nicht beschäftigt. Das kam erst wieder, als meine Kinder etwas größer waren und ich wieder mehr Zeit hatte. Aber im Grunde war es die ganze Zeit über mein Traumberuf. Ich habe mir immer gedacht: So ein Leben wie Paul Maar wäre klasse! Der hat ja geschrieben und auch gemalt, ein freier Künstler also.

"Netzgeschichten": Schreibwettbewerb der VHS Vaterstetten, teilnehmen können alle Jugendlichen zwischen 13 und 18 Jahren aus der Region. Die Kurzgeschichten können bis Donnerstag, 28. Februar, eingesendet werden. Weitere Informationen unter www.vhs-vaterstetten.de

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Quelle:
SZ vom 16.02.2019
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