Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Ebersberg:Alles wegen Liebesentzug der Partnerinnen?

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Vor Jahren soll ein 57-Jähriger sowohl die Tochter seiner Ex-Frau als auch die seiner Ex-Freundin sexuell missbraucht haben - beide waren zu dem Zeitpunkt minderjährig. Jetzt muss er sich vor dem Ebersberger Amtsgericht für seine Taten verantworten.

Von Merlin Wassermann, Ebersberg

Es seien "krasse" Vorfälle, die der 57-jährige Angeklagte da gestanden hat, so der Vorsitzende Richter Frank Gellhaus. Bei den Vorfällen, mit denen sich das Schöffengericht am jüngsten Dienstag beschäftigte, handelte es sich um den Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen.

Der Mann hatte bereits zu Beginn der Ermittlungen alles eingeräumt, aus diesem Grund waren zur Verhandlung keine Zeugen geladen worden. Dennoch verlas Richter Gellhaus Auszüge aus dem richterlichen Vernehmungsprotokoll der beiden Betroffenen - damals zwei minderjährige Mädchen, heute zwei junge erwachsene Frauen.

Demnach ist die Tochter der Ex-Frau des Angeklagten im Alter von neun bis 13 Jahren regelmäßig in das Ehebett geklettert, zum Kuscheln. Als die Mutter den Raum verließ, zum Rauchen oder um aufs Klo zu gehen, passierte es: Der Angeklagte entblößte sich und brachte die Tochter dazu, ihn zu masturbieren. Mindestens einmal hielt er dabei deren Hand stark fest, als sie diese wegziehen wollte. Wie oft das geschah, daran kann sich niemand genau erinnern. Die Betroffene hatte von vier bis sieben Mal gesprochen.

Auf die Ehe folgte eine Partnerschaft, die neue Partnerin hatte zwei Töchter. Bei einer davon ist es zu zwei Vorfällen gekommen. Einmal, als sie vermutlich 14 Jahre alt war, einmal, als sie 16 war. Beide Male saßen das Mädchen und der Angeklagte vor dem Fernseher. Unvermittelt ließ er seine Hand über ihren Oberschenkel bis zum Intimbereich wandern. Als sie sich wegdrehte, griff er von hinten nach ihren Brüsten. Womöglich waren die Schwester der Betroffenen sowie die beiden eigenen Kinder des Angeklagten ebenfalls mit im Raum, ohne etwas von den Taten zu bemerken.

Einige Zeit später erzählte die Betroffene ihrer Mutter von dem Vorfall, wie Richter Gellhaus sagte. Doch anstatt direkt einzuschreiten, sagte sie der Tochter, sie solle ihr sofort Bescheid geben, käme es zu einem weiteren Vorfall. Dann würde sie ihn rausschmeißen.

Eine der jungen Frauen hatte die Taten jahrelang verdrängt

Weiter gab die Tochter der Ex-Frau des Angeklagten an, dass sie die Vorfälle ein paar Jahre vergessen hätte, bis sie sich schließlich wieder erinnerte. In der Pubertät sei sie dadurch beeinträchtigt gewesen, allerdings glücklicherweise nicht in dem Ausmaß, dass es ihre Lebenspläne umgeworfen hätte.

Die Tochter seiner Ex-Partnerin kämpft hingegen mehr mit den Geschehnissen. Sie denke viel daran, vor allem in ruhigen Momenten, gegenüber Männern sei sie eine Zeit lang zurückhaltend gewesen. Immer wieder war im Protokoll vermerkt: "[Die Zeugin weint.]"

Die Erklärung des Angeklagten für sein Verhalten hielt das Gericht für unzureichend

Als Erklärung für die Taten gab der Angeklagte vor Gericht an, dass sie "spontan" geschehen seien, aufgrund der besonderen Nähe zu den Kindern. Zudem hätte er unter Liebesentzug seitens seiner Partnerinnen gelitten. Pädophil sei er hingegen nie gewesen, die Vorfälle seien die einzigen Kontakte mit Minderjährigen gewesen.

Der Staatsanwalt und Richter Gellhaus überzeugte das nicht, letzterer bezeichnete diese Erklärung als "lahm". Es sei "unverständlich", weshalb er sich nur aufgrund von zu wenig Körperkontakt nicht beispielsweise eine andere Partnerin gesucht hätte.

Seit drei Jahren befindet sich der Angeklagte in therapeutischer Behandlung

Gleichzeitig wurde dem Angeklagten positiv angerechnet, dass er ein großes Problembewusstsein entwickelt hätte. Bereits seit drei Jahren ist er in Therapie, schon vor den Ermittlungen hatte er sich um einen Platz bemüht, jedoch keinen gefunden. Auch Entschuldigungsbriefe an die Töchter hatte er verfasst - die Mütter der Betroffenen haben die Schreiben nicht angenommen. Und auch einen versuchten Suizidversuch bewertete das Gericht unter anderem als Ausdruck seiner Reue und Scham für seine Taten.

Abschließend plädierte die Verteidigung für eine Bewährungsstrafe des 57-jährigen Angeklagten - aufgrund des Geständnisses, der Therapie, Präventionsmaßnahmen und der Offenheit des Angeklagten im Umgang mit dem Thema. Sowohl seinem neuen Arbeitgeber als auch seiner neuen Partnerin hat er von seinen Taten erzählt.

Das Schöffengericht und Gellhaus folgten jedoch der Argumentation der Staatsanwaltschaft, die eine Freiheitsstrafe gefordert hatte. Man könne sich als Unbeteiligter "nicht vorstellen, was das mit den Mädchen gemacht hat", so Gellhaus. Das Gericht verurteilte den Mann zu einer Strafe von zwei Jahren und vier Monaten Freiheitsentzug.

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