Amtsgericht Ebersberg:Die Laien auf der Richterbank

Amtsgericht Ebersberg: Neben dem Berufsrichter nehmen die Schöffen Platz. Ihre Stimme zählt ebenso viel wie die des Juristen.

Neben dem Berufsrichter nehmen die Schöffen Platz. Ihre Stimme zählt ebenso viel wie die des Juristen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Schöffen fällen gemeinsam mit dem Berufsrichter das Urteil über Angeklagte. In diesem Jahr werden wieder Freiwillige gesucht. Was das Amt bedeutet - und wer sich bewerben kann.

Von Karlotta Hohmann, Ebersberg

Im diesem Jahr ist es wieder soweit: Die Wahl der Schöffen für die Amtsperiode 2024 bis 2028 findet statt. Schöffen, das sind die ehrenamtlichen Richter, die rechts und links neben dem Berufsrichter auf der Richterbank zu finden sind und gemeinsam mit ihm in der Hauptverhandlung die Frage der Schuld und das zu verhängende Strafmaß klären. Doch wofür ist das Amt des Schöffen genau da? "Es gibt bestimmte Straftaten, die vor dem Schöffengericht angeklagt werden müssen", erklärt Richter Frank Gellhaus, der stellvertretende Direktor am Amtsgericht Ebersberg. Das sind beispielsweise solche Delikte, für die mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe vorgesehen ist. Für Verbrechen mit Straferwartung von mehr als zwei Jahren ist also nicht der Einzelrichter, sondern das Schöffengericht zuständig.

Schöffen gab es in der Form der Geschworenen schon zu vorkonstitutionellen Zeiten, also lange vor Inkrafttreten des Grundgesetzes. "Das Laienrichteramt ist somit nichts, was es durch die 1968er gibt", so Gellhaus. Vielmehr gab es das Schöffenamt schon im Mittelalter. Bereits im achten Jahrhundert war die Rechtsprechung Sache des Dorfes, alle volljährigen Männer nahmen an den Versammlungen teil. Durch Kaiser Karl den Großen wurde schließlich bestimmt, dass fortan nicht mehr die ganze Gerichtsgemeinde, sondern nur noch sieben sogenannte Schöffen das Recht sprechen sollten. Seither gibt es in Deutschland und Österreich das Schöffenamt.

Wer Schöffe werden will darf ausdrücklich keine juristische Ausbildung haben

In der heutigen Zeit können Verbrechen vor zwei unterschiedlichen Schöffengerichten angeklagt werden. So gibt es zum einen das Erwachsenenschöffengericht, vor welchem Täter angeklagt werden, die das Mindestalter von 21 Jahre überschritten haben. Für Jugendliche und Heranwachsende ab 14 Jahren bis unter Vollendung des 21 Lebensjahres gibt es das Jugendschöffengericht, bei welchem im Unterschied zu dem Erwachsenenschöffengericht das Schöffenamt gemischtgeschlechtlich verteilt sein muss, also sowohl ein Mann als auch eine Frau das Amt bekleiden müssen.

Im Grunde genommen gibt es nicht sonderlich viele Voraussetzungen für die Bekleidung des Schöffenamtes. "Natürlich hängt die Zulassung vom Alter ab", erklärt Richter Frank Gellhaus. Ab einem Alter von 25 Jahren kann man sich auf Vorschlag der Gemeinde zum Schöffen wählen lassen, das Höchstalter sind dabei 69 Jahre zu Beginn der Amtsperiode. Zudem darf man keine juristische Ausbildung haben, schließlich sollen die Schöffen Laienrichter sein, die im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Volk kommen.

Auch wer schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt oder wem die Befähigung, öffentliche Ämter zu bekleiden, aberkannt wurde, kann nicht Schöffe werden. Aber auch andere Kriterien werden auf dem Bewerbungsformular für das Schöffenamt erfragt; so sollte man etwa der deutschen Sprache mächtig und in der Gemeinde, in der man sich bewirbt, wohnhaft sein, kein Insolvenzverfahren eröffnet haben und erklären können, dass man verfassungstreu und kein Mitglied oder Unterstützer extremistischer Organisationen ist.

Das Schöffenamt ist zudem nicht nur auf Akademiker und gebildete Menschen begrenzt, sondern allen deutschen Bürgern zugänglich. "Es heißt ja auch: Im Namen des Volkes Recht sprechen", so Gellhaus. Da es ein Ehrenamt ist, geht jeder Schöffe nebenher seinem eigenen Beruf nach. "Schöffen gehören den unterschiedlichsten Berufsgruppen an, die gesamte Palette ist bei uns vertreten", erklärt Gellhaus weiter.

Als Schöffe sollte man Interesse für zwei Seiten einer Medaille zeigen, so Richter Frank Gellhaus

Unabhängig von den Kriterien auf dem Bewerbungsformular nennt Richter Frank Gellhaus aber auch noch einige andere Kompetenzen, die man als Schöffe mit in das Amt bringen sollte. Dabei ist nicht nur das selbstverständliche Vertrauen in das grundsätzliche System des Rechtsstaates wichtig, sondern auch eine gewisse Unvoreingenommenheit und Offenheit für die unterschiedlichsten Belange des Angeklagten und der Strafverfolgungsbehörde. Man sollte sich bewusst sein, dass man als Richter sowohl die Interessen des Angeklagten, als auch die Interessen der Strafverfolgungsbehörde im Blick haben muss. "Man kann nicht von vorne herein sagen, der gehört eingesperrt weil ... Sondern man muss kritisch hinterfragen, warum", erklärt Frank Gellhaus. Schließlich sei es ja auch im Leben nie schlecht zu reflektieren.

So etwas wie einen Crash-Kurs, in dem das Rechtssystem vermittelt wird, gibt es für die Schöffen nicht. Zwar werden sie vom Berufsrichter vor der Hauptverhandlung mit dem Verfahren vertraut gemacht, dennoch kann die erste Sitzung eines Schöffen mit einem Sprung ins eiskalte Wasser verglichen werden. "Aber auch dafür sollte man offen sein, schließlich muss man man ja nicht das Rechtssystem in all seinen Verästelungen verstanden haben, um gerecht urteilen zu können", erklärt Gellhaus.

Die Schöffen sind dem Berufsrichter in der Hauptverhandlung gleichgestellt

Richter Frank Gellhaus erklärt den üblichen Ablauf einer Hauptverhandlung eines Schöffengerichtes. So betreten die Schöffen gemeinsam mit dem Berufsrichter den Sitzungssaal, worauf als erstes der Berufsrichter den Angeklagten befragt. Nach ihm haben die Laienrichter das Fragerecht, schließlich die Staatsanwälte, zum Schluss der Verteidiger. Nach der Hauptverhandlung beraten die Schöffen sich mit dem Berufsrichter zu der Frage, ob der Tatnachweis geführt ist und wenn ja, welche Strafe es zu verhängen gilt.

Das gleichberechtigte Stimmrecht der Schöffen kann also auch dazu führen, dass die Laienrichter den Berufsrichter überstimmen, sind sie ihm - dem ausgebildeten Richter - doch völlig gleichgestellt. "Es gibt kein untergeordnetes Verhältnis", bestätigt Gellhaus. Ob ihn das als Berufsrichter stört? "Ganz im Gegenteil - das sind immer ganz gewinnbringende Urteilsberatungen", so Gellhaus. Oft komme er aus der Sitzung, den Kopf überfüllt von den ersten Eindrücken, sodass er sich erst einmal sortieren und orientieren müsse. "Da lasse ich am Anfang gerne die Schöffen reden, sodass ich mich runterfahren und einen neuen Input bekommen kann."

Am Ebersberger Amtsgericht gibt es eine Gruppe Erwachsenen- und eine Gruppe Jugendschöffen, bestehend aus jeweils zehn bis zwölf Schöffen. Die Zahl der Schöffen ist dabei abhängig von der Bevölkerungszahl des Landkreises. Entsprechend ihrer Einwohnerzahl müssen die Gemeinden dem Gericht somit eine bestimmte Anzahl an Schöffen zur Verfügung stellen. Melden sich nicht gut genügend Bewerber, so können Einwohner gewählt werden, die sich nicht beworben haben. "Das passiert aber so gut wie nie", merkt Richter Frank Gellhaus an.

Anlässlich der Schöffenwahlen im Jahr 2023 führte Gellhaus mit den derzeitigen Schöffen des Ebersberger Amtsgerichtes Gespräche, aus denen er mitnahm, dass sich alle Schöffen für die neue Amtsperiode wiederwählen lassen wollen. "Sie sind nicht desillusioniert und ermüdet, sondern haben Spaß an dem Amt", so Gellhaus.

Wer sich für das Schöffenamt interessiert, sollte sich an seine Wohnsitzgemeinde oder das zuständige Jugendamt wenden. Bis Ende März werden Bewerbungen entgegengenommen und die Vorschlagslisten für die neuen Schöffen aufgestellt. Nähere Informationen, sowie das Bewerbungsformular, gibt es auf der Website des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz.

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