Amtsgericht Ebersberg:Schläge in der Wohnung

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Ebersberger Gericht verurteilt 27-Jährigen zu Geldstrafe

Von Nathalie Stenger, Ebersberg

Die Verhandlung hatte noch nicht einmal richtig begonnen, da teilte der Angeklagte schon mit, dass er alles zugebe. Dem 27-Jährigen aus dem Landkreis Rosenheim wurde vorgeworfen, den damals zweijährigen Sohn mit der Hand in Bauch und ins Gesicht, und auch die elfjährige Tochter seiner Partnerin mit der Hand sowie einem Handtuch geschlagen zu haben. Auch soll er das Mädchen mehrere Tage in ihrem Zimmer eingesperrt haben, sie habe den Raum lediglich verlassen dürfen, um das Bad zu nutzen oder ihren Teller in die Küche zu bringen, dem Jungen soll er gesagt haben, seine Großeltern seien gestorben und sollte er sie wieder erwähnen, werde er geschlagen. Der Tochter wiederum, so heißt es in der Anklageschrift, soll er gesagt haben, sie dürfe ihre Großeltern nicht mehr sehen, sonst drohe diesen Gewalt.

Angaben zu den Vorwürfen machte der Mann vor dem Ebersberger Amtsgericht keine. Sein Anwalt habe ihm geraten nicht auszusagen, so der Angeklagte, und er selbst wolle dies auch gar nicht. Er war ohne Verteidiger erschienen, dieser habe aber vorab geschrieben, so Richter Dieter Kaltbeitzer, dass der Angeklagte geständig sein werde.

Zu Tage gekommen waren die Vorwürfe erstmals im Mai vergangenen Jahres, als eine Frau auf der Polizeiinspektion Poing erschien, um anzuzeigen, dass ihre beiden Kinder von den Großeltern aus ihrer Wohnung entführt worden seien. Dies berichtete die erste Zeugin, eine Polizeibeamtin, die damals ein Gespräch mit der mutmaßlich entführten Tochter führte, nachdem die Großmutter die Kinder auf die Wache gebracht hatte. Die Elfjährige habe einen sehr wachen Eindruck auf sie gemacht, so die Beamtin. "Sie war fast zu reif für ihr Alter", hieß es, "sie war emotional und hat gebettelt, dass sie nicht mehr zurück nach Hause will." Das Mädchen habe erzählt, dass der Partner ihrer Mutter - die beiden sind nach islamischen, nicht aber nach deutschem Recht verheiratet - sie und auch ihren kleinen Bruder geschlagen habe. Als sie zwischen ihren Bruder und den Mann gehen wollte, habe er sie ins Zimmer gesperrt. Die Aussagen der fast Zwölfjährigen habe die Polizistin als "absolut glaubhaft empfunden". Das Mädchen habe sich nicht widersprochen.

Ganz so einfach wurde es bei der nächsten Zeugin, dem betroffenen Mädchen selbst, dann nicht mehr. Ihre zögerlichen Aussagen vor Gericht stimmten mit den Protokollen auf der Wache nur noch teilweise überein. So habe der 27-Jährige sie nicht mit der Hand, aber mit einem Handtuch auf den Arm und im Schulterbereich geschlagen, weil sie einmal zu spät nach Hause gekommen sei. Wegen ihrem unaufgeräumten Zimmer habe er sie aber nicht geschlagen. Warum dies denn dann so in den Protokollen stehe, wollte Richter Kaltbeitzer wissen. Bei der Polizei habe sie nicht gewusst, wie sie sich ausdrücken solle, sagte die junge Zeugin. Später bestätigte sie ihre Aussage, der Angeklagte habe ihren Bruder an zwei Abenden geschlagen: Mehrmals in den Bauch, einmal ins Gesicht, woraufhin dem Kleinen der Schnuller aus dem Mund gefallen sei und er Nasenbluten und einen Kratzer an der Nase gehabt habe.

Den Vorwurf, der Mann habe sie in ihrem Zimmer eingesperrt, bekräftigte sie nicht vollständig. Sie habe es ohnehin nicht verlassen wollen, durfte in das Bad und die Küche, nicht aber mit ihrem kleinen Bruder spielen. "Ich hatte Angst und wollte keinen Stress", sagte sie, "und bin deshalb drinnen geblieben." An Drohungen ihren Großeltern gegenüber könne sie sich nicht erinnern, so die Zwölfjährige vor Gericht.

Die Großeltern, die nach eigenen Angaben nichts mit dem Angeklagten zu tun haben, sagten ebenfalls im Zeugenstand aus. Sie erzählten von dem Tag, als der Großvater seine beiden Enkelkinder spontan über den Balkon aus der abgesperrten Wohnung zum Mittagessen zu sich geholt hatte, weil die Mutter der Kinder nicht daheim gewesen war. Die Zwölfjährige, die mittlerweile bei ihnen wohne, sei anfangs sehr ängstlich gewesen, "sie wollte mit dem Thema gar nichts mehr zu tun haben", so die Großmutter. Sie sei nun aber froh, dass ihr Enkelkind alles gut verarbeitet habe. Bei ihrer eigenen Tochter - die Partnerin des Angeklagten - sprach sie von "Gehirnwäsche".

Diese behauptete vor Gericht, nichts von Schlägen oder Einsperren im Zimmer mitbekommen zu haben, diese Aussagen deklamierte der Staatsanwalt später jedoch als "reine Schutzbemerkungen" und als "nicht glaubhaft".

Er plädierte für eine Freiheitsstrafe von acht Monaten bei vier Fällen vorsätzlicher Gewalt, die zur Bewährung in Kombination mit Sozialstunden ausgesetzt werden könne. Die anderen Vorwürfe seien durch die Zeugen relativiert worden. Bevor der Richter sein Urteil sprach - 150 Tagessätze zu je zehn Euro aufgrund der finanziellen Situation des Angeklagten - entschuldigte sich dieser für alles und sagte: "So etwas wird nie wieder passieren."

© SZ vom 03.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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