Amtsgericht Ebersberg:Langer Schatten eines Sommerabends

Ein tragischer Radunfall aus dem Jahr 2019 beschäftigt das Amtsgericht Ebersberg

Von Tobias Schweitzer

Ein nur schwer erklärbarer Zusammenstoß zweier Radfahrer in einer Sommernacht im Juni 2019 auf dem Radweg an der Gruber Straße in Parsdorf beschäftigte nun das Amtsgericht Ebersberg. Getagt wurde, Corona-konform, im ehemaligen Kreissparkassen-Gebäude, mit geöffneten Fenstern und dem nötigen Abstand zwischen den Tischen.

Die Staatsanwaltschaft erhob den Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung, sowie der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs gegen den 22-jährigen Angeklagten, der am späten Abend des 19. Juni 2019 gemeinsam mit einer Freundin vom Stockschießen im Parsdorfer Vereinsheim auf dem Radweg nach Hause unterwegs war. Ohne Licht am Fahrrad und mit einem Alkoholpegel von 0,99 Promille kollidierte er mit einem ihm entgegenkommenden Mann Anfang 60. Dieser war zusammen mit Ehefrau und Sohn auf dem Rückweg von einem Biergartenbesuch. Er musste noch am Unfallort reanimiert werden, erlitt mehrere, schwere Verletzungen und verbrachte anschließend vier Wochen im Krankenhaus und sechs Wochen in der Reha-Klinik. Wie der Zusammenstoß der beiden auf einem fast drei Meter breiten, hell erleuchteten Geh- und Radweg letztlich zustande kam, dazu gab es auch nach gut fünfstündiger Sitzung mit vier Zeugenaussagen und zwei Sachverständigenurteilen keine wirkliche Erklärung.

Der Angeklagte war immer noch sichtlich betroffen von den Ereignissen vor ein eineinhalb Jahren und zeigte sich den ganzen Vormittag über reumütig. Es sei ein Fehler gewesen noch aufs Rad zu steigen, die Geschehnisse tun ihm heute unendlich Leid, so bekannte er direkt zu Beginn der Sitzung. Als erste Zeugin war die an jenem Abend diensthabende Polizeibeamtin geladen. Auf die Frage des Rechtsanwalts, wie sie bei der unklaren Gesamtlage den Angeklagten als Verursacher identifizieren konnte, verwies sie auf den Alkoholkonsum des jungen Mannes und die leicht versetzte Fahrweise abseits der Mittellinie. Auch die Freundin des Angeklagten, die gemeinsam mit ihm unterwegs war und ihm noch kurz vor dem Zusammenstoß ein lautes "Pass auf" zugerufen haben soll, konnte den Unfallhergang nicht mehr angemessen rekonstruieren. Der Geschädigte, der in Begleitung seiner ganzen Familie gekommen war, berichtete im Anschluss von seinen Verletzungen und den Folgen des Unfalls. Seinen Beruf als Informatiker könne er nicht mehr ausüben, zu groß die Wissenslücken, die sich im Nachgang des Unfalls ergeben haben. Den Kontakt, den der Angeklagte zu ihm gesucht hatte, hat er abgeblockt und auch auf die vor Gericht nochmals vorgetragenen Entschuldigungsversuche reagierte er abweisend.

Die Modellierungen des technischen Sachverständigen, der entlang der Zeugenaussagen und Fundorte der Räder die Abstände und Sichtverhältnisse der beiden Beteiligten nachzuvollziehen versuchte, brachten ebenfalls nur wenig Licht ins Dunkel. Für Gerichtsmediziner Fritz Priemer gab es schließlich keinen Anlass hier eine "strafrechtlich relevante Kausalität festzustellen", die Lage sei zu uneindeutig und die Alkoholisierung stelle nicht den entscheidenden Faktor dar.

In Anbetracht der Tatsache, dass für den Angeklagte bisher keine Vorstrafen zu Buche stehen, sich die Verletzungen des Geschädigten größtenteils auf einen fehlenden Helm zurückführen ließen, sowie mit Blick auf seine vorbildlichen Erste Hilfe Leistung am Unfallort, schloss sich auch Jugendrichter Dieter Kaltbeitzer den Worten des Rechtsmediziners an. Gegen eine Geldzahlung von 1500 Euro an wurde das Strafverfahren gegen den Angeklagten eingestellt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: