Amtsgericht Ebersberg:Hitlergruß im Suff bringt ein Jahr Gefängnis

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Ein 51-Jähriger aus dem Landkreis Ebersberg wird wegen rechtsradikaler Parolen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Aus dem Gericht von Wieland Bögel, Ebersberg

Exzessiver Alkoholkonsum, so warnen Neurologen, kann zu Gedächtnisstörungen wie Déjà-vus führen. Ein solches löst die Trinkerei eines 51-Jährigen aus dem nördlichen Landkreis regelmäßig aus - nur, dass es sich dabei um keine Wahrnehmungsstörung, sondern um Realität handelt: Mit steigenden Promillewerten meldet sich bei dem Mann zuverlässig sein rechtsradikales Gedankengut, das er unverzüglich und lautstark unter die Leute bringt. Weshalb das Amtsgericht Ebersberg am Dienstag dafür sorgte, dass er nicht mehr so oft unter die Leute kommt: Es verurteilte ihn zu neun Monaten Gefängnis wegen Volksverhetzung. Bereits im Februar 2017 hatte das Gericht für das gleiche Vergehen fünf Monate verhängt.

Damals allerdings noch auf Bewährung, verbunden mit der Auflage, sich wegen seiner Trinkerei behandeln zu lassen. Dem war der nun erneut Angeklagte allerdings nicht nachgekommen, weshalb er die fünf Monate Haft aus dem Urteil vom Vorjahr demnächst ebenfalls absitzen muss.

Ohnehin schien der 51-jährige Arbeitslose von der Verurteilung nicht besonders beeindruckt gewesen zu sein. Er wiederholte, weswegen er damals vor Gericht stand: rechtsradikale Pöbeleien im Vollrausch. Im vergangenen Dezember hatte er vor einem Supermarkt in Markt Schwaben Passanten belästigt. Einige riefen daraufhin die Polizei. Ein Streifenpolizist berichtete vor Gericht, dass der Angeklagte beim Eintreffen der Beamten in "ein Wortgefecht" mit drei oder vier Jugendlichen verwickelt gewesen sei. Diese sagten aus, der 51-Jährige habe sie rassistisch beleidigt, und verließen dann den Ort des Geschehens.

Nicht so der Angeklagte. Nach Aussage des Zeugen hätten er und sein Kollege den Mann noch zum Gehen bewegen wollen. Der wollte aber nicht, bezeichnete die Polizisten als "seine Freunde", weil diese "auch gegen Ausländer" seien. Er habe den Beamten sogar Hilfe angeboten - durch ihn und seine Freund vom "Volkssturm Markt Schwaben". Dann habe der Angeklagte noch erklärt, er habe seine Einkäufe bezahlt, ganz im Gegensatz zu den "Untermenschen".

Verkehrsdelikte, Beleidigungen, Diebstähle und Nötigungen

Wen er damit meinte, habe der 51-Jährige auch ausgeführt: Türken, Osteuropäer und Afrikaner. Schließlich konnten die Polizisten den Mann bewegen, den Platz zu verlassen - er verabschiedete sich mit "Sieg Heil" und zeigte den Hitlergruß. Einige Zeit später seien er und sein Kollege sicherheitshalber noch einmal zurückgefahren - "wir haben uns gedacht, dass er bald wiederkommt", und so war es auch. Beim Supermarkt pöbelte der Angeklagte gerade eine Frau an, und fragte diese, welcher Rasse sie angehöre. Als ihn die Beamten auf den Platzverweis hinwiesen, verabschiedete er sich in gleicher Weise wie zuvor.

Dass die Polizisten umgekehrt waren, liegt daran, dass der Angeklagte für sie kein Unbekannter ist. Insgesamt 19 Vorstrafen hat der Mann in den vergangenen 21 Jahren angesammelt, darunter bislang zwei wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen - er hatte Naziparolen gepöbelt und den Hitlergruß gezeigt. Nahezu alle Vorstrafen - Verkehrsdelikte, Beleidigungen, Diebstähle und Nötigungen - stehen im Zusammenhang mit dem Alkoholproblem des Angeklagten - darauf berief er sich auch im aktuellen Verfahren.

Dass sich die Vorfälle am Supermarkt so abgespielt hätten, wie von der Staatsanwaltschaft und dem Zeugen geschildert, wolle er nicht bestreiten. Zwar könne er sich wegen seiner Alkoholisierung nicht genau erinnern, "aber ich gebe es zu". Entschuldigen könne er das nicht, aber erklären. Es sei nämlich so, dass er auf dem Heimweg am Bahnhofskiosk vorbeimüsse.

Da treffe er dann immer die selben Leute, die zahlten ihm Alkohol, und wenn er dann richtig "zugeschüttet" sei, dann würden gemeinsam rechte Parolen gebrüllt. "Die hetzen mich auf", so der Angeklagte, "ich bin ein anderer Mensch, wenn ich betrunken bin". Selber könne er sich die Spirituosen gar nicht leisten, so der Angeklagte, der nach eigenen Angaben von Gelegenheitsjobs lebt. "Aber wenn die mir dann ein Bier ausgeben, werde ich schwach, auch wegen meinem Alkoholproblem."

Welches er auch wirklich angehen wolle, versicherte der 51-Jährige, "nach der Haft will ich ein neues Leben anfangen". Dass an einem Aufenthalt im Gefängnis für den Angeklagten kein Weg vorbei führt, machte auch die Staatsanwaltschaft klar: Vorangegangene Bewährungsstrafen hätten keine Wirkung gehabt, so die Anklagevertreterin, weshalb man ihn für ein Jahr einsperren solle.

Richterin Vera Hörauf verurteilte den Mann schließlich zu neun Monaten, auch für sie war klar: "Die Frage nach einer Bewährung stellt sich nicht." Schließlich sei der Angeklagte in genau der selben Angelegenheit schon einmal von ihr verurteilt worden, eine zweite letzte Chance werde es nicht geben.

© SZ vom 09.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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