Am Amtsgericht Ebersberg:Ladenhüter aus dem Darknet

Ein 29-Jähriger aus Grafing wird mit Drogen im Wert von 10 000 Euro erwischt. Er hatte die Polizei selbst auf seine Fährte gebracht.

Von Selina Schaefer, Ebersberg

Während gerade die dritte Staffel der deutschen Serie "How to sell drugs online (fast)" wieder in aller Munde ist, hat ein 29-jähriger Grafinger eine eher realistischere Erfahrung mit dem Thema Drogendealen gemacht - und ist seine Ware gar nicht erst losgeworden. Vor dem Amtsgericht Ebersberg musste er sich nun wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und unerlaubten Handels in nicht geringer Menge verantworten.

"Ich habe nicht willentlich darauf abgezielt, damit Gewinn zu erzielen", erklärte der junge Mann. Das "Zeug" sei eine Internetbestellung gewesen sowie "Überbleibsel" von einem Festival. Genauer gesagt handelte es sich bei dem "Zeug" um rund 33 Gramm Cannabis, mehr als 28 Gramm Amphetamine, 22 Gramm der Partydroge MDMA sowie zwei LSD-Trips, alles im geschätzten Verkaufswert von 10 000 bis 15 000 Euro, aber wie der Richter beim Vorlesen der chemischen Analyse feststellte: "Schlechte Qualität." Der Angeklagte erzählte, er habe den Verkäufer bereits 2016 durch ein Forum im Darknet kennengelernt, wo alle Nutzer Bernd hießen.

Es habe sich um eine einmalige Lieferung gehandelt, bei der abgemacht war, dass der Mann sie "auf Kommission" verkaufen und dem Lieferanten das Geld später geben sollte. Allerdings sei der Zulieferer verschwunden und nie wieder aufgetaucht, um sein Geld zu erhalten. Verhaftet, vermutete der Grafinger. Richter und Staatsanwältin zeigten sich über so viel Vertrauen überrascht, schließlich durfte sich der Angeklagte auch noch kleine Mengen von seiner Ware zum Eigenkonsum abzweigen. Der 29-Jährige erklärte das damit, dass er über Jahre hinweg schon Kleinstmengen von dem Händler bezogen habe.

Er sei die Drogen auch nicht wirklich losgeworden, sondern habe nur ein bisschen im Freundeskreis gegen einen "Zehner oder so" verkauft. Insgesamt habe er so höchstens 200 Euro eingenommen, auch weil am Höhepunkt von Corona das Interesse an Partydrogen nicht so groß gewesen sei. Ziel des Drogendealens sei aber nie gewesen, damit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, erklärte er, sondern zum einen, um seine eigene Sucht zu finanzieren, und zum anderen mit einem Freund ein Gitarrenbauunternehmen zu eröffnen. Schließlich wollte er, nachdem ihm vorher wegen Corona gekündigt wurde, so etwas Neues anfangen. Der Angeklagte hatte bereits zwei Ausbildungen angefangen, aber unter anderem wegen der familiären Verhältnisse wieder abgebrochen, was er bereue. Eigentlich sehe er seine Berufung im Gitarrenreparieren und -bauen, aber wegen Corona sei das Projekt einer eigenen Firma auf Eis gelegt worden. Derzeit arbeite er wieder bei seinem Schwager und wolle dort auch weiterhin bleiben.

Bereits 2014 habe er einen dreiwöchigen, stationären Entzug wegen Cannabis gemacht, 2016 sei er eigenen Aussagen nach "auf den Geschmack" von Amphetaminen gekommen, 2018 habe er dann jedes Wochenende konsumiert. Er sei - so sagte er - seit nunmehr einem Jahr drogenfrei, von einem einzigen Rückfall Anfang des Jahres wegen eines Todesfalls abgesehen. Nach der Verhaftung und nach der medikamentösen Behandlung einer Depression habe er "eine dermaßene Paranoia, eine dermaßene Angst" vor den Substanzen sowie auch Medikamenten bekommen, dass er sagte: "Ich will und ich kann nichts mehr mit den Substanzen zu tun haben." Deswegen sei es ihm "erstaunlich leicht" gefallen davon wegzukommen, was er nach entsprechender Nachfrage des Richters auch bereit wäre mit einem Drogentest der Haare zu beweisen.

Dass die Polizei die Drogen in der Tasche des Angeklagten und in dessen Wohnung überhaupt finden konnte, war auch eher der Paranoia des Angeklagten geschuldet: Der hatte die Polizisten vor der Wohnungstür gesehen und angenommen, sie wollten zu ihm, woraufhin er mit der Tasche aus dem Fenster kletterte - und einer Beamtin geradewegs in die Hände lief. Tatsächlich aber sollte ursprünglich die Wohnung seines Freundes nebenan durchsucht werden. Der Anwalt betonte, sein Mandant sei nicht der "klassische Dealer im Club", sondern habe die zwar nicht unerhebliche, aber auch nicht riesige Menge eher im Freundeskreis weitergegeben. Richter Markus Nikol hielt dem Angeklagten zugute, dass dieser geständig war und Reue gezeigt habe sowie außerdem nicht vorbestraft ist und auch einem gewissen "Suchtdruck" folgte. Andererseits sei es doch eine Vielzahl, zum Teil "harte Drogen" gewesen, die er verkaufen wollte.

Letztlich kam der junge Möchtegern-Dealer mit einem Jahr und zwei Monaten Gefängnis auf Bewährung davon, unter der Auflage, ein Jahr drogenfrei zu bleiben und sich unangemeldeten Drogenscreenings zu unterziehen. Der junge Mann habe, so der Richter, den Weg in die richtige Richtung gemacht.

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