Amtsgericht Ebersberg:Der erfundene Überfall

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Ein Betrunkener randaliert und erfindet anschließend einen Raubüberfall. Das bringt ihm jetzt vor dem Amtsgericht Ebersberg eine Geldstrafe ein.

Von Katharina Behmer, Ebersberg

"Mich haben zwei Typen überfallen. Ich kann nicht mehr!" Dieser Anruf ging im April 2014 um kurz nach vier Uhr nachts bei der Notfallzentrale der Polizei ein. Weitere Informationen zu dem Vorfall musste die Mitarbeiterin am anderen Ende der Leitung ihrem Gegenüber mühevoll aus der Nase ziehen: "Ja, Sie müssen schon mit mir reden, was ist passiert?", fragte sie immer wieder.

Dann erst reagierte der Mann. Er sei in Grafing am Stadtbahnhof und niedergeschlagen worden. Die Mitarbeiterin gab diese Informationen sofort an eine Polizeistreife weiter und äußerte den Kollegen auch schon einen ersten Verdacht. "Besoffen", so ihr Fazit zum nächtlichen Anrufer. Eine richtige Einschätzung, wie sich jetzt vor dem Ebersberger Amtsgericht herausstellte.

Eine ganze Menge Alkohol war im Spiel

"Sicherlich zehn Tequila und a paar Bier", will der Mann an diesem Abend getrunken haben. Es sei eben "einfach uferlos geworden". Daran, was dann geschah, und an den Anruf bei der Polizei kann sich der 47-Jährige angeblich nicht mehr erinnern. Der Polizei hingegen gelang es, die Vorfälle detailreich zu rekonstruieren: die Beamten hatten den CNC-Fräser mit Schnittverletzungen an Gesicht und Händen am Bahnhof angetroffen und mussten von dort nur einer Blutspur folgen, die der Angeklagte quer durch die Grafinger Innenstadt gezogen hatte.

Dabei wurde das Ausmaß seines Rausches klar: Unweit des Cafés am Marktplatz, wo der Mann getrunken hatte, fand sich der vollkommen demolierte Schaukasten eines Fotogeschäftes. Weiter in Richtung des Stadtbahnhofes waren ein Briefkasten aus der Verankerung gerissen, ein Motoroller umgeschmissen und mehrere Blumenkübel auf die Bahngleise geworfen worden.

Der Mann aus dem östlichen Landkreis hatte für sämtliche Schäden und seine Verletzungen eine Erklärung parat: ein Überfall! Das Raubgut? Eine Zigarettenschachtel und sein Handy. Der 47-Jährige konnte der Polizei gegenüber sogar eine grobe Täterbeschreibung abgeben. Zwei Männer, einer mit einem auffälligen, blonden Zopf, seien über ihn hergefallen.

Die Geschichte wirkte erfunden

Ziemlich schnell ergab sich bei den ermittelnden Beamten der Eindruck, der Mann sei gar nicht ausgeraubt worden: Seine Geschichte war "ziemlich unglaubwürdig". Der Raub wirkte eher frei erfunden. Dieser Verdacht erhärtete sich noch, als die vermeintlich gestohlenen Gegenstände auf einer nahen Parkbank auftauchten. Es wurde zwar "kurzzeitig ein bisschen gefahndet", die Suche nach den Tätern dann aber bald abgebrochen.

Nun geriet das vermeintliche Opfer selbst ins Visier der Ordnungshüter. Immerhin gab es deutliche Sachbeschädigungen rund um den Bahnhof. Und ein Blatt an der Hand des CNC-Fräsers passte zu den Buchsbäumchen, die auf die Gleise geworfen wurden. Darauf angesprochen, reagierte der Mann zunehmend ausfallend: "Im Endeffekt kam nicht wirklich ein Gespräch zustande", erklärte einer der ermittelnden Beamten nun vor Gericht, und wenn überhaupt nur ein "ziemlich einseitiges": Er und seine Kollegen mussten sich wüst beschimpfen lassen.

"Richtig los ging es dann im Krankenhaus", erinnerte sich der Polizist sichtlich genervt: "Da sind ja alle beleidigt worden - einmal rundherum." Wegen seiner Verletzungen war der aggressive Betrunkene in Begleitung von gleich zwei Streifenwägen dorthin gebracht worden. Er weigerte sich allerdings vehement, behandelt zu werden und versuchte zu fliehen. Vergeblich. Er fand den Ausgang nicht. "Um weitere mögliche Straftaten zu vermeiden", brachte ihn die Polizei nach der Behandlung in eine psychiatrische Klinik.

Der Angeklagte hat eine lange Suchtkarriere

"Ich halte es für möglich, dass ich das gemacht habe oder sogar für wahrscheinlich": Als der bereits vorbestrafte Angeklagte vor Gericht mit den Beweisen konfrontiert wurde, reagierte er einsichtig. Er habe eine "lange Suchtkarriere" hinter sich, im alkoholisierten Zustand gebe es "immer mal wieder Situationen, wo man mit jemandem in Streit gerät". An besagten Abend wollte er sich trotzdem nicht erinnern.

Eine Alkoholmessung vom Tattag ergab einen Blutwert von bis zu drei Promille. "Ein Filmriss ist bei diesem Wert durchaus denkbar", erklärte eine medizinische Sachverständige dem Gericht. Dennoch sah sie keine Verminderung der Schuldfähigkeit. Eine Meinung, die Richterin Vera Hörauf teilte - sie verurteilte den Angeklagten zu 120 Tagessätzen von jeweils 30 Euro wegen "Vortäuschens einer Straftat".

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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