Amtsgericht Ebersberg:Als Opfer auf der Anklagebank

Ein Fahrradfahrer wird von einem Auto erfasst, aber muss sich selbst vor Gericht verantworten - wegen Trunkenheit

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Wer ein Handwerk ausübt, der braucht - wie der Name schon sagt - in aller Regel seine Hände dazu. Verweigern diese aber ihren Dienst, dann kann auch die berufliche Laufbahn schnell zu Ende sein. Das musste nun ein gelernter Metzger aus dem östlichen Landkreis Ebersberg schmerzhaft am eigenen Leib erfahren. Bei einem Verkehrsunfall hatte sich der Mann so schwer an der Hand verletzt, dass diese seither teilweise steif ist. Daraufhin hat er nicht nur seine Arbeitsstelle verloren, sondern wird eigenen Angaben zufolge seinen "Beruf nie wieder richtig ausüben können". Dennoch musste sich der 36-Jährige nun als Angeklagter vor dem Ebersberger Amtsgericht verantworten. Es stand die Frage im Raum, ob er an dem Unfall am Ende nicht sogar selbst schuld war.

Es war ein Abend Mitte März dieses Jahres, als sich der Angeklagte mit dem Fahrrad auf einer Landstraße im Landkreis-Osten auf den Nachhauseweg machte. Allerdings war er dabei nicht ganz nüchtern, eine Blutentnahme ergab später einen Alkoholwert von 1,3 Promille. Wie ihm die Staatsanwaltschaft nun vorwarf, soll er deshalb auf der Fahrbahn viel zu weit links unterwegs gewesen sein - und ist dabei von einem entgegenkommen Autofahrer mit dem Außenspiegel erwischt worden. Er hätte seine Alkoholisierung erkennen müssen, habe sich aber trotzdem auf sein Rad gesetzt, so der Staatsanwalt, der dem Mann deshalb fahrlässige Trunkenheit im Verkehr vorhielt.

Dass es diesen Unfall mit den schlimmen Folgen für den Angeklagten gegeben hatte, stand außer Frage. Vor Gericht war nun zu klären, ob der Zustand des Mannes dafür die Ursache war. Diesen Schuh wollte sich dieser aber nicht anziehen: "Ich habe mich fahrtüchtig gefühlt und bin ganz rechts gefahren. Fast auf der weißen Linie", sagte er vor Gericht. Den Fehler habe der Autofahrer begangen, der die Kurve geschnitten und immer weiter auf ihn zugekommen sei. Er habe zwar noch ausweichen wollen, es aber nicht mehr rechtzeitig geschafft.

Die Folgen des Zusammenpralls waren für den Mann in mehrfacher Hinsicht schmerzhaft. Neben einer Platzwunde am Kopf sei auch seine linke Hand seither kaputt. Seinen damals erst kürzlich angetretenen Job habe er deshalb verloren. Derzeit befinde er sich immer noch auf Reha. "Allerdings bin ich froh, dass ich nicht über das Auto drüber geflogen bin, weil sonst wäre ich heute wahrscheinlich nicht mehr da", sagte er vor Gericht.

Gegenüber der Polizei sowie in einem anderen Verfahren hatte der Autofahrer bereits zugegeben, nicht ganz auf seiner Spur geblieben zu sein. Diese Aussage wiederholte er nun im Zeugenstand. "Ja, ich habe die Kurve ein bisschen geschnitten", sagte der 26-jährige Student. Wie weit er auf die andere Fahrbahnseite gekommen war, daran könne er sich allerdings nicht mehr erinnern. Auch habe er den Angeklagten vorher nicht gesehen, erst als er den Aufprall hörte, habe er den Unfall bemerkt.

Wie dieser nun aber genau abgelaufen ist, dazu konnten auch die Schwester des Angeklagten und ein Polizeibeamter nichts beitragen. Aufgrund der Aussage des Autofahrers konnte immerhin ein rechtsmedizinischer Gutachter beim Angeklagten keinen "alkoholtypischen Fahrfehler erkennen". Man könne nicht sagen, der Unfall sei eindeutig durch den Alkoholkonsum bedingt gewesen. Das sahen auch Staatsanwaltschaft und Verteidigung so, die beide dafür plädierten den Mann freizusprechen. Dieser Forderung folgte dann auch Richterin Vera Hörauf in ihrem Urteil.

Die Hand des 36-jährigen Mannes wird zwar auch durch den Freispruch nie wieder gesund werden, aber immerhin entschuldigte sich der Autofahrer noch vor Gericht aufrichtig bei dem Mann: "Ich wünsche Ihnen weiterhin gute Besserung. Es tut mir wirklich sehr leid, dass das passiert ist."

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