Amtsgericht Ebersberg"Absolut abstrus"

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Zwei junge Männer bohren ein Auto an, um Benzin zu klauen. Von so viel Sorglosigkeit ist man selbst vor Gericht überrascht

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Wenn ein Arbeitgeber erfährt, dass sein Angestellter straffällig geworden ist, sorgt das selten für Begeisterung. Im Fall eines 21-Jährigen aus dem nördlichen Landkreis Ebersberg dürften die Reaktionen aber noch deutlich heftiger ausfallen: Der Servicemitarbeiter in einem Autohaus ist nämlich dabei erwischt worden, wie er zusammen mit einem Freund Benzin klauen wollte. Die beiden haben dazu den Tank eines Autos aufgebohrt und wollten den Treibstoff in einen Kanister abfüllen. Dafür mussten sich nun vor dem Jugendgericht verantworten.

"Für mich ist das ein sehr interessanter Fall, den Sie da ermittelt haben", sagte Richter Dieter Kaltbeitzer zu den beiden Polizeibeamten, die am Mittwochvormittag als Zeugen geladen waren. Tatsächlich aussagen mussten sie dann aber nicht mehr, denn die zwei Angeklagten hatten die Tat zuvor bereits vollumfänglich eingeräumt. Demnach haben sich die beiden, eben jener Mitarbeiter eines Autohauses, und sein 20-jähriger Kumpel, ein angehender Student aus dem Landkreis Erding, Mitte März dieses Jahres in den frühen Morgenstunden an einem Bahnhof im Norden des Landkreises Ebersberg getroffen. Dort haben sie den Plan geschmiedet, gemeinsam in ein nahegelegenes Parkhaus zu gehen und von einem Auto Benzin abzuzapfen. Die nötige Ausrüstung dafür hatten sie bereits dabei: eine Bohrmaschine und einen leeren Kanister.

Diese Entschlossenheit gepaart mit einer gehörigen Portion Unvernunft ließ selbst Richter Kaltbeitzer etwas ratlos zurück. "Also ich würde so etwas ja nicht machen. Aber wenn, würde ich mir doch eine abgelegenere Stelle suchen", sagte der Vorsitzende. Soweit haben die beiden Angeklagten aber offenbar nicht gedacht und bohrten den Tank des Autos auf. Beim Versuch, das dort ebenfalls abgestellte Fahrzeug des 21-Jährigen zu betanken, haben die beiden große Mengen des Treibstoffs in der Garage verschüttet. "Das ist kein Pappenstiel, was Sie da gemacht haben", sagte der Richter. Im Gegenteil: "Das ist ausgesprochen gefährlich gewesen."

Durch den von der Bohraktion verursachten Lärm ist schließlich eine Polizeistreife auf die beiden aufmerksam geworden und konnte die jungen Männer wenig später dingfest machen. Der 20-Jährige begründete die Tat damit, er habe zuvor aus dem Rasenmäher seiner Eltern Benzin abgezapft, um sein Mofa damit zu betanken. Den fehlenden Kraftstoff habe er unbemerkt ersetzen wollen. Sein 21-jähriger Komplize sagte vor Gericht, er sei zu der Zeit aufgrund einer Operation in akuter Finanznot gewesen. Da sei ihm die Idee, sein Auto gratis zu betanken, gerade recht gekommen.

Um an das Benzin zu kommen, mussten die Männer ein Loch in den Tank des Fahrzeugs bohren, was für dessen Besitzerin einen nicht gerade unerheblichen Schaden von mehr als 1000 Euro zur Folge hatte. Da die beiden ihr Vergehen inzwischen aber selbst eingesehen haben, zahlen sie der Frau seit einigen Wochen Schadenersatz. "Es war einfach nur dumm von uns", sagte der 21-Jährige vor Gericht. Auch sein Kumpel zeigte sich reumütig. Er könne sich heute nicht mehr erklären, warum sie das damals getan hatten.

Die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe, die für den 20-Jährigen zuständig ist, sagte, der Mann habe eine schlechte Phase gehabt, auch weil die Noten in der Schule nicht so gepasst hätten. "Für ihn ist das im Nachhinein eine völlig irrationale Sache." Reifeverzögerungen seien bei dem jungen Mann nicht auszuschließen, weshalb sie für die Anwendung von Jugendstrafrecht plädierte. Gleiches tat ihr Kollege im Fall des anderen Angeklagten. Dieser stehe zwar schon seit einiger Zeit fest im Berufsleben, die Tat zeige aber eindeutig jugendtypisches Verhalten. "Was wir heute hier verhandeln, ist absolut abstrus", sagte der Gutachter.

Das sah auch Richter Kaltbeitzer so, der über das Vorgehen der beiden Angeklagten erstaunt war. Einen Tank aufzubohren verursache einen ziemlichen Lärm. "Eigentlich konnte man doch damit rechnen, dass das auffällt." Er folgte deshalb der Einschätzung der Jugendgerichtshilfe und verurteilt die beiden Männer nach Jugendstrafrecht. Der 20-Jährige muss nun acht Tage soziale Dienste leisten und sich 20 Stunden in therapeutische Behandlung begeben. Seinen Komplizen verurteilte der Vorsitzende zu einer Geldstrafe über 500 Euro. Beide Angeklagten nahmen das Urteil sofort an.

© SZ vom 26.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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