Am Wochenende in der Anni-Pickert-Schule:Urkomisches Comeback

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Ein junges Trio aus Raffael Scherer, Sven Mößbauer und Michael Gammel zeigt in Poing sein "Herzensstück von früher": "Arsen und Spitzenhäubchen", einen Evergreen des schwarzen Humors - samt Travestie

Von Anja Blum

Es gab eine Zeit, da mussten Sven Mößbauer und Michael Gammel vehement um ihre Rollen kämpfen. 2011 war das, in der zehnten Klasse am Markt Schwabener Gymnasium. Da hieß es im Schultheater, es sei ein absolutes Unding, dass zwei Jungs Abby und Martha spielten, die beiden mörderischen Tanten aus "Arsen und Spitzenhäubchen". Eigentlich seien sie "gar nicht so orientiert", doch die Vorstellung einer Travestie habe sich eben sehr verlockend angehört, erzählt Sven Mößbauer heute. Also insistierten die beiden Nachwuchsdarsteller und setzten sich am Ende durch - mit großem Erfolg. "Unsere Version war nicht einfach nur lustig, sondern urkomisch", sagt Mößbauer. "Der Vorhang ging auf, wir saßen nur am Tisch und tranken Tee, doch das Publikum hat schon da eine Minute lang gelacht."

Die Zeiten haben sich geändert: Nun, bei einer professionellen Wiederauflage des Stücks des amerikanischen Autors Joseph Kesselring in Poing, waren Gammel und Mößbauer von Anfang an als Abby und Martha gesetzt. Schließlich führt ihr Freund Raffael Scherer Regie, der damals, beim Schultheater, noch als irrer Neffe Teddy glänzte. Heute sind alle drei 24 Jahre alt, Scherer hat gerade sein Regiestudium beendet, Gammel und Mößbauer sammelten in der Zwischenzeit bei diversen Projekten Bühnenerfahrung.

Sven Mößbauer und Michael Gammel heute als mörderischeTanten in "Arsen und Spitzenhäubchen". (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Um das Trio herum hat der Regisseur zehn weitere Kreative aus dem "Poinger Großraum" von München bis Erding versammelt: Jüngere und Ältere, Profis wie Laien, Kollegen von der Medienakademie genauso wie Bühnenneulinge. Ein Umstand, der die Proben laut Scherer recht abwechslungsreich macht: "Die Leute von den Weiherspielen sprechen sehr laut und machen übertrieben große Gesten, wer hingegen vom Film kommt, meint, dass ein Augenzwinkern völlig genügt. Dabei sieht das ab der dritten Reihe keiner mehr", sagt er und lacht. Das habe Verwirrung gestiftet: "Weniger! Mehr! Was will denn dieser Regisseur nun?"

Dass am kommenden Wochenende in der Aula der Anni-Pickert-Schule zwei Aufführungen von "Arsen und Spitzenhäubchen" zu sehen sind, ist der Gemeinde zu verdanken. Diese kam auf Scherer zu mit dem Anliegen, das kulturelle Leben um eine weitere Veranstaltung zu bereichern. Das Rathaus hat für Proberaum und Spielstätte gesorgt, trägt das - überschaubare - finanzielle Risiko und verleiht der Unternehmung durch seine Beteiligung einen offiziellen Anstrich. Beste Voraussetzungen also, um "ohne großen Druck" die eigene Spielfreude auszuleben. Daher gruben Scherer und seine zwei Freunde ihr "Herzensstück von früher" aus und gründeten dafür die One Night Stage. Wobei der anzüglich-unverbindliche Name des Ensembles möglicherweise irreführend ist: Das Trio kann sich jedenfalls gut vorstellen, bei Erfolg im nächsten Jahr wieder eine Inszenierung auf die Beine zu stellen. "Dann aber wahrscheinlich nach einem eigenen Skript", sagt Scherer, der schon das ein oder andere eigene Stück geschrieben und auch aufgeführt hat, zum Beispiel mit dem Markt Schwabener Theaterverein.

Sven Mößbauer und Michael Gammel beim Schultheater im Jahr 2011. (Foto: Privat)

Mit "Arsen und Spitzenhäubchen", diesem Evergreen des schwarzen Humors, sind Scherer und Co. sehr behutsam umgegangen. Sie haben das Original nur ein wenig gekürzt - "3,5 Stunden sind einfach zu viel" - und mit ein paar witzigen lokalen Bezügen angereichert. Der größte Unterschied zum Schultheater sei, erzählen sie, dass ihr Verständnis des Stücks nun viel tiefer reiche, vor allem das der vielen Gags. "Jetzt wissen wir viel besser, was wir tun", sagt Mößbauer. "Und wir leben unsere Rollen, anstatt einfach nur einen auswendig gelernte Sätze abzuspulen." Selbst wenn eine Figur mal keinen Text habe, so Scherer, gebe es mehr zu tun als auf den nächsten Einsatz zu warten: inbrünstig Brühe schlürfen, Staub wedeln oder eine Seifenblasenpfeife rauchen.

Und so tippeln Gammel und Mößbauer alias Abby und Martha durch die köstlich makabere Handlung, in der biederes Kleinbürgertum auf blanken Horror trifft. Die zwei Tanten des Theaterkritikers Mortimer nämlich vergiften regelmäßig einsame alte Männer mit Hollunderwein - um sie "Gott näher zu bringen". Ihr Gehilfe ist der geisteskranke Teddy, der sich für Präsident Theodore Roosevelt hält und im Keller ahnungslos Gräber ausschaufelt, in dem Glauben, er hebe den Panama-Kanal aus. Und als wäre das noch nicht genug, taucht plötzlich Mortimers verschollener, krimineller Bruder auf und sucht Unterschlupf. Wie der Theaterkritiker immer verzweifelter versucht, in diesem Irrenhaus wieder Herr der Lage zu werden, das zeigt die One Night Stage am Freitag und Samstag, 7./8. Juni, in Poing.

Für Regisseur Raffael Scherer war die Besetzung stets alternativlos. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ein dramaturgischer Ortswechsel ist dafür nicht nötig, alles spielt sich in der guten Stube der beiden alten Damen ab. Ein zierliches Teegeschirr mit Blümchen, eine altmodische Lampe und allerhand Requisiten mehr zieren sie stilecht. Mößbauer und Gammel verkörpern die betagten Verbrecherinnen mit viel Gespür, tüddelig bis aristokratisch, die Lippen gespitzt, den Rücken gerade, den kleinen Finger ausgestreckt. Herrlich spitzbübisch freuen sie sich über ihre mörderischen Coups, für die Leichen steht stets eine Kiste bereit. Damals, im Schultheater, lag darin eine Fünftklässlerin, ganze drei Stunden lang. Heute übernimmt diese Rolle eine Gummipuppe namens Brandine. Vermutlich besser so.

Die "One Night Stage" spielt "Arsen und Spitzenhäubchen" am Freitag, 7., und Samstag, 8. Juni, jeweils um 19 Uhr in der Anni-Pickert-Grund- und -Mittelschule Poing. Für Mutige gibt es Hollunderwein. Karten für regulär acht Euro und ermäßigt fünf Euro sind erhältlich beim Buchladen im City Center.

© SZ vom 04.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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