Am Samstag im Alten Speicher:Brasilianisches Herz

Paulo Morello vermischt Jazzgitarre mit Samba und Bossa-Nova. In Ebersberg tritt er mit Lula Galvão und Randy Brecker auf

Von Simon Gross

Am Samstagabend wird sich Ebersberg eine Zeit lang wie Rio de Janeiro anfühlen - mit seinen langen Sandstränden, den Palmen und seiner unbeschwerten Lebensart. Dafür verantwortlich ist eine Combo, von der Randy Brecker sagt, sie sei der "absolute real deal". Die Rede ist von Paulo Morellos Brazilian Quartet, das mit seinem Album "Sambop" im Alten Speicher auftritt. Jazzgitarrist Paulo Morello hat sich dafür mit den brasilianischen Musikern Lula Galvão (Gitarre), Dudu Penz (Bass) und Mauro Martins (Schlagzeug) zusammengetan.

Paulo Morello selbst stammt nicht aus Brasilien, auch wenn sein Name sich so anhört. Der Gitarrist aus Regensburg, der mit bürgerlichem Namen Cornelius Paul Schmidkunz heißt und 1970 im oberpfälzischen Burglengenfeld geboren wurde, entdeckt allerdings schon früh seine Leidenschaft für die brasilianische Musik. Als er Ende der 1990er Jahre an der renommierten New School in New York Jazz studiert und Auftritte von brasilianischen Bands wie dem Trio da Paz hört, beginnt er, sich intensiv mit den südamerikanischen Stilen auseinanderzusetzen und sie in ihren Feinheiten zu studieren. "Diese Akzentuierung der Rhythmen bei Samba, Bossa Nova oder Baião - eine aus dem Nordosten Brasilien stammende, ursprüngliche Stilrichtung - dieser Puls hat mich gleich angesprochen. Und dazu dann noch diese harmonische Finesse, das verbindet sich sehr gut mit der Jazzgitarre", sagt Morello.

Paulo Morello
Jazzgitarrist
Sambop

Das "Sambop Quartet" (von links): Dudu Penz, Lula Galvão, Mauro Martins und Paulo Morello.

(Foto: David Plate/oh)

Nach seinem Studium, im Jahr 2000, geht er dann nach Rio de Janeiro, um ganz in die brasilianische Musikszene einzutauchen, was ihm schnell gelingt. Dort merkt der Deutsche aber auch, dass er mit "Cornelius" und auch mit seinem Spitznamen "Neli" nicht weit kommt. So entsteht aus seinem Zweitnamen und dem Einfall eines Freundes der Künstlername Paulo Morello. Irgendwann habe sich das dann verselbstständig, erzählt er, so dass ihn mittlerweile eigentlich alle nur noch Paulo nennen. International macht sich Morello spätestens Anfang der 2000er mit dem "Bossa-Nova-Legends"-Projekt einen Namen, spielt zusammen mit Grammygewinnerin Leny Andrade oder dem Bossa-Nova-Urgestein Johnny Alf auf den großen Festivalbühnen Südamerikas und Europas. Während seiner Zeit in Brasilien lernt der Gitarrist auch das Land zu schätzen: "Ich liebe es dort, Rio de Janeiro ist eine meiner Lieblingsstädte. Die Natur mit den Stränden, dem Gebirge und dem Regenwald, das ist eine irre Mischung. Und diese Leichtigkeit - sobald ich dort bin, bekomme ich gute Laune und bin wie ausgewechselt."

Das letzte Mal, dass Morello in Rio war, ist allerdings schon mehr als zehn Jahre her. Bald kehrt er jedoch für einen Workshop nach Brasilien zurück, denn der Gitarrist spielt nicht nur leidenschaftlich gerne, er gibt Wissen und Erfahrung auch an andere weiter: Morello hält jedes Jahr Workshops in Bozen und in der Dordogne und arbeitet als Dozent sowohl an der Universität der Freien Künste in Berlin als auch an der Hochschule für Musik in Nürnberg. ("Das ist fast schon eine Sache zu viel.") Er selbst studierte während seiner Zeit in New York auch in Nürnberg und Mannheim. Eine akademische Herangehensweise an die Musik habe er aber nicht: "Ich bin kein Typ, der auf verkopften Kram steht, das war ich nie und werde es hoffentlich auch nie sein." Der akademische Zugang begrenze sich bei ihm auf die Pädagogik, betont Morello. Aber auch beim Unterrichten gehe es darum, die Improvisation und das "Aufeinanderhören" zu lehren: "Ich habe ja keine Musiktheorie studiert", sagt der Gitarrist, der als Kind einst Geige lernte, aber mit elf Jahren keine Lust mehr darauf hatte. "Mein Bruder spielte in einer Rockband und gab mir eine Gitarre, danach wollte ich nichts anderes mehr."

Logo Jazzfestival Ebersberg 2019

Und das hört man. Der 49-Jährige zählt heute zu den angesehensten Jazzgitarristen - im Brazil-Jazz, wie er seine Nische nennt, sowieso. Sein aktuelles Sambop-Projekt, das die Synthese aus Samba und jazzigem Bop schon im Namen trägt, bringt diese Mischung auf den Punkt. Zu der Zusammenarbeit mit Lula Galvão kommt es 2018 durch die befreundete Sängerin Ulla Haesen: Während sie mit dem brasilianischen Akustikgitarristen im Studio ist, kommt ihr die Idee für die Kooperation. Sie ist überzeugt, dass beide Musiker gut zueinander passen. Morello hält den Vorschlag erst für eine Schnapsidee - schließlich zählt Galvão zu seinen Idolen, ist einer seiner Lieblingsgitarristen aus Rio. Doch als Morello sich überwindet und anfragt, stimmt Galvão gleich zu. Und Material ist auch schon reichlich vorhanden: "Ich komponiere gerne und viel, es liegt immer etwas herum. Zusätzlich habe ich aber auch Neues für das Projekt komponiert", sagt Morello. Unterstützt werden die beiden Gitarristen von Morellos "Hausrhythmusgruppe", dem Bassisten Dudu Penz und dem Drummer Mauro Martins, mit denen der Regensburger schon seit 15 Jahren zusammen spielt. Im Studio geht es dann ganz schnell: Zwei Tage brauchen sie, um das Album aufzunehmen. "Seine Akustikgitarre und meine Jazzgitarre passen super zueinander, wir haben auf Anhieb harmoniert", schwärmt Morello.

Die zwei Musiker bilden dabei eine Symbiose: Morello kommt ursprünglich aus dem Jazz, Galvão ist in der brasilianischen Musik zu Hause, doch beide eint ihre Liebe zur musikalischen Herkunft des jeweils anderen: "Wir nähern uns von unterschiedlichen Seiten und ergänzen uns dadurch perfekt." Das sieht auch der eingangs erwähnte Randy Brecker so - eine der zahlreichen Jazzlegenden, mit denen Morello immer wieder auf der Bühne steht.

Beim Doppelkonzert in Ebersberg wird Trompeter Brecker für drei Stücke zum Brazilian Quartet dazustoßen, später tritt der Virtuose als Teil der Allstarbesetzung des Brecker Liebman Copland 5tet auf. Weil Morello und Brecker bisher aber eher im Bereich Jazz/Fusion zusammengespielt haben, zeigt sich der Amerikaner überrascht vom Sambop-Sound: "I didn't realize he has a Brazilian heart!" Dass Morello ein brasilianisches Herz hat, daran wird nach diesem Abend wohl niemand mehr zweifeln.

Doppelkonzert: Paulo Morellos "Brazil Quartet" und das "Brecker Liebman Copland 5tet" am Samstag, 19. Oktober, im Ebersberger Alten Speicher. Einlass: 18.30 Uhr, Beginn: 19 Uhr. An diesem Freitag, 18. Oktober, spielt Morello mit dem "Landes-Jazzorchester" bei EBE-Jazz. Tickets gibt es online.

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