Abfallwirtschaft im Landkreis:Herrscht bald Stillstand am Altkleidercontainer?

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„Der Markt ist gesättigt“: Die Altkleidercontainer an der Eberhardstraße in Ebersberg quellen bereits über. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Seit 1. Januar dürfen Textilien nicht mehr im Restmüll entsorgt werden. Doch was bedeutet es für die Altkleidersammelstellen im Landkreis, wenn immer öfter Unbrauchbares im Container landet? Und was raten die Experten?

Von Helen Knaupp, Ebersberg

Verschlissene und unbrauchbare Kleidungsstücke landeten bis vor Kurzem einfach in der Mülltonne. Seit Anfang Januar allerdings sollen auch sie im Altkleidercontainer entsorgt werden, das besagt eine Änderung der Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union. Ziel ist es, Textilien besser zu recyceln und wiederverwerten zu können. BRK und Diakonia im Landkreis sind darüber nicht glücklich: Denn schon jetzt wird die Kleidersammlung immer mehr zum Draufzahlgeschäft, wie Manfred Barth, Geschäftsführer des BRK-Kreisverbands Ebersberg, erläutert. „Wir befürchten, dass wir aufgrund der neuen EU-Verordnung mehr verschmutzte und beschädigte Kleidung in unseren Containern finden werden. Für deren Entsorgung müssen wir dann zahlen.“ „Für uns als gemeinnütziges Unternehmen ein echtes Problem“, sagt auch Judith Egelhof, Sprecherin der Diakonie München und Oberbayern.

BRK und Diakonia spielen durchaus eine wichtige Rolle bei der Altkleiderverwertung: 129 Altkleidercontainer des BRK stehen an 89 Standorten im Landkreis Ebersberg, die Diakonia kommt auf etwa 100 Sammelstellen. Bayernweit unterhalte das BRK rund 4200 Container, in denen pro Jahr rund 14 700 Tonnen Altkleider landeten, teilt Sprecher Sohrab Taheri-Sohi mit. Zudem betreibt das BRK Kleiderkammern und Secondhandläden. Auch die Diakonia GmbH, Sozial­unternehmen der Diakonie München und Ober­bayern und des Evangelisch-Lutherischen Dekanats­bezirks München, nimmt als sozialer Beschäftigungs- und Inklusionsbetrieb Kleider- und Sachspenden an. Neben Annahmestellen und mobilen Kleiderkammern für Bedürftige in München werden auch im M7, dem Secondhandladen der Diakonia in Ebersberg, Kleiderspenden weiterverkauft.

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Entlastet beim einen den Schrank, beim anderen den Geldbeutel: Secondhandläden wie das Ebersberger "M7", betrieben von der Diakonia GmbH, bieten Qualitätsware zu sozial verträglichen Preisen.

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Schon in der Vergangenheit habe sich in den Containern immer wieder verdreckte und kaputte Kleidung befunden, wie die Fachleute berichten. Inwieweit dieses Problem seit Jahresbeginn zugenommen hat, können die Betreiber bislang nicht abschätzen. Noch sei die Sortierung der Kleidungsspenden seit Jahreswechsel nicht abgeschlossen, wie die Diakonia erläutert, dem BRK fehlen zudem entsprechende Rückmeldungen der Unternehmen, mit denen man bei der Entsorgung zusammenarbeitet.

Doch die beiden Organisationen versuchen freilich bereits jetzt, durch gezielte Informationen gegenzusteuern, sprich: zu vermeiden, dass zu viele unbrauchbare Sachen in den Containern landen. Dafür informieren sie umfassend auf ihren Webseiten, was in die Kleidercontainer gehört und was nicht.

Für gemeinnützige Organisationen entwickelt sich die Sammlung zum Draufzahlgschäft

Denn die Entsorgung bringe schon jetzt kaum mehr Geld, vielmehr werde sie zum Draufzahlgeschäft, wie die Vertreter von BRK und Diakonia erläutern. Die Branche stehe unter Druck: Fast Fashion lasse die Altkleiderberge immer schneller immer höher wachsen, außerdem erhöht die sinkende Qualität dieser Spenden laut Egelhof den Aufwand, gut erhaltene und hochwertige Ware herauszufiltern und anbieten zu können. Die zentrale Sortierungsstelle in München, in der auch die Kleider aus dem Landkreis Ebersberg landen, sei bereits jetzt voll ausgelastet. Spenden, welche die Diakonia nicht selbst verwenden kann, werden an Partnerorganisationen weitergeleitet, doch man stelle eine „gewisse Marktsättigung und eine begrenzte Nachfrage nach recycelten Materialien“ fest.

Ähnlich geht es dem BRK – was laut Manfred Barth verschiedene Auswirkungen hat: Wenn der Erlös des Altkleidergeschäfts „gegen null“ gehe, wie es derzeit der Fall sei, bleibe nicht nur wenig Geld, um die Altkleidersammlung – also die Abholung und Sortierung – weiter zu finanzieren. Auch Überschüsse, die man bisher in Ehrenämter und die Jugendarbeit des BRK im Landkreis investiert habe, blieben dann aus.

Ein Hoffnungsschimmer: Der Gesetzgeber will die Hersteller in die Verantwortung nehmen

Dennoch wolle man vorerst weitermachen, auch wenn es sich nicht lohne, sagt Barth. Zukünftig müsse man aber nach einer Lösung suchen. Das Problem sei nicht durch die Gesetzesänderung der EU verursacht worden, könne sich dadurch aber verschärfen, erklärt Taheri-Sohi: „Im schlimmsten Fall ist mit einem vollständigen Stillstand der Altkleidersammlung zu rechnen.“ Auch Egelhof zeigt sich besorgt, welchen Einfluss die EU-Richtlinie auf das Projekt der Diakonia hat: „Die Erlöse im gemeinnützigen Secondhand-Geschäft stehen bereits enorm unter Druck.“

Ein Lichtblick für die gemeinnützigen Organisationen ist die erweiterte Herstellerverantwortung (EPR), die die Europäische Kommission 2023 vorgeschlagen hat. Würde sie eingeführt, müssten Textilhersteller mehr Verantwortung für den ganzen Lebenszyklus ihrer Waren übernehmen und die Sammlung, Sortierung und Wiederverwendung der Kleider mitfinanzieren. Auch soll die Entwicklung neuer Recyclingverfahren gefördert werden. Das könnte BRK und Diakonia helfen – zumindest, wenn diese als gemeinnützige Sammler in der neuen Kreislaufwirtschaft berücksichtigt würden, so Taheri-Sohi. Doch noch ist unklar, ob und wann mit der Einführung der EPR zu rechnen ist.

Einfache Faustregel: Würde man die Textilien auch einem Freund schenken?

Bis dahin empfehlen die Experten aus dem Landkreis, verschmutzte und kaputte Kleidung nach wie vor im Restmüll zu entsorgen, um die Sammelstellen nicht zu belasten. „Als Faustregel gilt: Eine Kleiderspende ist nur dann sinnvoll, wenn man die Textilien auch einem Freund oder einer Freundin geben würde, der sie dann gern weiternutzt“, sagt Thomas Rosenberger, Geschäftsführer der Diakonia.

BRK-Sprecher Taheri-Sohi erklärt, warum solch ein Vorgehen auch der neuen Richtlinie nicht widerspricht: „Im Gegensatz zu anderen EU-Ländern erreicht Deutschland durch die bisher bestehende Altkleidersammlung bereits eine Erfassungsquote von über 60 Prozent. Dadurch ist das eigentliche Ziel der EU, dass Textilien seltener im Restmüll landen, sondern weiterverwendet oder recycelt werden, hierzulande bereits erfüllt.“

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