Altes Kino:Papiere, immer Papiere

IKO Integrationstheater altes kino ebe

Deutsche Pünktlichkeit, deutsche Grammatik: eine Szene aus dem Stück demonstriert die Erschöpfung.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Unser syrischer Autor schreibt über das Integrationstheater

Von Mohamad Alkhalaf, Ebersberg

Zwei Frauen aus Deutschland und ein gutes Dutzend Männer aus Mali, Sierra Leone, Eritrea, Libyen, Somalia, Afghanistan und Syrien stehen zurzeit gemeinsam auf der Bühne des Alten Kinos und spielen Theater, das offenbar viele Menschen berührt. Der syrische Journalist Mohamad Alkhalaf hat sich die Vorstellung angeschaut und seine Eindrücke notiert:

Die alltäglichen Probleme geflüchteter Menschen werden in dem Stück durch Schauspiel, Tanz, Akrobatik und Gesang dargestellt. Problem Nummer eins für alle ist die Pünktlichkeit. Die erste Frage der Lehrerin lautet immer: "Warum kommst du zu spät?" Die Antwort eines Schülers: "Mein Esel, der Wecker, steht noch in Libyen, das ist so weit weg, dass ich ihn nicht hören konnte." Ein anderer erklärt, sein Hahn, der ihn stets wecke, sei gestorben.

Ein weiteres Problem: der richtige Gebrauch der Artikel. Die Schüler hören der Lehrerin zu, und es klingt in ihren Ohren wie Kauderwelsch aus dem Radio. Eine andere Hürde ist die deutsche Grammatik, sind Betonungen von Worten wie "Liebe" oder "Leben". Beide klingen irgendwie gleich, haben aber eine unterschiedliche Bedeutung. Und doch kann man nicht leben ohne die Liebe, und das Leben ist traurig ohne Liebe. Die Lehrerin Marrij Krill sagt: "Ich verstehe ja, dass die Schüler viele Probleme haben, aber es ist wichtig, dass sie offen sind, viel sprechen und meine Aufgabe ist es, die Schüler zu korrigieren, damit sie lernen." Die Darsteller erzählen auch von ihren Erfahrungen mit der Bürokratie. Egal, was sie in die Wege leiten wollen, immerzu brauchen sie Papiere, deren Deutsch für sie unverständlich ist.

Auch Wünsche kommen zur Sprache. Mohamed Haedar etwa sagt, er habe den großen Wunsch, dass der Krieg in Syrien endlich ein Ende finde und der letzte Schuss falle, damit seine Heimat endlich zur Ruhe komme, selbst wenn er diesen Schuss auf seinen eigenen Körper abgeben müsse. Als er das sagt, sind viele der Zuschauer sehr traurig und so mancher hat Tränen in den Augen.

Auch die verschiedenen Essgewohnheiten bringen Probleme mit sich. Der Lehrer meint, "ihr könnt doch auch die deutsche Küche genießen." Kommentar der Schüler: "Ja, wir lieben Kartoffeln."

Am Ende des Stückes wird ein Lied gesungen, welches von einer Frau aus Uganda geschrieben wurde. Der Text besagt, dass es für alles eine Zeit gibt und einen Grund: eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lächeln, eine Zeit zum Säen und eine zum Ernten, eine Zeit für Frieden, aber nicht für Krieg. . . " Die Schauspieler verstehen genau was die Komponistin meint. Sie haben es alle selber erlebt. Der Zuschauer Majid Alhfar, ein syrischer Flüchtling, zum Beispiel sagt, dass dieses Stück zu hundert Prozent mit seinen Erfahrungen übereinstimmt, dass die Probleme aber schnell gelöst werden könnten, weil es sehr viel Hilfe von deutschen Mitbürgern gebe. Dorothea Anzinger, die die Theatergruppe leitet, hofft jedenfalls, dass die Gruppe bestehen bleibt. Sie freue sich, wenn neue Gesichter dazukommen. Und vielleicht auch ein neues Stück.

Die erste Zusatzvorstellung an diesem Dienstag, 23. Mai, im Alten Kino ist ausverkauft. Die 2. findet am Dienstag, 30. Mai, statt. Karten gibt es im Internet unter www.kultur-in-ebersberg.de, telefonisch unter (08092) 255 92 05 oder in der Vorverkaufsstelle im Foyer des Alten Speichers. Die Veranstaltung beginnt um 20.30 Uhr, Haus und Küche öffnen um 19.30 Uhr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: