Aktuelle Statistik:Religiöser Rückgang

Aktuelle Statistik: Nach Einschätzung des Kreisdekans ist persönliche Enttäuschung der Hauptgrund für einen Austritt.

Nach Einschätzung des Kreisdekans ist persönliche Enttäuschung der Hauptgrund für einen Austritt.

(Foto: Claus Schunk)

Die Zahl der Austritte aus der katholischen Kirche stagniert im Landkreis auf hohem Niveau

Von Amelie Hörger, Ebersberg

"Persönliche Enttäuschungen" nennt Josef Riedl, Ebersberger Pfarrer und Kreisdekan, als Hauptgrund, wenn er gefragt wird, warum Katholiken aus der Kirche austreten. Doch ganz sicher ist er sich im Grunde nicht. "Richtige Stoßzeiten" für einen Abschied gebe es nicht, sagt er, schon seit Jahren müssen Pfarrgemeinden in ganz Deutschland um ihre Mitglieder bangen, so auch im Landkreis Ebersberg.

Zwischen 2012 und 2014 stieg die Zahl der Austritte in den Ebersberger Kommunen auf ein Rekordniveau an. Allein 2014 kehrten 770 Bürgerinnen und Bürger der Kirche den Rücken zu. Bereits damals sagte der Dekan, über die Gründe für einen Austritt könne man nur spekulieren. Eine gute Neuigkeit für Riedl: Die Zahl der Kirchenaustritte ist nicht weiter gestiegen. Die schlechte: Stark gesunken ist sie jedoch ebenfalls nicht. Zwischen den Jahren 2015 und 2017 hat sich die Zahl bei einem Durchschnittswert von zirka 650 verlorenen Schafen jährlich eingependelt. So trennten sich im vergangenen Jahr 643 Menschen im Landkreis von der katholischen Kirche.

Eines der Hauptprobleme, so Riedl sei dabei die Anonymität, denn man müsse sich bei einen Kirchenaustritt nicht bei seinem örtlichen Pfarrer, sondern beim Standesamt abmelden. "Ich bekomme dann nur noch die Formalie gemeldet", sagt er müde. Im Anschluss an die Ankündigung verschickt der Pfarrer, wie es Standard in anderen katholischen Pfarrgemeinden ist, einen Brief an den künftig Abtrünnigen. Ein Musterbeispiel stellt die Deutsche Bischofskonferenz auf ihrer Website zur Verfügung. Hier muss nach der Grußformel "Sehr geehrter" nur noch der betreffende Name eingesetzt und die Unterschrift des Pfarrers eingefügt werden. Abschied leicht gemacht. Neben Ermahnungen, welche Leistungen einem ohne katholische Kirche entgehen werden, wird in dem Brief zu einem persönlichen Gespräch geladen.

Josef Riedl sieht das jedoch skeptisch, auf diesen Brief habe er schließlich bis jetzt wenig bis gar keine Rückmeldungen erhalten. Wenn doch einmal jemand zu einem Gespräch erscheint, dann spricht er mit den Menschen über "die Gründe für den Austritt, falls sie diese mitteilen wollen". Neben persönlichen Enttäuschungen seien auch großkirchliche Ereignisse wie die Missbrauchsskandale der vergangenen Jahre oftmals ein Auslöser. "Auch die Kirchensteuer höre ich immer wieder als Grund", so der Pfarrer. Entgegen allgemeiner Vermutungen blieben eher die jüngeren Leute der Kirche erhalten, so Riedl. Bei den älteren Bürgern "schlummert lange etwas und irgendwann bricht es dann heraus" und es komme zum Austritt.

Grund zur Ernüchterung gibt auch die Statistik bezüglich der Eintritte. Vier, fünf und im vergangenen Jahr nur sechs neue Mitglieder konnte die katholische Kirche im Landkreis für sich gewinnen. In die Glaubensgemeinschaft wiedereingetreten sind in den vergangenen drei Jahren 73 Menschen, meist "lebensgeschichtlich bedingt", so Riedl, zum Beispiel angesichts einer Heirat oder weil sie durch einen schweren Schicksalsschlag erneut den Zugang zu Gott gefunden haben.

69 732 Katholiken gibt es laut aktueller Zahlen im Landkreis, nur ein Bruchteil davon, etwa zehn Prozent, nimmt regelmäßig an einem Gottesdienst teil. Damit liegt der Landkreis dennoch knapp über dem Durchschnitt des Erzbistums München und Freising. Zahlen zur Trauung (2017: 139), Taufen (614), Erstkommunion (708) und Firmung (602) nehmen parallel zur Anzahl der Katholiken allerdings ebenfalls leicht ab.

Direkt während eines Gesprächs habe er noch niemanden zurück zur Kirche führen können, gesteht Riedl. Am wichtigsten sei ihm jedoch ohnehin die Rückmeldung der ehemaligen Kirchgänger. Was bewegt seine Gemeinde und warum kann die Kirche sie nicht mehr ansprechen? Fragen, denen er sich stellen müsse, vorausgesetzt es kommt überhaupt zu einem Gespräch zwischen den Parteien.

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