Aiblinger Anger:Dimensionen nicht erkannt

Susanne Linhart schlägt nach Ärger um "Wolfsschlucht" weiteres Grafinger Einheimischenbauland vor.

Von Thorsten Rienth

Aiblinger Anger: Für Reiche gemacht: Die hohen Preise für das Einheimischenbauland in der "Wolfsschlucht" haben viele Grafinger verärgert. Foto: Peter Hinz-Rosin

Für Reiche gemacht: Die hohen Preise für das Einheimischenbauland in der "Wolfsschlucht" haben viele Grafinger verärgert. Foto: Peter Hinz-Rosin

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

700 000 Euro selbst für die günstigste Doppelhaushälfte in der Grafinger "Wolfsschlucht" - so hat sich das plötzlich niemand vorgestellt. "Da sind Fehler gemacht worden, auch von uns Stadträten", räumte Grafings Zweite Bürgermeisterin Susanne Linhart (CSU) nun selbstkritisch ein. Im Gespräch mit der SZ hat die Kandidatin um die Nachfolge von Bürgermeister Rudolf Heiler deshalb jetzt einen unkonventionellen Vorschlag gemacht: ein weiteres Grafinger Einheimischenbauland - und zwar eines, das dem Namen auch gerecht wird. Zwar hätten viele Stadträte aufgrund von Lage, Grundstücksgröße, dem Vertragsmodell mit einem Bauträger und dem gerade erst wieder gestiegenen Bodenrichtwert in der "Wolfsschlucht" tendenziell teurere Häuser geschlussfolgert, sagte Linhart. Und im Nachhinein sei allen klar, dass man auf diesen Zusammenhang deutlicher hätte aufmerksam machen müssen. Enttäuschung und Wut der Betroffenen wären dann jetzt sicher nicht so groß. "Aber ich muss ehrlich eingestehen, dass auch ich diese Dimensionen bei den Entscheidungen nicht erkannt habe." Denn genau jenes Klientel, auf das die Stadt eigentlich abgezielt habe, sei dadurch nicht erreicht worden.

Ihr Vorschlag für eine abermalige Vergabe von verbilligten Grundstücken für Einheimische zielt auf den Aiblinger Anger ab, das Gebiet südlich und westlich des Aldi-Marktes. Seit eineinhalb Jahren laufen im Rathaus die Vorbereitungen für eine Änderung des Flächennutzungsplans. Das 1,6 Hektar große Areal zwischen Glonner Straße und Aiblinger Straße soll Bauland werden. Von vorne müssten die Planungen daher nicht anfangen, das spart Zeit. Wenn das der neue Stadtrat und Bürgermeister gleich vorantreiben, könnten wir Ende des Jahres Klarheit darüber haben, wie dieses Areal dann als Einheimischenbauland aussehen könnte, habe man ihr im Bauamt erklärt. Dies gebe denjenigen, die in der "Wolfsschlucht" nicht zum Zug kamen, eine Perspektive - "und wir können die Gelegenheit nutzen, aus den Fehlern von früher zu lernen."

Davon gab es in der Vergangenheit tatsächlich einige. Beim letzten Abschnitt des Einheimischenbaulands am Franziska-Zellner-Weg waren die Grundstücke eher klein. Bis zum Vorletzten auf der Bewerberliste musste die Stadt zurückgehen, um sie alle zu verkaufen. Bei der "Wolfsschlucht" sollte dieses Risiko verhindert werden. Die Stadtratsmehrheit verließ sich auf die Empfehlung des Städteplaners Klaus Immich, der für das Areal besonders große Grundstücke vorschlug. Der zweite wesentliche Grund für die hohen Preise ist inzwischen hinlänglich bekannt: Die "Wolfsschlucht" wird exklusiv von einem Bauträger bebaut. Selbst wenn Einheimische den Zuschlag erhalten, können sie sich keinen Architekten suchen und ein Haus nach ihren Wünschen bauen. Das Haus muss im Katalog des Bauträgers stehen. Der wiederum errichtet und baut die Häuser nicht zum Vergnügen, sondern möchte Geld verdienen. Um auf seine Marge zu kommen, müsse er pro Quadratmeter Wohnfläche zwischen 800 und 1 000 Euro zusätzlich veranschlagen, heißt es aus der Branche.

Ob bei dem möglichen neuen Einheimischenbauland wieder das umstrittene Vertragsmodell mit einem Bauträger oder wie früher das Zwischenerwerbsmodell, bei dem die Stadt das Gelände erwirbt und an Einheimische verbilligt weiterverkauft, angewandt werden soll, ließ Linhart offen. Das Vertragsmodell habe sicherlich weiter Charme, sagte sie. Andererseits seien Zinsen niedrig wie selten und auch die EU-rechtlichen Zweifel am Zwischenerwerbsmodell inzwischen ausgeräumt. "Das müssen wir dann einfach im Stadtrat offen diskutieren." Nach der Kommunalwahl sei dafür ein guter Zeitpunkt.

Komplettpakete nach dem "Wolfsschlucht"-Vorbild schloss die Stadträtin allerdings aus. Das sei, so wisse man jetzt, schlicht nicht praktikabel. "Ich glaube, wir sind uns inzwischen alle einig, dass die Leute zum Beispiel auch lediglich das Grundstück oder das Grundstück mit einem Rohbau kaufen können sollen." Gestaltungsmöglichkeiten habe der Stadtrat auch bei den Grundstücksgrößen, einem möglicherweise höheren Preisabschlag für Einheimische oder etwa einer Preisobergrenze.

Grundlage der neuen Debatte muss Linharts Ansicht zufolge eine Bedarfserhebung sein. Das könnte beispielsweise mit jenen Grafingern geschehen, die bei der "Wolfsschlucht" nicht zum Zuge gekommen waren. "Wenn wir die zum Beispiel fragen, wie groß sie die Grundstücke gerne hätten, ob sie auch mit einem Drei- oder Vierspänner einverstanden wären und welchen Preis sie sich maximal vorstellen, hätten wir eine gute Diskussionsgrundlage."

An diesem Donnerstag, 30. Januar, berichtet die Sendung "Quer" um 20.15 Uhr im Bayerischen Fernsehen zum Thema "Kein Haus in der Heimat: Münchner verdrängen Einheimische" von der Grafinger "Wolfsschlucht".

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