Süddeutsche Zeitung

Kreistag:AfD Ebersberg: Schulterschluss mit Manfred Schmidt

Vor der Wahl hatte die AfD eine Zusammenarbeit mit dem Vaterstettener abgelehnt, dem unlautere Kandidatenanwerbung vorgeworfen wird. Nun ist er Fraktionsvorsitzender im Kreistag.

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Der damalige kommissarische Kreisvorsitzende Wolfgang Wiehle hatte deutliche Worte gewählt im Februar dieses Jahres: Die AfD distanziere sich vollumfänglich von Manfred Schmidt, hieß es in der damaligen Pressemitteilung. Falls er dennoch am 15. März ein Mandat erringen sollte, werde es keine Zusammenarbeit mit ihm geben und er "würde auf keinen Fall in eine AfD-Fraktion aufgenommen". Davon kann nun keine Rede mehr sein: Schmidt ist jetzt sogar Vorsitzender der drei Mitglieder starken Fraktion im Kreistag.

Die Distanzierung der AfD von ihrem langjährigen Vaterstettener Gemeinderat und Kreistagskandidat war erfolgt, nachdem viele Vaterstettener gravierende Vorwürfe gegen Schmidt erhoben hatten: Er habe sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen auf die Kandidatenlisten der AfD zur Kommunalwahl gebracht, sagten mehrere, die ihren Namen zur eigenen Verwunderung auf diesen Listen fanden.

Sie berichteten, es sei für sie nicht erkennbar gewesen, dass sie mit ihrer Unterschrift ihre eigene Kandidatur bestätigten. Unter anderem soll Schmidt die Unterschriften auf den Ausflügen seiner Sozialstiftung gesammelt haben, auch ein alzheimerkranker Mann war unter den Kandidaten zu finden. Schmidt selbst bestritt die Anschuldigungen, es sei stets klar erkennbar gewesen, wofür die Unterschriften geleistet worden seien, sagte er.

In seiner Heimatgemeinde Vaterstetten schlug die Causa Schmidt hohe Wellen. CSU, SPD, Grüne, FDP und Freie Wähler im Gemeinderat forderten in einem gemeinsamen Antrag den Rücktritt Schmidts; zu einer von den Grünen organisierten Demonstration kamen an die 100 Menschen. Etwa in diese Zeit fiel auch die Pressemitteilung von Wolfgang Wiehle, der für die AfD im Bundestag sitzt und damals kommissarisch den Vorsitz des Ebersberger Kreisverbands übernommen hatte.

Schmidt habe bei der Anwerbung von Listenkandidaten für den Gemeinderat Vaterstetten und den Kreistag Ebersberg "offenkundig auch unlautere Überrumpelungs-Methoden angewendet, wofür wir uns bei den Betroffenen ausdrücklich entschuldigen", betonte Wiehle in der Pressemitteilung. Es dürfe keine Anwerbung von Kandidaten geben, die sich nicht über den genauen Zweck und die Folgen ihrer Unterschrift im Klaren seien. Schmidt habe leider die Vorwürfe "nicht nachvollziehbar, glaubwürdig und vollständig entkräften können", so Wiehle in der Pressemitteilung weiter. Im Sommer hatte die AfD außerdem ein Parteiausschlussverfahren gegen Schmidt eingeleitet, das Verfahren liegt nun beim Bundesschiedsgericht, eine Entscheidung ist noch nicht gefallen.

Nach der Wahl hatte es zunächst so ausgesehen, als stelle sich die Frage nach einer Zusammenarbeit mit Schmidt gar nicht unbedingt. Er war zwar in den Kreistag gewählt worden, Fraktionsstatus hatte die AfD aber erst einmal nicht. Denn die Wahlaufsicht im Landratsamt hatte der AfD zunächst ihr drittes Mandat aberkannt, weil einer der Bewerber auf der Liste ihrer Einschätzung nach gar nicht hätte antreten dürfen. Diese Entscheidung hat die Regierung von Oberbayern aber kurz vor der Sommerpause des Kreistags Ende Juli revidiert. Die AfD ist nun mit drei Sitzen im Kreistag vertreten, hat somit Fraktionsstärke und ist auch in den Ausschüssen vertreten.

Nicht der Fall wäre das, wenn die übrigen AfD-Vertreter - wie von Wiehle im Februar in Aussicht gestellt - die Zusammenarbeit mit Schmidt abgelehnt hätten. Statt dessen ist er nun auch zum Fraktionsvorsitzenden bestimmt worden. Um eine Stellungnahme dazu gebeten, verwies AfD-Kreisrätin Heidi Pelz auf Schmidt selbst. Dieser war am Dienstag für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Wolfgang Wiehle sagte auf Anfrage der SZ, er habe sich das "Stand Februar anders vorgestellt". Die Partei müsse aber der Fraktion selbst das Vorgehen überlassen. Er habe, so Wiehle, mit "einzelnen Leuten gesprochen und ihre Beweggründe verstanden". In der Einordnung, dass es nun so gelaufen sei, sei er "ein bisschen hin- und hergerissen", klar sei aber auch, dass die politische Arbeit funktionieren müsse.

Während die AfD bei einem Verzicht auf eine Zusammenarbeit mit Schmidt nur im Kreistag selbst vertreten gewesen wäre, erhält sie nun einige Sitze in Ausschüssen, die andere Fraktionen dafür abgeben müssen. So erhält die AfD einen Sitz im wichtigen Kreis- und Strategieausschuss auf Kostender Fraktion Freie Wähler/Bayernpartei. Im Umwelt- und Verkehrsausschuss (ULV), im Ausschuss für Soziales, Familie, Bildung, Sport und Kultur (SFB) sowie im Ausschuss für Liegenschaften, Schulbauten und Vergaben (LSV) müssen die Grünen je einen Sitz an die AfD abgeben. Über die konkrete Besetzung der Ausschüsse wird in der nächsten Kreistagssitzung am 26. Oktober entschieden.

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SZ vom 23.09.2020/koei
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