Süddeutsche Zeitung

Bunter Advent:Weihnukka mit Stollen und Klezmer

Sängerin Nirit Sommerfeld holt sich das Beste aus beiden Welten.

Von Michaela Pelz, Ebersberg

Der eine montiert die Deko schon, sobald irgendwo das erste Mal "Last Christmas" erklingt, die andere macht auf den letzten Drücker am 23. noch schnell ein paar Platzerl ... Wir haben für unsere Serie "Bunter Advent" Menschen aus dem Landkreis Ebersberg gefragt, wie sie die Tage ab dem 1. Dezember begehen und was auf keinen Fall fehlen darf.

Wie sich Weihnachten und das jüdische Chanukka-Fest in Zauber und Bedeutung ähneln, zeigt Deutsch-Israelin Nirit Sommerfeld schon seit 2009 in der Konzert-Lesung "Jiddische Weihnacht" zusammen mit dem Orchester Shlomo Geistreich und, im Wechsel, den Erzählern Helmut Becker und Martin Umbach. Eine wichtige Rolle im Programm wie im echten Leben spielt der Stollen von Oma Margarete, Ehefrau des im KZ ermordeten Großvaters Julius. Das Produkt aus Butter, Quark, Nüssen, Rosinen und mehr, das Sommerfeld schon im November in großen Mengen in den Ofen schiebt, um es unter anderem an ihre Musiker zu verschenken, steht quasi als Symbol für alles, was der Kosmopolitin - geboren in Israel, aufgewachsen in Ostafrika und im Landkreis Ebersberg, wohin sie vor 13 Jahren nach zweijähriger Auswandererzeit in Israel zurückkehrte - wichtig ist: Erinnerung an die Familie und Essen als Gemeinschaftserlebnis. Besonders ist aber nicht nur der Geschmack, sondern vor allem die Entstehungsgeschichte des Stollens. In Ermangelung eines Rezepts experimentierte Sommerfelds Mutter Ahuva so lange mit Zutaten und Gewürzen, bis ihr Ehemann Rolf den Geruch aus der Küche seiner Eltern in Chemnitz wiedererkannte. Heute lässt sich der Backvorgang sogar per Video verfolgen, im Zeitraffer auf nirit.de.

Doch so, wie die Schauspielerin, Autorin und Musikerin kulinarische Gleichberechtigung walten lässt, indem sie ihren Lieben sowohl die sächsische Spezialität als auch Köstlichkeiten aus der jüdischen Tradition, wie das in Öl ausgebackene Gebäck aus sehr feinem Hefeteig oder Latkes, also Kartoffelpuffer, serviert, hat sie neben Chanukka auch immer das christliche Weihnachtsfest begangen - mit Geschenken, Geschichten und Liedern wie "Maria durch ein Dornwald ging", das sie ob der Symbolkraft sehr liebt. Denn wie sie schon den beiden Töchtern vermittelte, als diese noch klein waren, sei die Geburt jenes "Revoluzzers, der viele tolle Sachen gesagt und die Liebe allem anderen vorangestellt hat" in jedem Fall feiernswert. Und da es Sommerfeld extrem wichtig ist, gerade jetzt mit Musik und Texten Licht in die Herzen zu bringen, trotzt sie den verschärften Auftrittsbedingungen und spielt am 7. Dezember im Prinzregententheater "Jiddische Weihnacht - Vom Brückenbauen und Weitermachen". Gut möglich, dass dann im extra bearbeiteten Chanukka-Lied "Ssura!" ("Verschwinde!") nicht nur die Dunkelheit gemeint ist ...

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