Für manche geht eine Vorweihnachtszeit ohne „Der kleine Lord“ gar nicht, andere lesen jeden Abend in der „Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens. Die SZ Ebersberg hat für ihre diesjährige Adventsserie Menschen aus dem Landkreis gefragt, auf welche Filme oder Geschichten sie im Dezember nicht verzichten können.
Ulrike Wolz ist quasi die Literaturexpertin des Landkreises. Bereits seit Jahrzehnten schmökert sich die Vaterstettenerin durch Bestsellerlisten und Neuerscheinungen, um dann dem Publikum bei bestens besuchten Lesungen ihre Empfehlungen vorzustellen. Und natürlich hat sie auch gleich eine aktuelle Weihnachtsgeschichte parat, die sie sehr ins Herz geschlossen hat. Nur kurz greift sie ins Bücherregal, schon liegt der gesuchte Band in ihrer Hand: „Plötzlich Bescherung – und andere (un-)weihnachtliche Geschichten“ von Ewald Arenz.

„Dieser Autor ist ja sehr erfolgreich“, sagt Wolz, „aber eigentlich gefällt mir nur eine der Geschichten in diesem 2022 veröffentlichten Sammelband.“ Klar, Kritikerin halt. „Josefs Geschenk“ aber habe sie im vergangenen Jahr bei gleich drei Lesungen zum Besten gegeben – und damit immer großen Anklang gefunden. Worum es da geht? „Um einen der drei heiligen Könige, der kein ordentliches Geschenk dabeihat und deswegen einen Ziegenkäse aus seiner Heimat überreicht – sehr zur Freude Josefs, der schon ziemlich lange nichts mehr gegessen hat.“ Der materielle Wert also ist hier nicht entscheidend. „Dem Herrn ist jedes Geschenk recht, wenn es von Herzen kommt“, interpretiert Wolz die Moral der Geschichte.
Ihr persönlich gefalle diese Erzählung auch deswegen, weil sie das echte, christliche Weihnachtsgeschehen rund um die Krippe mit feinem Humor abbilde. „Storys, die davon handeln, dass der Christbaum plötzlich umfällt, sind nicht so mein Ding“, sagt Wolz. Als Literaturliebhaberin kann sie sich aber freilich auch für andere Spielarten des Motivs erwärmen, erst kürzlich hat die Vaterstettenerin mit einer Lesung „Weihnachten bei den Buddenbrooks“ gefeiert.

Kultur im Landkreis:Ist das das Ende?
Der renommierte Ebersberger Kunstverein zeigt eine „Letzte Ausstellung“ – um auf den Bedeutungsverlust der Kultur und seine gravierenden Folgen aufmerksam zu machen. Über einen sehenswerten Protest.
Der mit dem Literaturnobelpreis geadelte Roman von Thomas Mann warte nämlich mit einem ganz besonders zauberhaften Kapitel auf: Alljährlich am 24. Dezember versammelt sich die große Familie Buddenbrook unter einem riesigen Weihnachtsbaum. Man nascht und singt zusammen, man beschert das Personal und die Gäste. Bevor das opulente Menü serviert wird, dürfen auch alle Buddenbrooks ihre Präsente auspacken. „Vom weihnachtlichen Fieber wird besonders der kleine Hanno erfasst, der zu seinem Entzücken ein richtiges kleines Theater überreicht bekommt“, erzählt Wolz.
Diese etwa 70 Seiten seien also nicht nur stilistisch ein Genuss, sondern auch ein wunderbares Sittengemälde der damaligen Zeit. Und, kleiner Tipp von der Expertin: „Wer den Roman nicht ohnehin schon im Regal stehen hat, der kann sich das Weihnachtskapitel als eigenes Taschenbuch zulegen.“