"Schandfleck", "eine halbe Leiche", "der desaströseste Bahnhof im ganzen Münchner Umland": Wenn es um den Zornedinger Bahnhof geht, überbieten sich Kritiker gerne mit negativen Superlativen. Der Bahnhof ohne Bahnhofsgebäude, Kiosk oder Toilette, dafür aber mit einer regelmäßig ausfallenden Anzeige und einer viel zu steilen Rampe für Rollstuhlfahrer ist ein Dauerthema im Ort - und hat sogar einen eigenen Blog, denn Stoff gibt es genug.
Seit zwölf Jahren gibt es am Zornedinger Bahnhof keine Infrastruktur mehr - nun aber könnte neuer Schwung in das Thema kommen: Denn am Donnerstag, 7. Juni, diskutiert der Gemeinderat über ein neues Bahnhofsgebäude. Eine kleine Sensation nach Jahren, in denen sich viele Zornedinger notgedrungen an ihren "Schandfleck" gewöhnt haben dürften. Die aktuellen Pläne sieht Bürgermeister Piet Mayr (CSU) aber positiv: "Das, was geplant ist, wäre eine absolute Aufwertung", sagte er am Mittwoch. Konkret geht es um einen Reisepavillon mit Versorgungsstation. Zudem wolle die Gemeinde die Möglichkeit nutzen, um endlich eine öffentlich betriebene, barrierefreie Toilette einzubauen. Der letzte Vorstoß für ein Bahnhofs-WC scheiterte vor einem Jahr im Gemeinderat, weil es den Gemeinderäten zu teuer war. Weil die Bahn als Betreiber die Hoheit über die Planungen hat, geht es am Donnerstag vorerst darum, dem Konzern den Planungsauftrag zu erteilen.
Dass es nach dem Abriss des alten Bahnhofsgebäudes im Jahr 2008 nach wie vor keinen Ersatz gibt, hat vor allem einen Grund: Die Bahn stellte ein Spielcasino oder eine Beteiligung der Gemeinde von 20 000 Euro im Jahr an den Betriebskosten zur Bedingung. So mancher sprach damals von Erpressung, das Ergebnis ist bekannt: Der Gemeinderat lehnte das Gebäude samt Spielhalle entschieden ab, die Bahn zog ihr Baugesuch zurück, es wurde still um die Bahnhofsbrache. Hier, wo sich Bahnhofsviertler früher auf ihr Feierabendbier trafen und sich ein gutes Stück Gemeindeleben abspielte, entwickelte sich der Bahnhof über die Jahre zur Posse. Statt einem neuen Gebäude gab es Überflutungen, weil der Treppenzugang nur mit einem provisorischen Bretterverschlag überdacht wurde, der dann über Jahre blieb. Es folgten Proteste und offene Briefe, die einen Bahnsprecher vor vier Jahren schließlich zu dem Statement hinrissen: "So interessant ist Zorneding einfach nicht."
Und nun doch? Der fleißigste Bahnkritiker Zornedings zeigt sich vorab ernüchtert über die Pläne. "Ein Kiosk ist ja schön und gut. Aber solange der Treppenabgang nicht behindertengerecht ist, sind Rollstuhlfahrer ausgeschlossen", sagt Peter Pernsteiner, der auch den Blog betreibt. Statt einem neuen, schönen Bahnhofsgebäude wie in königlichen Zeiten sieht der FDP-Gemeinderat weiterhin Stoff für seinen Blog: "Der schlimme Treppenabgang, die schlechte Beleuchtung, der Müll und das Lärmschutzproblem werden ja bleiben."