Abschlussfeiern an den Realschulen:Wenn die Kinderleins erwachsen sind

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Die Rektoren verabschieden ihre Schüler mit mahnenden Worten und der Bitte, etwas aus ihrem Leben zu machen. In Poing geht der erste Abschlussjahrgang.

Von Carolin Fries, Wieland Bögel und Barbara Mooser, Ebersberg

166 "Kinderleins", wie Rudolf Bäuml, stellvertretender Leiter der Ebersberger Realschule, seine Schüler anzusprechen pflegt, sind groß geworden: Am Freitag haben sie auf der mit Sonnenblumen geschmückten Bühne im Alten Speicher die Abschlusszeugnisse der Mittleren Reife überreicht bekommen und neben Glückwünschen auch mahnende Worte mit auf den Weg.

Während Bäuml sich für ein schlichtes "Kinderleins, macht was draus" entschied, wurde Schulleiter Eberhard Laspe konkret: "Geht wählen." Denn in seinen Augen hat weder die deutsche Regierung mit ihrer Griechenland-Politik noch die Weltpolitik ein Abschlusszeugnis verdient. "Und tragt dazu bei, dass die Welt ohne Atomkraft und -waffen auskommt." Das Ziel der Bildung, so der Schulleiter und Ethiklehrer, sei nicht das Wissen, sondern das Handeln.

Landrat Robert Niedergesäß (CSU) ermunterte die Absolventen, ausgiebig zu feiern und ihre Freude zu teilen. Er berichtete von seiner Abschlussfeier, die zu Hause im heiligen Pool des Vaters fortgesetzt wurde: "Jetzt ist die Zeit, in der man was Besonderes, Einmaliges machen kann." Er rechnete den Schülern vor, dass sie von den netto sechs Schuljahren abzüglich der Ferien und der Wochenenden lediglich 3,1 Jahre die Schulbank gedrückt haben.

Selbstverständlich hatte er wie bei der Verabschiedung der Gymnasiasten im Mai auch ein Gedicht dabei: Dieses Mal "Schule" von Heinz Erhardt, das beschreibt, wie der als dumm verschriene Karl-Heinz Chef wird, obwohl er Stunden brauchte, um die Wurzel aus vier zu finden.

Die Poinger Absolventen lassen Luftballons fliegen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auch wenn man es schon 100 Mal gehört hat: "Happy" von Pharrell Williams macht immer noch fröhlich. Und es war der perfekte Soundtrack für die Verabschiedung des ersten Abschlussjahrgangs der Dominik-Brunner-Realschule in Poing - wann, wenn nicht zu einem solchen Anlass sollte man sonst glücklich sein?

Alle 69 Schüler haben die Prüfungen bestanden. Und Schüler, Lehrer und Eltern haben einen nicht immer einfachen Weg mit Bravour zusammen bewältigt, denn die Anfänge der Realschule waren bescheiden: In ein paar Containerklassenzimmern fand der erste Unterricht statt, bevor ein paar Jahre später das neue, hochmoderne Gebäude bezogen werden konnte.

"Wir waren schon damals ein unschlagbares Team", sagte Schulleiter Matthias Wabner bei der Abschlussfeier. Glück wünschte er den hoffnungsvollen jungen Leuten natürlich auch zum Abschied, allerdings nicht das von der Sorte, das schnell vergänglich ist. Stattdessen warb Wabner dafür, das eigene Leben zu gestalten, die eigenen Entscheidungen zu treffen.

"Ein bewusstes Leben lädt Glück geradezu ein", sagte er: "Glück liegt darin anzuerkennen, was man ist und was man hat. Orientiert euch dazu nicht an Supermodels, strebt keinen Bachelorettes nach, imitiert keine Dschungelkönige und werdet keine zweifelhaften Superstars." Den jungen Leute stünden mit dem Abschluss alle Wege in ein glückliches Leben offen.

In Ebersberg gratuliert Rektor Laspe zum Zeugnis. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Einen Weg zu finden, an dessen Ende ein guter Platz im Leben steht, das wünschte die Leiterin der Vaterstettener Realschule, Anita Ruppelt, ihren Schülern. Sie zitierte Archimedes: "Gebt mir einen Platz, wo ich stehen kann, und ich werde die Erde bewegen."

Auch wenn der griechische Philosoph eigentlich die Hebelgesetze gemeint habe, lasse sich sein Ausspruch auch anders interpretieren: "Wer seinen Platz gefunden hat, kann die Dinge zum Besseren wenden - es muss ja nicht gleich die ganze Welt sein." Die Voraussetzungen dafür hätten die Absolventen, die in den vergangenen Jahren "arbeitsreich, ideenreich und erfolgreich" waren, auf jeden Fall.

Auch Vaterstettens Bürgermeister Georg Reitsberger zeigte sich "zuversichtlich, dass ihr gut ausgerüstet euren Weg ins Leben gehen werdet". Landratsstellvertreter Martin Esterl, "in einem früheren Leben selbst Lehrer", riet den Absolventen, sich selbst treu zu bleiben, "manchmal mag Anpassung erforderlich sein, aber eckt an, wo es nötig ist".

Insgesamt 185 Zehntklässler haben in diesem Jahr an der größten Realschule des Landkreises ihren Abschluss gemacht. Und die Schule wird noch größer, in der Realschule sind bereits die Handwerker zugange. Darum führte der erste Weg die Absolventen und ihre Familien und Lehrer zunächst nach Zorneding in die Turnhalle der Gemeinde.

Die Vaterstettener feiern in Zorneding. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Das ist der Reiz des Neuen und Unbekannten", begrüßte Zornedings Bürgermeister Piet Mayr seine Gäste, "ich denke, ihr seid froh, die Schule hinter euch zu lassen." Nicht jedoch das Lernen, so Mayr, denn das tut man "am besten das ganze Leben lang". Aber erst nach einer ausgiebigen Feier: "Lasst es heute noch richtig krachen, das habt ihr euch verdient."

Auch in der Lena-Christ-Realschule Markt Schwaben wurde am Freitag gefeiert. Hier erhielten 139 Prüflinge in der Turnhalle ihre Abschlusszeugnisse.

© SZ vom 25.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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