"Abenteuertour" in Grafing:Grüne Westen und ein bisschen Provokation

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Eine Tour führt in Grafing zu den Stellen, die für Fahrradfahrer besonders gefährlich sind. Weil die Teilnehmer mit Farbe auf die Risiken aufmerksam machen, verabschiedet sich aber letztlich einer der Organisatoren

Von Valentin Tischer, Grafing

Paris hat die Gelbwesten und Grafing die Grünwesten - zumindest für zwei Stunden und deutlich weniger gewaltbereit. Der Ortsverband der Grünen hat am Wochenende zu einer Abenteuerradtour durch die Stadt aufgerufen, um zusammen mit Radfahrern die gefährlichsten Stellen in der Stadt und rundherum abzufahren. Etwa 20 Teilnehmer haben sich am Hans-Eham-Platz versammelt und bekommen von Ottilie Eberl, Vorstandsmitglied der Grafinger Grünen, jeder eine grüne Warnweste geschenkt. Die dient nicht nur der besseren Sichtbarkeit, sondern soll auch die Teilnehmer zu fahrenden Wahlkampfhelfern machen. Dem Radfahrtross helfen die Westen ungemein: Gerade dann, wenn die Gruppe links abbiegen muss, halten immer wieder Autofahrer an und winken sie vorbei.

Geplant und organisiert hat die Tour Reinhard Riederer. Der ehemalige Fahrradhändler aus Grafing führt die Gruppe an die verschiedenen gefährlichen Stellen. Vor allem die Gefahren- und Rechtslage mit anderen Radfahrern zu diskutieren, sei sein Ziel, erklärt er. An zehn verschiedenen Punkten halten die Radler an. Die erste Gefahrenstelle befindet sich an der Aiblinger Straße. An der Straße zum Neubaugebiet an der Dobelklause fehlt eine sichere Querungsmöglichkeit für Radfahrer. "Mit Kindern ist diese Stelle unmöglich", sagt eine Teilnehmerin. "Da muss mindestens eine Verkehrsinsel hin oder eine Drückampel", sagt Eberl. Die Radlergruppe diskutiert die Probleme an Ort und Stelle. Genau das sei auch der Sinn und Zweck der Tour, sagt Riederer.

Mit grünen Warnwesten ausgerüstet begeben sich die Radler auf eine Tour durch Grafing. (Foto: Christian Endt)

Er hat eine Schablone mitgebracht, die ein Fahrrad zeigt. Mit ihr und grüner und weißer Farbe sprüht er an den Gefahrenstellen eine Warnung für Autofahrer auf die Straße. Ein kleiner Streit bricht aus, weil einige der Grünwesten noch Striche, die man auch als Überweg interpretieren könnte, auf die Straße malen. "Das ist jetzt grenzwertig", sagt Wolfgang Huber, auch ein Vorstandsmitglied der Grafinger Grünen. Andere halten entgegen, dass schon lange nichts beim Ausbau der Radwege passiert sei und eine solche Provokation nötig sei.

Beim Halt an der zweiten Stelle, am Fahrradweg Richtung Haidling, kommt es zum Disput. Eine Mitfahrerin hat wieder auf die Straße gesprüht. Huber reicht das, er trennt sich von der Gruppe. Auf seine Einwände, dass das Sprühen Sachbeschädigung und gefährlich sei, bekommt er als Antwort: "Na dann bekomme ich halt die Anzeige." Ohne Huber geht es dann für die Radler über die Rotter Straße weiter nach Gsprait und Wiesham und schließlich zurück nach Grafing.

Besonders gefährliche Stellen markieren die Radler auf dem Asphalt mit Hilfe einer Schablone und Sprühfarbe. (Foto: Christian Endt)

An vielen Stellen fehlen sichere Übergänge für die Radfahrer, etwa am Kreisverkehr an der Rotter Straße. "Egal, was der Radfahrer macht, es ist falsch. Und wenn er zusammengefahren wird, dann ist er auch noch selber schuld", kommentiert Riederer. Auch fehlten an vielen Stellen gute Radwege. In Gsprait endet der Schotterradweg an einer zu engen Unterführung der B304. Zudem befindet sich am Ende des Radweges ein abgesenkter Gullydeckel, der wie ein Loch in Straße wirkt. "Diese Stelle ist richtig grausam", sagt eine Teilnehmerin.

In Wiesham gerät die Gruppe wieder in eine hitzigere Diskussion. Riederer schlägt vor, den Bach durch den Ort mit einem Deckel zu versehen, um dort Platz für einen sicheren Radweg zu schaffen. Mehrere Mitfahrer begegnen dieser Position mit Unverständnis. "Man kann doch nicht den ganzen Bach sterben lassen", sagt eine Frau, die sich als Biologin zu erkennen gibt.

Nach etwa zehn Kilometern Radtour durch Grafing und das Umland hält der Fahrradtross ein letztes Mal in Grafing an der Kreuzung Bahnhofstraße und Jahnstraße. Durch verblichene Haltelinien und unübersichtliche Straßenführung sei an dieser Stelle nicht erkennbar, wie sich der Radfahrer richtig verhält, sagt Riederer: "Keiner weiß, was hier zu tun ist." Wenn sich der Radfahrer zu weit in die Kreuzung stellt, blockiert er die Haltebucht des Linienbusses, wenn er zu weit hinten steht sieht er nicht richtig, erklärt Riederer.

Schon während der Tour haben sich einzelne Radler verabschiedet. Die bis zum Schluss dabeigebliebenen verabreden sich alle noch, einzukehren und weiter zu diskutieren. Die Frage, wohin die Einkehr gehen sollte, sei wohl vielen die wichtigste gewesen, sagt Riederer ironisch. Zum offiziellen Ende der Tour, finden sich noch drei Radler, die zusammen einen Jodelgesang anstimmen und einen Schlusspunkt setzen.

© SZ vom 02.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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