Süddeutsche Zeitung

Ebersberg:Munterer Indie-Rock vor öder Kulisse

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Die Wiener Band "123 Cheers and a tiger" hätte weit mehr als nur rund 30 Zuhörer verdient. Der Veranstalter resigniert: "Kultur funktioniert in Ebersberg eben nicht."

Stephen Virchow

Ob ein Konzert gut oder schlecht war, kann gut am nächsten Morgen beurteilt werden. Wenn beim Aufwachen Songs vom vorherigen Abend noch im Kopf schwirren und es den gesamten Körper nach Kaffee dürstet, dann kann das Konzert so schlecht nicht gewesen sein.

Die Wiener Band 123 Cheers and a tiger erreichte Samstagabend mit ihrem Auftritt in der Ebersbergs "Erster Etage" beides. Nach Eigenaussage spielt die fünfköpfige Band "dreckigen Indie-Rock". Das Dreckige bezieht sich aber auf die bisherige Aufnahmequalität ihrer Songs, die in Eigenregie im Proberaum aufgenommen worden sind. Live ist von "dreckig" aber nichts zu merken. Klare Gitarrenriffs ziehen sich durch die gespielten Songs. Besonders "Hommage" im ersten Teil überzeugt vollständig und ist einer der Songs, die am nächsten Morgen eben keineswegs vergessen ist.

Die Österreicher beginnen ihren Auftritt fast schüchtern. Nach ein paar Liedern legt die Band ihre Zurückhaltung ab und kommt in Fahrt. Das Wippen der Füße im Takt stellt sich automatisch ein. Zwischendurch würde das eine oder andere Lied mit mehr Action und mehr Geschwindigkeit, also mit mehr wirklich dreckigem Rock'n'Roll, dem Konzert gut tun. Die Instrumente werden so bearbeitet, dass die Saiten nie ernsthaft in Gefahr sind zu reißen. Auch gegen mehr Bühnenpräsenz wäre nichts einzuwenden. Die etwas ruhige Performance ist aber gleichzeitig eine Stärke. Die Band konzentriert sich auf das Wesentliche, auf das Musikmachen. Dadurch wirken die Fünf authentisch.

Allerdings haben 123 Cheers and a tiger, der Name stammt von einem englischen Trinkspruch, von Beginn an mit der kleinen Kulisse zu kämpfen. Zwar sagt der Bassist Jakob, dass 20 wirklich interessierte Zuhörer der Band lieber seien als 300 desinteressierte. Trotzdem sind die etwa 30 Zuschauer etwas enttäuschend - die tanzbare Musik wird von ihnen nicht genügend gewürdigt.

"Kultur funktioniert in Ebersberg eben nicht"

"Kultur funktioniert in Ebersberg eben nicht", zuckt der Veranstalter Oliver Völcker resigniert die Schultern. Bei lokalen Bands sei die "Erste Etage" noch einigermaßen voll, sobald aber fremde Musiker eingeladen werden, sei es schwer den Club zu füllen, so Völcker: "Trotzdem werden wir weiter ein- bis zweimal im Monat Konzerte veranstalten. Einfach weil es uns wichtig ist, dass auch in Ebersberg ab und zu Live-Musik wenigstens angeboten wird", gibt sich Völcker kämpferisch.

An der Location kann der geringe Zuschauerandrang nicht liegen. Der Bühnenraum ist gemütlich. Gegen die Bühne, das Licht und den Sound ist auch nichts zu sagen. Die fünf Wiener machen das Beste aus der Situation. Das Konzert in Ebersberg ist das letzte ihrer kleinen Deutschland-Tour, die sie nach Hamburg, Kusel und schließlich eben Ebersberg brachte.

Die Band probt und performt seit drei Jahren zusammen. Nach dem ersten Album "Less than the half price" soll im Frühjahr das zweite folgen. "Wir kommen wieder", rufen sie abschließend von der Bühne. Falls sie das wahr machen sollten, müssen sich ein paar mehr Musikbegeisterte von dem melodischen Indie-Rock überzeugen lassen. Um am nächsten Morgen aufzuwachen und "Hommage" pfeifend den ersten Kaffee zu genießen.

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Quelle:
SZ vom 23.08.2010
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