1200-Jahr-Feier in Pliening:Römer und Ritter unter bayerischem Himmel

Hunderte verfolgen den historischen Festzug durch den Ort. 29 Bilder aus der Vergangenheit werden dargestellt

Alexandra Leuthner

Pliening"Da solltens' jetzt lieber am Rand vorbeigehen, der Ochs muaß durch", ruft ein junger Mann in Lederhosen und weist aufgeregt auf das mächtige Gespann, das hinter ihm postiert ist. Maxl mit den imposanten Hörnern steht, breit wie er ist, genau mitten in der Poinger Straße, und macht den Eindruck, dass er alles versteht, aber keinen Spaß. Muss er auch nicht. Hauptsache, er behält die Nerven, bei all dem Trubel ringsherum: dem rotbewamsten Ritter Pucher auf seinem schwarzen Pferd, dem nachgebauten schwarz-roten Eisenbahnwaggon anno 1871, an dem gerade noch der Akkuschrauber angesetzt wird, den deutschen und amerikanischen Militärjeeps, kaugummikauenden GIs, den unzähligen Leuten in Tracht und ohne, die darauf warten, dass er sich endlich in Bewegung setzt, der historische Festzug.

Eine halbe Stunde bevor die Blaskapelle Finsing - die am Samstagabend den Kappellenwettstreit im Festzelt gewonnen hat - als erste auf die Strecke vom Bürgerhaus Richtung Forchhammer gehen wird, haben sich schon überall, wo es ein bisschen schattig ist, Grüppchen gebildet. Beim Rathaus sitzen sie auf den Stufen, sie warten unter den Kastanien an der Geltinger Straße und unter den Büschen beim Plieninger Kircherl. SPD-Gemeinderätin Bettina Marquis hat sich genau gegenüber ein Plätzchen in der prallen Sonne gesichert, weil sie, den Kirchturm im Hintergrund, auf besonders schöne Eindrücke hofft. Einige haben sich sogar Klappstühle mitgebracht, um die Bilder aus zwölf Jahrhunderten in aller Bequemlichkeit genießen zu können. Vor der Zufahrt zum Bürgerhaus haben sich Bürgermeister Georg Rittler und sein Stellvertreter Roland Frick gefunden, beide natürlich im Sonntagsstaat, beide mit leuchtenden Gesichtern. Frick hat gerade noch Zeit, für die paar Worte, die die flirrende Plieninger Stimmung unter diesem wie bestellten Festtagshimmel am treffendsten beschreiben: "Alles ist gut, nein, alles ist bestens!" Dann müssen sie einer mit prachtvollen Rappen bespannten Kutsche ausweichen, die den Rathauschef und Landrat Robert Niedergesäß samt Gattinnen aufnehmen wird. Bild 14, die einstmalige Pferdewechselstation beim Wirt in Pliening, mit einer Postkutsche und drei Festgespannen, bietet Raum für die Ehrengäste, unter denen neben Frick und dem dritten Bürgermeister Frank Birk auch Bezirksrat Thomas Huber und Ortschronist Willi Kneißl sind. Dass die 29 Bilder des Festzugs - Franz Burghart, Gemeinderat und Vorsitzender der Geltinger Musikkapelle hat ihn organisiert - historisch stimmig sind, dann ist das nicht zuletzt Kneißl zu verdanken, der überall seine Hände im Spiel oder ein beratendes Wort parat hatte.

Als dann um 14 Uhr die ersten Takte der Finsinger, Poinger und Geltinger Musikkapellen erklingen, sind die Straßen entlang der Route des Festzugs voll von Menschen, die zuerst eine Gruppe von jungsteinzeitlichen TSV-Angehörigen bewundern können, die in Fellschuhen und mit Knochen behängt daher kommen. Knochenfunde haben ihre Anwesenheit in Gelting ebenso belegt, wie die der Römer um 350 nach Christus, die in martialischer Aufmachung vorbei marschieren. Dass der eine oder andere Bursche vom Plieninger Burschenverein bei der Hitze historisch unkorrekte Zwiesprache mit einem Augustinermönch auf einer Flasche hält, mag ihm sicher keiner übel nehmen. Hoch oben auf einem Wagen kommt dann schon das wichtigste Bild des ganzen Zuges daher: die Urkunde von 813, die die Schenkung der Geltinger Kirche an den Freisinger Bischof Hitto belegt. Hochwürden, versteht sich, kann gar kein anderer geben als der Geltinger Pfarrer Norbert Joschko - und der kommentiert die vorübergehende Beförderung: "Endlich aufgestiegen", ruft er und rollt vorbei.

Zwischen den gewickelten einfachen der Dorfgemeinschaft Ottersberg, die sich der ersten urkundlichen Erwähnung des Gemeindeteils im Jahre 980 angenommen haben, kämpft ein Kind mit einem Zicklein, das sich mit vier eingestemmten Beinchen gegen den Weitermarsch wehrt. Zwei Jagdburschen aus der Zeit der Nansheimer, dargestellt vom Gasthof Stocker, haben sich mit Gewicht und Geruch einer toten Gans auseinander zu setzen, die von einem Stock zwischen ihnen herunterhängt und deren langer Hals fast am Boden schleift. Das war wohl im Mittelalter auch nicht anders, die feinen Herrschaften thronten hoch im Sattel, während sich das niedere Volk mit den Widrigkeiten des Lebens auseinander setzen musste. Trümmerfrauen und Heimatvertriebene - die Gartenbauvereine Pliening und Landsham - konnten ein Lied davon singen, auch die heimkehrenden Soldaten, die der Kriege-und Soldatenverein Gelting-Pliening darstellt. Den Schluss des Festzugs geben landwirtschaftliche Fuhrwerke und Transporter der Firma Ebenhöh - bäuerliches Leben und Wirtschaftswunderzeit.

Und bis der Zug von der zweiten Wendemarke Am Tanzfleckl wieder zurück ist, ist der Durst groß, schließlich ist nicht jeder so glücklich wie die Grundschulkinder, die dem Wagen mit der Erinnerung an die erste Schule Plienings folgen. Schulrektor Peter Bachmeier läuft ständig mit mehreren Flaschen Wasser nebenher und ruft: "Wer will etwas trinken?" Roland Frick bringt die Sache nach der letzten Wende auf den Punkt: "Jetzt schmeckt aber eine."

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