Eagles in München:Unwiderstehlicher Viergesang

Die reifen "Eagles" brauchen bei ihrem Konzert in der Olympiahalle Zeit, bekehren dann aber auch Kritiker.

Oliver Hochkeppel

Am Anfang bekommt man ein bisschen Angst. Kommen da doch vier nette ältere Herrschaften in dunklen Anzügen mit Krawatte auf die Bühne der Olympiahalle und spielen gnadenlos altbackenen Countryrock und Softpop, in den schlimmsten Momenten wie eine BeeGees-Parodie klingend.

Eagles in München: Timothy B. Schmit (links) und Don Henley bei einem Auftritt in der Schweiz.

Timothy B. Schmit (links) und Don Henley bei einem Auftritt in der Schweiz.

(Foto: Foto: AP)

Wegen der Dachreparatur der Halle auch noch quasi bei Tageslicht, als wäre man bei einem nachmittäglichen Freilicht-Bardentreffen. Dass es sich bei dieser Altherren-Combo um die Eagles handeln muss, wird definitiv bei der vierten Nummer klar: "Hotel California", gehörig abgegriffen.

Da fällt einem die Geschichte der Band aus der Perspektive ihrer Kritiker ein: Die Saga von den Mainstream-Ehrgeizlingen, die ihre genialeren Kollegen vom Mulholland Drive ausnutzten, die Musik der 68er an die Hillbilly-Republikaner verrieten und "Peaceful Easy Feelings" daraus machten, zu einer Zeit, als aus Vietnam die Särge ankamen und Leute wie Jimi Hendrix ihre Gitarren ansteckten. Und man möchte als Kritiker draufhauen auf dieses verräterische, bigotte...

Bis einen, spätestens bei "Witchy Woman", dieser unfassbar präzise, bis heute unwiderstehliche vierstimmige Chorgesang überwältigt. Einen wieder milde stimmt. Und die Augen auch dafür öffnet, dass sich gerade in den frühen Songs beachtliche musikalische Einfälle verstecken und die Qualität der Texte allgemein unterschätzt ist.

Solchermaßen beruhigt kann man das sich Lied für Lied steigernde Konzert genießen: die gar nicht so platte Politkritik vom jüngsten Album "Long Road Out Of Eden" samt des zehnminütigen Titelsongs (wer traut sich so ein Epos noch); die von der bis zu achtköpfigen Begleitband angeheizten echten Rocksongs wie "In the City" oder "Fast Lane" aus der intensiven Drogenzeit, die dementprechend sehr psychedelisch und sogar funky werden können; die nun immer passenderen und witzigeren Video-Einspielungen.

Als es nach dreieinhalb Stunden mit "Desperado" endet, sind die Eagles-Fans im Himmel. Und alle anderen müssen eingestehen, dass diese netten älteren Herrschaften halt doch einiges drauf haben.

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