Dynamische Bevölkerungsentwicklung:Rätselhaftes Wachstum

Anders als bisher prognostiziert, werden im Stadtteil Trudering-Riem bis 2040 weitere 25 000 Einwohner zuziehen

Von Renate Winkler-Schlang, Trudering

Bis zum Jahr 2040 wird die Einwohnerzahl im Stadtteil Trudering-Riem um 34,5 Prozent, also mehr als ein Drittel, wachsen. Diese Zahl hat ein aufmerksamer, an seiner Heimat interessierter Kirchtruderinger dem zweiten Teil des neuen städtischen Demografieberichts entnommen. Der Bürger betont in einem Schreiben an den Bezirksausschuss ausdrücklich, dass er angesichts des eklatanten Wohnraummangels in der Stadt auch dichtem Bauen "sehr offen" gegenüberstehe. Er wolle aber das Stadtteilgremium vor allem auf die Folgen für den Verkehr aufmerksam machen.

25 000 neue Truderinger, Riemer und Messestädter werden laut dem Demografiebericht bis 2040 dazu führen, dass die Einwohnerdichte je Quadratkilometer dort von 3200 im Jahr 2017 auf rund 4400 steigen werde, doch damit werde der Stadtteil weiterhin zu den eher weniger dicht besiedelten gehören, heißt es in dem Bericht.

Interessant ist aber, wo die neue Dichte laut Stadt entstehen soll: 3000 neue Wohneinheiten im fünften Bauabschnitt der Messestadt, auch "Arrondierung Kirchtrudering" genannt, 2000 rund um die Heltauer Straße und mehr als 3000 am Rappenweg. Und das kommt eher einer Explosion als einer sanften Entwicklung gleich, wie Magdalena Miele (CSU), Sprecherin des Unterausschusses Infrastruktur und Stadtteilentwicklung, dem Bezirksausschuss vorrechnete: 2012 noch plante die Stadt für den fünften Bauabschnitt Messestadt mit 600 Zuzüglern, nun mit 3000, eine Steigerung um 500 Prozent. An der Heltauer Straße war die Rede von 320, die nun anvisierten 2000 würden eine Steigerung von sogar 620 Prozent bedeuten. Wo genau am Rappenweg die Wohnungen für 3000 Menschen entstehen sollen, sei ohnehin unvorstellbar. "Eine exorbitante Steigerung", so Miele.

Wie der Bürger, so verglich auch Miele diese Zahlen mit denen bereits auf den Weg gebrachter Neubaugebiete. Bei denen habe bisher die "Faustregel 100 Wohneinheiten auf einen Hektar" gegolten, das sei etwa der Maßstab für die Bebauung des Piederstorfer-Geländes im benachbarten Neuperlach. Wie könne der fünfte Bauabschnitt der Messestadt gleich doppelt so dicht bebaut werden?

Auch der Bürger ist eher fassungslos: Das Gebiet um die Heltauer Straße sei in Teilen eine Frischluftschneise für die Stadt. Das maximal bebaubare Areal sei nur 15 Hektar groß. Am Rappenweg und östlich der Schwablhofstraße komme man auf insgesamt 37 Hektar Fläche, durch die sich jedoch zwei übergeordnete Grünzüge ziehen und die teilweise für Ausgleichsflächen vorgehalten werde. "Alles in allem verteilen sich in der Prognose rund 8000 Wohneinheiten auf zirka 66 Hektar Fläche, von denen allerdings erhebliche Teile nur eingeschränkt bebaut werden können."

Auf dem Piederstorfer-Gelände entstehen 1300 Wohnungen für rund 3000 Menschen auf 12,8 Hektar, und dort sehe der Bebauungsplan bereits Hochpunkte mit 15 Stockwerken vor, so der Bürger. Die Bayernkaserne werde als urbanes Gebiet entwickelt, doch auch dort seien auf 48 Hektar nur 5500 Wohnungen für bis zu 15 000 Menschen geplant. "Wie also kommt man im Demografiebericht für Trudering-Riem zu solch hohen Werten?"

Wie auch immer, eine koordinierte Verkehrsplanung sei jedenfalls unerlässlich: Alle drei Projekte liegen im Norden des Stadtteils und sind durch nur fünf Knoten ans Verkehrsnetz angebunden: Heltauer Straße/Schatzbogen, Moosfeld/Schatzbogen, bereits eine Tempo-30-Zone, ferner übers Mitterfeld, die Kreuzung Schmuckerweg/Truderinger Straße und die Unterführung in der Schwablhofstraße. Ob das reichen werde, fragt sich der Bürger. Die vom Stadtrat nach langem Streit beschlossene "kleine Umfahrung Kirchtruderings" werde an diesen Knoten nichts verändern, schreibt er weiter. Berücksichtigen müsse man aber die bereits beschlossene Verkehrsberuhigung in der Truderinger Straße und den möglichen Mehrverkehr, der entsteht, wenn der Rappenweg in Richtung des Haarer Ortsteils Gronsdorf durchgestoßen wird und dort die Bebauung beginnt.

Noch, so der Antragsteller, befinde sich das alles in einem sehr frühen Stadium: "Umso größer erscheinen daher jedoch die Möglichkeiten, Fehlplanungen vorzubeugen." Der Bezirksausschuss sah das ebenso und leitet das Bürgerschreiben an die Stadtverwaltung weiter. Die Lokalpolitiker erinnern an einige ihrer früheren Anträge, die zu diesem Themenkomplex passten und von den zuständigen Referaten bislang unbeantwortet geblieben sind.

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