Süddeutsche Zeitung

DVD & Stream:Schöne alte Arbeitswelt

Von wegen Langeweile im Home-Office - neue Filme fürs Heimkino zeigen: Es wird mehr geschuftet denn je. Zum Beispiel in Ken Loachs packendem Sozialdrama "Sorry We Missed You".

Von Josef Grübl

Beim Blick auf das Weltgeschehen könnte man fast das Gefühl haben, dass so ziemlich jeder Kurzarbeit angemeldet hat oder ganz aufgehört hat zu arbeiten. Beim Blick auf die neu veröffentlichten Filme auf DVD oder Video on Demand stellt man dagegen fest: Es wird mehr geschuftet denn je, die moderne Arbeitswelt verlangt nach dem rund um die Uhr einsetzbaren Typus Mensch. Da wäre zum Beispiel der Engländer Ricky (Kris Hitchen), der als Paketbote bis spät in die Nacht unterwegs ist, kaum noch seine Familie sieht und trotzdem viel zu wenig verdient. Denn Ricky ist selbständig und trotzdem unfrei, ständig im Stress und dennoch immer zu spät. Sorry We Missed You erzählt sehr packend von einem Arbeiterleben im 21. Jahrhundert, von Ausdauer und Ausbeutung, Regie führte der britische Meister Ken Loach.

Seinen ersten Arbeitstag im neuen Job hätte sich Stéphane (Damien Bonnard) vermutlich auch anders vorgestellt: Der Polizist hat sich in die Pariser Vorstadt Montfermeil versetzen lassen, dort bekommt er es mit Drogendealern, Prostituierten, Muslimbrüdern und rassistischen Kollegen zu tun. "Das Gesetz bin ich", behauptet einer von ihnen, damit heizt er die Stimmung an diesem heißen Sommertag weiter an. Die Wütenden - Les Misérables wurde 2019 in Cannes gefeiert und dieses Jahr nominiert für den Oscar als bester internationaler Film. Nicht in der Vorstadt, sondern im Zentrum von Paris spielt Einsam zweisam, der neue Film von Cédric Klapisch: Der schüchterne Lagerist Rémy (François Civil) soll durch Roboter ersetzt werden. Doch er lässt sich nicht entmutigen und ergattert eine Stelle in einem Callcenter. Und die Frau seines Lebens (Ana Girardot) wohnt direkt nebenan ...

Auf eine Vorstellungsrunde verzichten müssen die Figuren in der kurzweiligen US-Krimikomödie Knives Out: "Verdammt nochmal, wer ist dieser Kerl", fragen die Mitglieder der Familie Thrombey, als ein fremder Mann im Salon sitzt und auf einer Klaviertaste herumdrückt. Das schwerreiche Familienoberhaupt ist wohl ermordet worden, der Kerl am Klavier (Daniel Craig) soll den Fall aufklären. Doch wer hat den Privatdetektiv engagiert? Das kommt erst später heraus, eins ist aber sofort klar: Dieser Mann leistet ganze Arbeit.

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Quelle:
SZ vom 20.05.2020
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