Durcheinander im Netz:Kettenreaktion

Spätfolgen des Ausstands sind bis zum Nachmittag spürbar

Von Andreas Schubert

Keine Frage, dass sich das Online-Satiremagazin Der Postillon nicht lange bitten ließ und am Montag titelte: "Verspätungen wie immer: stundenlanger Bahnstreik von niemandem bemerkt." In der Tat waren die Auswirkungen des Streiks zwar heftiger, als wenn zum Beispiel am Ostbahnhof ein Stellwerk oder ein Signal ausfällt. Den in München gewohnten Verlauf nahmen aber dann die Spätfolgen des streikbedingten Komplettausfalls. Sie wirkten sich - wie nach einer Stellwerkstörung - noch bis in den Nachmittag auf den Betrieb aus, obwohl der Streik um 9 Uhr beendet war. Das hat nach Angaben einer Bahnsprecherin einen Hauptgrund: Die Züge sind nach einem Streik oder einer sonstigen Großstörung nicht an der Position im Netz, wo sie laut Fahrplan eigentlich hingehören. Wenn also zum Beispiel ein Zug von einer Endhaltestelle im Netz von 9 Uhr an hätte wieder starten sollen, musste er vorher erst dorthin gefahren werden.

"Bis alles wieder normal läuft, dauert es immer mehrere Stunden", sagte die Bahnsprecherin. "Einige Züge sind auch noch in der Werkstatt und müssen erst herausgefahren werden." Dann müssen die Fahrdienstleiter, die von 9 Uhr an wieder im Einsatz waren, schauen, dass sie den Zugverkehr so rasch wie möglich wieder in den Takt bringen. Der Begriff "rasch" ist hier freilich relativ. Wie bei einem Stau auf der Autobahn gibt es auch im Schienennetz bei Verzögerungen eine Kettenreaktion. Jeder verspätete Zug auf der Stammstrecke zieht weitere Verspätungen nach sich. Deshalb behilft sich die Bahn oft damit, einzelne Züge zu streichen oder sie vorzeitig wenden zu lassen, um den Verkehr auf dem Nadelöhr Stammstrecke zu entzerren. Gestrichen werden in der Regel die Verstärkerzüge, mit denen die Bahn im Berufsverkehr einen Zehn-Minuten-Takt fahren kann.

Ein großes Ärgernis für Tausende Passagiere, die an den Bahnhöfen auf ihre Züge hoffen, sind nach wie vor die Anzeigen an den Bahnsteigen. Am Montag wiesen diese auch nach Ende des Ausstands darauf hin, dass es auch weiterhin zu Beeinträchtigungen und Verzögerungen kommen werde. Doch eine Anzeige in Echtzeit, welcher Zug denn nun wann als nächstes kommt, ist noch immer wegen veralteter Technik nicht möglich. Erst Ende des kommenden Jahres sollen immerhin 61 von 150 Stationen mit modernen Anzeigen ausgestattet sein. Und selbst die DB-Navigator-App, die zumindest per Smartphone in Echtzeit über die Lage im S-Bahnnetz informieren soll, funktioniert längst nicht immer.

Während der Störung versuchte die Bahn einen Ersatzverkehr zu organisieren. Doch anders als bei lange vorher geplanten Großbaustellen tut sich der Konzern bei Streiks oder unvorhergesehenen Störungen damit immer wieder schwer. Denn Ersatzbusse, die zumindest ein paar Dutzend Fahrgäste aufnehmen könnten, sind im Raum München während der Schulzeiten kaum aufzutreiben. Die Münchner Verkehrsgesellschaft, die theoretisch Busse an die Bahn verleihen könnte, braucht jeden einzelnen ihrer verfügbaren Busse selbst - und klagt ohnehin schon seit Jahren gebetsmühlenartig über einen Mangel an Busfahrern, um das Verkehrsaufkommen zu meistern.

Deshalb behilft sich die Bahn immer wieder mit Taxis, so auch an diesem Montag. Die sind immerhin relativ schnell zu bekommen. Allerdings passen in ein normales Taxi nicht mehr als vier Fahrgäste. Da wundert es nicht, dass das Gedränge um die Taxis am Ostbahnhof und in Feldmoching, von wo aus die Wagen in Richtung Flughafen starteten, entsprechend groß war.

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