Entwicklung eines Start-ups:Drohne soll Landwirten das Leben erleichtern

Entwicklung eines Start-ups: Geschäftsführer Florian Seibel lässt sein Modell über einem Acker bei München fliegen.

Geschäftsführer Florian Seibel lässt sein Modell über einem Acker bei München fliegen.

(Foto: Katja Riedel)
  • Das Start-up-Unternehmen Quantum-Systems will Landwirten bei der Bewirtschaftung ihrer Felder helfen: Eine spezielle Drohne kann aus der Luft Krankheiten, Ungezieferbefall und das Wachstum überwachen.
  • Die Quantum ist die zweitbeste zivile Drohne der Welt. Sie kann weitere Strecken fliegen als die Hubschrauber-Drohnen.
  • Geschäftsführer Florian Seibel will die "Vision" bald zur Serienreife bringen.

Von Katja Riedel

Das, was Florian Seibel eine "Vision" nennt, kreist über einem Acker bei München. Seibel lenkt das Modell per Fernsteuerung, er lässt das kleine weiße Flugzeug nicht aus den Augen: seine Quantum. Die Drohne steigt steil in die Höhe und landet punktgenau, wie ein Hubschrauber - in der Luft klappt sie dann die Rotoren ab und verwandelt sich in ein Flugzeug, anders als die Copter-Systeme, die bisher im Einsatz sind. So kann sie viel weitere Strecken fliegen als die Hubschrauber-Drohnen. Dieser Clou hat der Quantum einen Titel eingebracht: Sie ist die zweitbeste zivile Drohne der Welt. Als solche hat eine Jury in Dubai die Ackerdrohne im Februar unter 800 Wettbewerbern ausgezeichnet. Nur ein Schweizer Konkurrent landete vor Seibels unbemanntem Hubschrauberflugzeug, dessen Grundlagen er an der Uni Neubiberg erforscht hat. Nun will er es in Otterfing mit einem Team junger Ingenieure zur Serienreife bringen. Quantum-Systems planen Großes: eine kleine Revolution der Landwirtschaft.

"Das, was wir vorhaben, kommt zwar nicht an die Erfindung des Traktors heran", sagt Seibel, "vielleicht aber an die des Kunstdüngers." Denn die Drohne soll bei ihrem Überflug Krankheiten oder Ungezieferbefall, besonders gutes oder besonders schlechtes Wachstum anzeigen - zentimetergenau. Wenn eine einzelne Pflanze krank ist, kann sie der Landwirt oder Förster gezielt herausschneiden, er muss nicht ganze Flächen roden. Nur wenige Minuten braucht die 25 Kilogramm schwere Drohne, um einen Acker, ein Waldstück oder eine Plantage zu überfliegen, dabei wird sie bis zu 80 Stundenkilometer schnell. Die Sensoren austauschbarer Kameras können so zum Beispiel feststellen, ob eine Rapssorte besser wächst als die andere. Bisher sind Forscher mit Beobachtungsblöcken und bloßen Augen tagelang durch die Versuchsfelder gestapft, die Drohne braucht dafür nur Minuten - und liefert exakte Daten zu einem exakten Zeitpunkt.

Seibel fliegt mit Drohnen statt Militärjets

Die Daten sollen später einmal in spezielle Softwareanwendungen eingespeist und mit Wetterinformationen, Satellitenbildern und anderem verknüpft werden. Der Bauer soll am Ende von Florian Seibels Vision nur noch im Traktor ein Knöpfchen drücken, damit die Maschine weiß, welche Pflanze besonders viel oder wenig Dünger oder Wasser braucht. So könnten knappe Ressourcen gespart, der Ertrag aber dennoch gesteigert werden, ist der Gründer überzeugt. Kosten soll die Drohne einmal 15 000 Euro.

Florian Seibels Gründergeschichte beginnt mit einem geplatzten Traum. Der heute 35-Jährige träumt schon als kleiner Junge davon, Militärjets zu fliegen. Er besteht den Pilotentest, beginnt sein Studium der Luft- und Raumfahrttechnik an der Bundeswehruni in Neubiberg. Dann werden seine Augen schwächer, als Brillenträger darf Seibel nur noch Hubschrauber fliegen. Nach der Ausbildung in Deutschland und den USA die Enttäuschung: "Die Bundeswehr hat schon seit Längerem kaum mehr flugfähige Hubschrauber", sagt Seibel - er wartete mehr, als zu fliegen. Und so durfte er schließlich zurück an die Uni, begann seine Promotion - über den Nutzen der Drohnen für die Landwirtschaft. Es war der Anfang seines Unternehmens. Seine Doktorarbeit wird er nun allerdings nie fertigstellen. Mit dem Doktorvater überwarf er sich, er wechselte den Lehrstuhl. Bis zum Ende seiner zwölfjährigen Dienstzeit Ende des Jahres lehrt er an der Uni. Um seine Firma kümmert er sich bisher nur nach Feierabend, ein Geschäftsführergehalt bezieht er nicht. Für Geschäftstermine muss er sich Urlaub nehmen und an den Wochenenden ranklotzen.

Entwicklung eines Start-ups: Begeisterte Scheichs: Der Herrscher von Dubai würde das Münchner Drohnen Start-up Quantum Systems am liebsten komplett in den Wüstenstaat verlegen.

Begeisterte Scheichs: Der Herrscher von Dubai würde das Münchner Drohnen Start-up Quantum Systems am liebsten komplett in den Wüstenstaat verlegen.

(Foto: Quantum Systems)

Mit drei weiteren Mitgründern hat sich Florian Seibel zusammengetan, drei der Ingenieure kommen von der Bundeswehruni, einer von der TU München. Durch diesen fand Quantum seinen bisher wichtigsten Förderer: Florian Holzapfel, der an der TU den Lehrstuhl für Flugsystemdynamik leitet. Holzapfel sieht in unbemannten Flugsystemen eine Chance für kleinere und mittlere Unternehmen der Raum-und Luftfahrtbranche. Denn solche Ideen und Unternehmen gibt es viele im Großraum München. Die Drohnen lieferten die Chance, dass ohne Milliardeninvestitionen aus Ideen Produkte werden könnten - und in der Drohne des Start-ups Quantum-Systems sieht Holzapfel "enormes Potenzial". Der Flieger brauche keine Start- und Landebahn, könne aber trotzdem länger in der Luft bleiben als kleine Hubschrauber-Drohnen.

Die Ackerdrohne hat "enormes Potenzial"

Holzapfel hat es sich zum Ziel gesetzt, die Luft- und Raumfahrttechnik nicht nur Firmen wie Airbus zu überlassen. Er setzt darauf, dass Innovation eher aus dem Mittelstand kommen als von den unbeweglicheren Großen. Ein Positivbeispiel ist für Holzapfel die Münchner Firma Ascending Technologies: Die hat im Januar eine Zusammenarbeit mit dem Softwareriesen Intel vereinbart, gemeinsam wollen sie ein System entwickeln, mit dem Drohnen Hindernissen ausweichen können. Holzapfel glaubt, dass Unternehmen wie diese Milliardenumsätze nach München bringen könnten. "Start-ups bieten im Bereich unbemannter Flugsysteme die Chance, Marktanteile nach Deutschland zu holen", sagt Holzapfel, "und es ist wichtig, dass die Politik das erkennt."

Auch Quantum hat sich mit der Unterstützung aus der Politik bisher schwer getan. Nun darf das Start-up einen Förderantrag über 2,5 Millionen Euro an das Bundeslandwirtschaftsministerium stellen. Bei einem früheren Versuch, einen Gründerzuschuss zu ergattern, bekam Seibel eine Abfuhr, die ihn noch heute ärgert. Denn das Forschungsministerium verweigerte damals das Geld, weil die Überflugregeln in Deutschland für solche Fluggeräte noch nicht geklärt seien. Auch Seibel darf seinen Prototyp in Deutschland bisher nicht fliegen lassen, über dem Acker vor der Firma zieht darum nur das kleinere Modell seine Bahnen.

Unterstützung für das Projekt ist schwierig

Viele Fragen sind noch offen, vor allem Sicherheitsaspekte. Drohnen könnten zu Überwachungsinstrumenten, sie könnten manipuliert und zu Waffen werden. Und sie könnten im Luftraum zum Beispiel Rettungsflieger behindern. Dass Drohnen bald den Himmel der Städte durchschwirren werden wie Insekten, glaubt Gründer Seibel aber nicht. Paketlieferungen von DHL oder Amazon, wie es sie bereits gab, hält er vor allem für Marketing-Gags, die der Akzeptanz ziviler Drohnen allerdings genutzt hätten.

Die Quantum-Technik wird nun in Serie gehen. Die deutsche Tochter des chinesischen Automobilzulieferers Autel hat einen Teil der Technik gekauft. Seibel hofft, dass es bald auch deutsche Unternehmen geben wird, die seine Technik nutzen wollen. Im August soll eine Testdrohne über einem Tagebau von Eon zeigen, was sie kann. In der Energiebranche gäbe es viele Einsatzorte, an denen Drohnen wie diese Hochspannungsleitungen, Solar- oder Windparks überwachen könnten. Deutschland habe die zivile Drohnennutzung weitgehend verschlafen, glaubt Seibel. "Die USA und Israel sind uns zwanzig Jahre voraus", beklagt er. Wahrscheinlicher ist es, dass die Quantum demnächst über der Wüste fliegt. Der Herrscher von Dubai sei interessiert und wolle am liebsten die ganze Firma aus Oberbayern in den Wüstenstaat verlegen, erzählt Seibel. Der Staat will bis 2030 seine Lebensmittel autark erzeugen, in einem Oasenstreifen sollen die Segnungen des "Smart Farming" die Wüste urbar machen. Doch Florian Seibel kann sich allenfalls vorstellen, eine Filiale in Dubai zu eröffnen. Sein Unternehmen soll in Bayern wachsen, mit ihm als Chef.

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