Süddeutsche Zeitung

Drei Monate alten Sohn geschüttelt:Schockierendes Geständnis

Das anhaltende Schreien des Säuglings überforderte ihn: Vor dem Landgericht München I gesteht ein Student, dass er seinen drei Monate alten Sohn geschüttelt hat - und ihm so Hirnblutungen zufügte.

Von Christian Rost

Ein Student hat seinem drei Monate alten Sohn ein schweres Schütteltrauma mit Hirnblutungen zugefügt. Den Übergriff gestand Andreas S. am Mittwoch vor dem Landgericht München I. Unter Tränen sagte der junge Vater aus, er habe sich durch das anhaltende Schreien des Säuglings "überfordert gefühlt". Ursprünglich hatte der 23-Jährige behauptet, die Blutungen im Kopf seines Sohnes seien nach einer Sechsfach-Impfung aufgetreten.

Das Geständnis kam völlig unerwartet. Verteidiger Timo Westermann wollte die Theorie einer schweren Impfnebenwirkung in dem Prozess gegen Andreas S. sogar durch ein Privatgutachten untermauern. Doch ehe der mit der Expertise beauftragte Sachverständige gehört wurde, setzte die 20. Strafkammer am Mittwoch ein Rechtsgespräch an. Der Vorsitzende Richter Stephan Kirchinger erklärte anschließend, dass der Angeklagte mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung rechnen könne, wenn er den Übergriff auf das Baby einräume. Andreas S., der ohne Geständnis mit einer Gefängnisstrafe hätte rechnen müssen, nahm das Angebot erleichtert an. Und dann sprudelte es regelrecht aus ihm heraus, was in den Morgenstunden des 29. Juli 2011 in einer Giesinger Wohnung geschehen war.

Der Angeklagte lebte mit seiner Freundin und dem gemeinsamen Sohn vorübergehend zur Untermiete bei Verwandten. "Fünf Leute auf nur 60 Quadratmetern, das war ganz schön eng", sagte S. Das Paar war aus Wien nach München gezogen und hatte noch keine eigene Wohnung gefunden. Während die Freundin arbeiten ging und auch alle anderen außer Haus waren, passte S. tagsüber auf Michael (Name geändert) auf. Der Student beteuerte, dass er sich das Kind mit seiner Freundin gewünscht habe. "Ich konnte auch gut mit ihm umgehen." Deshalb treibe es ihn selbst um, was an jenem Julitag geschehen war. "Bei mir muss eine Sicherung durchgebrannt sein."

S. war gerade im Haushalt beschäftigt, als der Bub unvermittelt zu schreien begann und sich nicht beruhigen ließ. Über fünf Minuten hinweg habe sich das Schreien gesteigert, berichtete S. Er schlug dem Säugling mit der flachen Hand zunächst auf den Po und dann ins Gesicht. "Er schrie aber noch lauter." Wie der Angeklagte weiter schilderte, habe er Michael schließlich geschüttelt. Der Kopf des Buben wurde dabei etwa fünf Mal nach vorne und nach hinten geschleudert. Er erlitt ein Schütteltrauma mit sogenannten subduralen Blutungen im Gehirn, was zu einem Krampfanfall führte. Zuerst wurde Michael blau im Gesicht und fiel dann leblos in sich zusammen. Dem Vater wurde eigenen Angaben zufolge schlagartig bewusst, was er getan hatte. Er leitete Erste-Hilfe-Maßnahmen mit Mund-zu-Mund-Beatmung und einer Druckmassage ein und eilte dann mit Michael zum Kinderarzt, der das Baby sofort in die Haunersche Kinderklinik bringen ließ. Wodurch die Blutungen entstanden waren, verschwieg S. den Ärzten.

Vor Gericht räumte er nun ein, dass er seinen Sohn bereits zwei Wochen zuvor schon einmal geschüttelt hatte. Auch dabei war es zu Blutungen im Kopf des Kindes gekommen, wie Rechtsmediziner Randolph Penning feststellte. Schütteltraumata führen oft zu Langzeitschäden bei Babys und können auch tödlich sein. Im Fall von Michael sind derzeit keine schweren Folgen der Misshandlung erkennbar. S., der sich freiwillig einer Anti-Aggressions-Therapie stellen will, darf seinen Sohn nicht mehr sehen. Zwar ist der Angeklagte nach wie vor mit der Mutter des Kindes liiert, zu Michael besteht aber ein Kontaktverbot.

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SZ vom 06.12.2012/afis
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