Dramatische Wendung in zwei Mordfällen:War es der Wind?

Haben der Mord an der Parkhaus-Millionärin Charlotte Böhringer und die Entführung der 10-jährigen Ursula Herrmann etwas miteinander zu tun - oder ist den Ermittlern ein Fehler unterlaufen?

Ruth Schneeberger

Zwei spektakuläre Mordfälle haben in den vergangenen Monaten die Region bewegt: Der eine ist neu, der andere alt. Im jüngeren geht es um die millionenschwere Münchnerin Charlotte Böhringer, die, so vermutet die Staatsanwaltschaft, von ihrem Neffen aus Habgier ermordet wurde. Im älteren Fall geht es um die vor 26 Jahren entführte Ursula Herrmann, die als Zehnjährige am Ammersee in einer Kiste in einem Erdloch aufgefunden wurde, in der sie erstickt war.

Im ersten Fall läuft gerade der Prozess gerade an - im zweiten sind kürzlich DNS-Spuren gefunden worden, die darauf hoffen lassen, dass der nie aufgelöste Entführungsfall, der jahrelang durch alle Medien gespielt wurde, nun doch noch aufgeklärt werden könnte.

Plötzliche Querverbindung

Zwei traurige Fälle also, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben - außer der Tatsache, dass sie beide im Raum München stattgefunden haben. Und nun gibt es plötzlich eine Verbindung.

Der Mordprozess um Charlotte Böhringer musste am Mittwoch unterbrochen werden. Ein Raunen ging durch den Saal, als Richter Manfred Götzl verkündete, es gebe neue Spuren. Spuren, die nichts mit dem vermuteten Täter zu tun haben. Spuren, die auf den Fall Ursula Herrmann verweisen: Es ist die selbe DNS, die an beiden Tatorten gefunden wurde.

Wie kann das sein? Der Neffe der Parkhauserbin Böhringer war zum Zeitpunkt der Entführung Ursula Herrmanns erst sechs Jahre alt - es ist also müßig, darüber zu spekulieren, ob er an beiden Fällen beteiligt war.

Wer aber dann? Kommt mit dem neuen genetischen Fingerabdruck ein ganz neuer Täter ins Spiel? Einer, der vor 26 Jahren an der Entführung eines Mädchens zur Lösegelderpressung und vor einem Jahr an der Tötung der reichen Witwe beteiligt war?

Diskutiert wird nun über eine weitere Möglichkeit: Dass die neuen Spuren des genetischen Fingerabdrucks, die in Charlotte Böhringers Wohnung in der Baader Straße gefunden wurden, von einem Beamten stammen, der in beiden Fällen ermittelt hat. Oder dass das Labor bei der Auswertung einen Fehler gemacht hat.

Windübertragung?

Darüber, wie solche Fehler zustande kommen könnten, wie Fingerspuren von Ermittlern möglicherweise in die Indizienkette gelangen, muss Oberstaatsanwalt Anton Winkler Auskunft geben - denn sowohl die Rechtsmedizin als auch die Polizei verweisen auf die Staatsanwaltschaft.

"Möglich ist auch, dass eine Windübertragung stattgefunden hat", sagt Winkler. Üblicherweise, so der Rechtssprecher, würden nämlich alle Laboranten und auch die Kriminalbeamten im Einsatz mit Handschuhen arbeiten. Sollte doch einmal ein Fehler passieren, wäre der Mitarbeiter über die DNA-Datenbank schnell ermittelt. Mittlerweile seien eigentlich alle erfasst - es könnte sich aber um einen neuen Mitarbeiter handeln, der aus Versehen eine falsche Spur gelegt habe, und noch nicht in die Datenbank aufgenommen wurde. Oder eben um Windübertragung, also die Kontamination über die Luft, wenn sich die Spuren im Labor oder am Tatort verbreiten. "So etwas gibt es, wenn auch selten", so Winkler.

Dass der Rechtsmedizin jetzt Schlamperei vorgeworfen werde, "hat mir schon ein bisschen weh getan", so Winkler. In aller Regel arbeite das Labor sehr genau. Pannen seien selten.

Ob Justizpanne, Ermittlungsfehler - oder tatsächlich die Spur zu einer Verbindung, und damit zu einem neuen Täter: Über die ganze Aufregung gerät einer glatt zur Nebensache: der angeklagte Neffe. Seine Anwälte sagen, die neue Spur stelle "alles in Frage, was die Staatsanwaltschaft an Indizien gegen unseren Mandanten gesammelt hat."

Der Prozess musste unterbrochen werden. Die Fortsetzung folgt am 14. Mai.

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