Süddeutsche Zeitung

Doppelausstellung:Auf den Alltag zielen

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Die Kunsthalle Nürnberg zeigt Werke von Cosima von Bonin und Claus Richter

Von Stefanie Schwetz, Nürnberg

Wenn ein Ding zum andern kommt, handelt es sich um ein Ereignis - eine Begebenheit, die den Singular in einen Plural verwandelt. Insofern ist auch die künstlerische Zusammenarbeit von Cosima von Bonin und Claus Richter ein Ereignis, das derzeit unter dem Titel "Thing 1 + Thing 2" in der Kunsthalle Nürnberg zu sehen ist. Cosima von Bonin ist bekannt als Kollaborateurin in Sachen Kunst. Die 1962 in Mombasa, Kenia, geborenen Künstlerin arbeitet mit Kollegen der bildenden Kunst genauso wie mit Musikern, bedient sich der unterschiedlichen handwerklichen Traditionen und Genres - Mode und Textilkunst oder Film und Raumgestaltung. Was daraus entsteht, sind Bildwerke, Objekte, Installationen und Musikalben. Der Begriff der eigenen Autorenschaft tritt dabei vollkommen in den Hintergrund.

Claus Richter, Jahrgang 1971, arbeitet als konzeptueller Bildhauer, kreiert Figuren, Skulpturen und raumgreifende Schauplätze, die wie Stillleben der Alltagskultur anmuten. Oder er inszeniert theatrale Auftritte für Bühne und Film. Dabei bewegen sich seine Arbeiten immer in einem Niemandsland zwischen Fantasie und Wirklichkeit. Richters Kunst ist wie ein großer Kindergeburtstag, bei dem es trotz allem Frohsinn auch immer Tränen gibt.

Ein von Cosima von Bonin geschaffenes überdimensioniertes Küken auf einer Rakete empfängt den Besucher neben der detailreichen Kulisse einer Rattenstraße von Claus Richter. Es folgen Figuren, die unter Schlaflosigkeit leiden, Büchertürme und Kuscheltiere, hochgewachsene Giftpilze im Camouflage-Gewand. Scheinbar banale und doch tiefgründige Alltäglichkeiten werden hier auf surreale Weise in Szene gesetzt und eröffnen einen Erfahrungsraum gelebter Gleichzeitigkeit - Spektakel und Kontemplation, Unterhaltungskultur und Poesie, Reizüberflutung, Konflikte und Erschöpfung. Damit liefert die Ausstellung "Thing 1 + Thing 2", deren Titel sich auf das 1957 in Amerika erschienene Kinderbuch "Spooky Things" von Dr. Seuss bezieht, eine Erzählung über das Wesen unserer Zeit.

Was die Arbeiten beider Künstler vereint, ist der konzentrierte Blick auf die Oberfläche der Dinge - ein Blick der unsere persönlichen, kulturellen und politischen Lebensräume röntgenhaft durchdringt und deren psychosoziale Beschaffenheit sichtbar werden lässt. Nach der Zusammenarbeit mit Richter für die Gemeinschaftsausstellung "Forever young. Über den Mythos der Jugend" anlässlich des 100. Geburtstags der Kunsthalle Nürnberg im Jahr 2013 entwickelte Kuratorin Harriet Zilch die Idee, Richters Werke mit denen von Cosima von Bonin in einem Ausstellungskosmos zu vereinen, ohne dass sie in diesem neuen Kontext ihre Eigenart verlieren. Es funktioniert: Die individuelle Handschrift der beiden bleibt bei der Zusammenführung ihrer wundersamen Kunstwelten durchaus sichtbar. Es ist das künstlerische Miteinander zweier Freunde, die eng zusammenarbeiten und sich in Köln ein Atelier teilen.

Thing 1 + Thing 2 , Kunsthalle Nürnberg, Museumsquartier, Lorenzer Straße 32; verlängert bis 26. Juli; Öffnungszeiten: Dienstag, Donnerstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr; Mittwoch, 10 bis 20 Uhr; Näheres zur Kunstvermittlung unter www.kunstkulturquartier.de/kunsthalle/

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SZ vom 30.06.2020
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