Das, was man von einer Orgel in der Kirche sieht, ist oft sehr beeindruckend. Opulent, monumental, verschlossen auch, man hört die Klänge, sieht aber oft nicht, wer sie erzeugt, wer da spielt. Wie, als würden sie aus dem Himmel auf die Erde herabtropfen. Diese Orgelprospekte dominieren bildnerisch den Film „Anton Bruckner – Im Reich der Töne“, den die zwei Münchner Filmemacherinnen Jenny Scherling und Vanessa Daly über ein monumentales Orgelprojekt gemacht haben: Der Münchner Organist Hansjörg Albrecht, der auch lange den Münchener Bach-Chor geleitet hat, hat alle elf Symphonien Anton Bruckners auf der Orgel eingespielt. Vor vier Jahren hat er damit begonnen, pünktlich zu Bruckners 200. Geburtstag in diesem Jahr ist er fertig geworden.
Und der Film führt erst einmal weg vom Transzendenten und ganz in die irdischen Details. Denn man muss schon ein Gehirn für so was haben: Es erfordert in mehreren Schichten gleichzeitig zu denken, um eine Partitur, geschrieben für ein groß besetztes Orchester, allein auf einer Orgel zu spielen. Technisch äußert sich das dann etwa in teils um die Tausend verschiedenen Einstellungen an der Orgel, die Albrecht vor der Aufnahme abspeichert, was der Film in einem nett zusammengeschnittenen Dialog zwischen Albrecht und seinem Tonmeister Martin Fischer zeigt.
„Ein epochales Projekt“, nennt es Star-Dirigent Christian Thielemann im Film, „das ergibt einen Sinn, ich bin ganz fassungslos, wie gut das ist“, sagt er über die entstandenen Aufnahmen. Solche Superlative helfen natürlich, auch wenn der Film eigentlich ausschließlich die Musik zeigt. Zeigt Albrecht an der Orgel, wie er einzelne Töne, einzelne Klänge erklärt. Lässt die Musikwissenschaftler ausgiebig zu Wort kommen, die die Transkriptionen aus den Orchesterpartituren erstellt haben. Lässt die vielen verschiedenen Orgeln von München bis Paris klingen, an denen Albrecht das eingespielt hat.
Und zwischen dem fetten Orchesterklang, den Bruckner oft aus allem schöpfend komponierte, mit dem der Film eröffnet, und dem Orgelklang, der das einsam einfängt, entsteht dann doch ein Gefühl für einen Menschen, der all diese vielen Töne verstehen will, ihnen eine Bedeutung geben will. Ein Blick hinter den Orgelprospekt und in das Denken eines Menschen, der diese Musik ergründen will. Und es doch nie ganz schafft, ihren Zauber ganz zu erklären. Am stärksten ist der Film so ganz am Ende, wenn Albrecht sein Bruckner-Projekt mit einer einsamen Gipfelbesteigung vergleicht: „Das, was man da oben erlebt hat, kann man in dieser Form mit niemandem teilen.“ So ganz nah kommt man ihm nicht, beeindruckend und mysteriös ist diese Musik dann aber irgendwie auch gerade deshalb.
Bruckner – Im Reich der Klänge, Sonntag, 22. September, 11 Uhr, Maxim Kino, Landshuter Allee 33