DJ Sir Hannes:Gierig nach Musik

Sir Hannes arbeitet seit 15 Jahren als DJ und hat die Lust am Auflegen nicht verloren. Wer ist der Mann, der da oben am DJ-Pult steht und die Kontrolle über die Tanzenden hat?

Ana Maria Michel

Zu Facination von La Roux wippt er leicht mit dem Kopf im Takt. Sein ernster Blick ist auf das DJ-Pult gerichtet, denn er muss sich konzentrieren. Während die anderen feiern. DJ Sir Hannes, der eigentlich Hannes Liebl heißt und in Hörlkofen bei Erding aufgewachsen ist, bestimmt an diesem Mittwoch, zu welcher Musik das Münchner Party-Publikum im Atomic Café tanzt.

Dass ein DJ einen harten Job hat, weiß in München keiner besser als Sir Hannes, denn er arbeitet seit 15 Jahren im Münchner Nachtleben und hat viel durchgemacht: Punk, Indie, Pop, Metal und jetzt gerade wieder Electro. Sein Herz schlägt seit Jahren aber ganz klar für Indie. Wegen seiner Vorliebe für Brit-Pop trägt er den englischen Adelstitel "Sir".

Sir Hannes ist über 1,90 Meter groß - als DJ muss er schließlich den Überblick über die Tanzfläche behalten können. Als er an diesem Nachmittag in den Trachtenvogl im Glockenbachviertel kommt, trägt er Jeans, eine neonblaue Jacke und darunter eine Trainingsjacke von seinem ehemaligen Fußballverein, dem SV Hörlkofen. "Fußball war meine zweite Liebe", sagt Sir Hannes nostalgisch.

Seine erste Liebe ist ganz klar die Musik. Mit dem Gitarren-Spiel hatte er kein Glück, weil seine Mutter ihn zur Rechtshändigkeit erzog, obwohl er Linkshänder war.

Sir Hannes wohnt im Glockenbachviertel, das er wegen seines "Berlin-Flairs" mag. Ab und zu geht er mit einem "Spezl" oder einem "Mädel" in den Trachtenvogl, aber am liebsten bleibt er zu Hause und sitzt vorm Computer, um neue Indie-Bands bei Myspace aufzustöbern. Als DJ muss er immer auf dem Laufenden sein.

Nach seiner Koch-Lehre ist Sir Hannes aus dem Dorf bei Erding, wo es ihm auf die Dauer zu eng wurde, nach München gezogen. Nach sechs Jahren musste er diesen Job wegen Wirbelsäulenproblemen allerdings aufgeben und machte eine Ausbildung zum Industriekaufmann, die ihn schließlich vor über 15 Jahren zu dem Plattenladen WOM führte, der damals in der Kaufingerstraße war.

Bei WOM hat auch seine DJ-Karriere angefangen: "Ich habe Kontakte mit der DJ-Szene knüpfen können und ein paar Spezls von mir haben mich dann als Geburtstags-DJ auflegen lassen", sagt er. Heute arbeitet Sir Hannes bei Saturn am Stachus und hört sich dort die neuesten Platten an, die ihn oft genug zum Kauf verführen. Mittlerweile hat er 8000 CDs. "Lange habe ich von Spaghetti mit Tomatensauce leben müssen, weil ich mein ganzes Geld für Musik ausgegeben habe", erzählt er und lacht.

"Das war eine richtige Katastrophe"

Der 45-Jährige streicht sich die Haare aus der Stirn, einzelne graue Strähnen sind zu sehen. "Vor fünf Jahren habe mich gefragt, wie lange ich das noch machen will, aber ich fühle mich seit 15 Jahren unverändert. Beim Auflegen habe ich immer noch diese Gier. Jeden Abend, wenn ich ins Atomic Café gehe, ist es für mich, als wäre es der erste Abend."

Mindestens bis zu seinem 50. Geburtstag will Sir Hannes weitermachen und dann wahrscheinlich nochmal fünf Jahre länger. Nicht mehr regelmäßig auflegen zu können, stellt er sich schwierig vor, deshalb will er später eine kleine Kneipe suchen, um dort weiterhin auflegen zu können.

Sir Hannes erinnert sich an seine Anfangszeit als DJ. Sein erster bezahlter Job war im Mill im Kunstpark am Ostbahnhof. "Das war eine richtige Katastrophe: Der Laden war brechend voll und es war so heiß, dass es von der Decke getrieft hat. Trotz allem hat es den Leuten gefallen." Seit diesem Abend hat er jeden Samstag im Mill aufgelegt.

Das Atomic Café bezeichnet Sir Hannes als seine "große Bühne". Dort legt er bei verschiedenen Formaten - zum Beispiel beim Britwoch - regelmäßig auf. Auch privat zieht es ihn häufig in diesen Club, der für ihn ein Schmelztiegel aus keativen Leuten ist, die Mode-Trends entdecken: "Mit den Leggins war das so - die habe ich zum ersten Mal dort gesehen." Das inflationäre Auftreten von Stirnbändern als Mode-Accessoire sieht er allerdings kritisch.

Berufsgeheimnisse will er zwar nicht verraten, aber er sagt: "Wenn die Grundstimmung passt, kannst du alles spielen. Als DJ geht es nicht nur darum, Hits aufzulegen. Es kommt auf deine Inspiration und dein Feeling an. Wenn beides stimmt, wird es ein toller Abend."

Ein Promi wie DJ Hell ist er nicht, aber manchmal wird er auf der Straße erkannt und sieht die Leute über ihn tuscheln. Das macht ihn stolz. Selbst nach 15 Jahren merkt man Sir Hannes an, dass ihm der DJ-Job Spaß macht. Er wirkt wie ein Jugendlicher, wenn er mit Begeisterung über seine Liebe zur Musik und über die Szene in München spricht.

Es ist die eigene Persönlichkeit und die Philosophie, die für Sir Hannes einen guten DJ ausmachen. Ein DJ sollte nicht nur die Single von einer CD spielen, sondern das Lied, das ihm am besten gefällt. Die Frage nach seinen drei Lieblingssongs kann Sir Hannes aber nur mit Mühe beantworten. Er schaut in der Playlist auf seinem iPod nach und findet One Life Stand von Hot Chip, 1999 von den Shout out Louds und Shiny Boots von der deutschen Bands Situation Leclerq. Diese Songs hört er zur Zeit am liebsten.

Sir Hannes würde nie nach Berlin ziehen und ist noch heute von München begeistert: "Ich muss hier nicht ständig Angst haben, dass jemand in meine Wohnung einbricht und meine Kinderchen klaut", sagt er. Mit den Kinderchen meint er seine CDs.

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