DJ-Duo "Kill the Tills":Neue Helden der Nacht

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Wenn DJs die wahren Rockstars sind: Der Hype um das junge Münchner Duo "Kill the Tills" zeigt, dass sich die Ausgehkultur verändert hat.

Laura Höss, SZ-Jugendseite

Zwei junge Münchner, die die Szene in den letzten Jahren aufgemischt haben wie kaum jemand sonst. Deren Partys legendär sind. Die zwischen den Städten Europas pendeln, als lägen diese im Ringgebiet des Münchner Verkehrsverbunds. Und beide gerade einmal um die zwanzig Jahre alt - klingt nach urbanem Mythos. Klingt nach genügend Gründen, sich gehörig etwas auf seine Person einbilden zu können.

Was ist das Besondere an Kill the Tills? Ganz einfach: Die DJs haben das Nachtleben der Stadt verändert. (Foto: August Castell-Castell)

Im Gegenteil. Die Brüder Milen und Amédée Till sind sogar dann noch charmant, wenn sie eine achtstündige Zugfahrt und mehrere Tage Schlafentzug in Paris hinter sich haben. Zwei kreative Tausendsassas, DJs und Veranstalter, die das Münchner Nachtleben zuletzt maßgeblich mitgeprägt haben. Die allein mit ihrem Namen "Kill the Tills" einen Club füllen können.

Wenn sie auflegen, könnte man das nur grob unter Elektro einordnen. Denn ihre Sets variieren von Veranstaltung zu Veranstaltung. Mal geht es mehr in Richtung House, ein anderes Mal in die Richtung Disco - und dann wieder etwas reduzierter, minimaler. Aber woher dieser Hype? Was ist das Besondere an Kill the Tills? An diesen zwei Jungs, deren Name zum Synonym für außergewöhnliche Partys in München geworden ist? Deren Veranstaltungen stets brechend voll sind? Die Fans haben, die sich selbst Kill-the-Tills-T-Shirts gestalten und zu jedem DJ-Set kommen?

"Die Leute kommen, weil sie wissen, es ist eine gute Party", lautet Amédées simple Antwort darauf. Er ist der jüngere, impulsivere der beiden. Jemand, der schon mal die Musik mitten im Lied abdreht, um allen einen Schnaps zu spendieren. Ein schöner Junge mit dunklen Augen, das Objekt der Begierde der T-Shirt-Mädchen.

"Sie kommen wegen der Party, und weil die Leute erkennen, dass ein kreatives Konzept dahintersteht. Dass sich jemand etwas dabei gedacht hat", ergänzt Milen. Er ist Mitte zwanzig und derjenige, der sich am meisten Gedanken um das Konzept macht. Während sich Amédée gerne vom Moment leiten lässt, weiß Milen sehr genau, was er von gelungenen Veranstaltungen erwartet.

Ein in sich stimmiges, durchdachtes Konzept soll es sein, das musikalische, künstlerische und visuelle Elemente ebenso miteinbezieht wie das Publikum, das den Abend durch seine Anwesenheit prägt. Trifft dieses Konzept auf interessierte Menschen, die sich nicht nur passiv zum Zeitvertreib bespaßen lassen wollen, entsteht im besten Fall etwas Einzigartiges, etwas, das in Erinnerung bleibt. Etwas, das die beiden in München nicht fanden.

So fingen sie 2008 an, diese Art von konzeptionellen Veranstaltungen selbst zu organisieren. Sie wollten die Münchner Weggehkultur verändern, sie um das bereichern, was ihnen fehlte. Und sie trafen offensichtlich einen Nerv: Das hat die Begeisterung gezeigt - und diese Euphorie wird mit ihren Namen verknüpft, weshalb Kill the Tills gewissermaßen zu einem popkulturellen Phänomen der Münchner Club- und Kreativszene geworden sind.

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Ein Phänomen, das die Formen der Ausgehkultur verändert hat. Früher wurden Veranstalter oder DJs zumeist nur als Namen auf Flyern wahrgenommen, man entschied stets nach dem Ort. War der Club gut, musste auch die Veranstaltung gut werden, so die Faustformel. Doch jetzt geht es mehr um die einzelnen Personen, die den Abend gestalten: der DJ, der Visual Artist, der Kurator - ein Faktor, der zur Popularität dieser Menschen beiträgt.

Sind DJs also die neuen Rockstars? Dieser Schluss wäre naheliegend, vor allem wenn man Phänomene wie Kill the Tills oder auch andere betrachtet. "Die Wertschätzung des Publikums den Künstlern gegenüber hat sich auf jeden Fall geändert", darin sind sich Milen und Amédée einig. Aber Hysterie nur aufgrund von einer Person? Das ist vielleicht höchstens bei internationalen Acts wie Boyze Noize oder SebastiAN der Fall.

Aber dennoch wird Nachtleben mittlerweile anders wahrgenommen. Das auch dank Leuten wie Kill the Tills, die Nachtleben eben nicht nur als hohlen Hedonismus, sondern als ernstzunehmendes Element einer urbanen Kultur interpretieren und mit neuen kreativen Formen eines "Kunst-Nightlife-Mashups" maßgeblich zu dessen Etablierung beitragen. Also eine Kombination von Kunst und Party.

Ein Beispiel für ihre Veranstaltungen ist die Lesungsreihe "Nachts, wenn der Autor kommt". Zuletzt gestalteten sie dafür mit hunderten von Tennisbällen in der Blumenbar ein Environment, das den Anlass des Abends aufgriff. Zu Gast war Tom Kummer, der berüchtigte Plagiat-Journalist, der in den vergangenen Jahren etablierte Zeitungen und Magazine mit gefälschten Interviews hinters Licht geführt hatte und nun als Tennislehrer in Kalifornien lebt. Die Veranstaltung war als eine Kombination aus Lesung und Clubabend geplant, aber was dann letztlich entstand, war eine Art interaktives Happening zwischen Autor und Publikum.

So viel positive Aufmerksamkeit hatte Kummer schon lange nicht mehr bekommen. Wie zu erwarten, war es voll gewesen, sind doch Veranstaltungen der Tills zumeist ohnehin ein Selbstläufer. Während des Abends nutzen Autor und Publikum dann die Tennisball-Deko, beschrifteten sie mit seinen Texten und spielten sich im wahrsten Sinne des Wortes die Bälle zu. Was daraus entstand, war eine Kombination aus Party und Literatur, der Autor mittendrin - wieder einmal einer dieser legendären Kill the Tills-Abende mit Milen und Amédée.

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© SZ vom 25.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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