Diskussion um eine City-Maut für München:Autogerecht - oder gerechte Auto-Gebühren?

SZ-Leser fragen sich, wie Menschen auf Fahrten mit dem eigenen Kfz in die Innenstadt verzichten und den ÖPNV stärker nutzen könnten

Diskussion um eine City-Maut für München: Mit dem Auto in die Münchner Innenstadt, bis nichts mehr geht - oder eine City-Maut erhoben wird? Ein Thema für emotionale Diskussionen.

Mit dem Auto in die Münchner Innenstadt, bis nichts mehr geht - oder eine City-Maut erhoben wird? Ein Thema für emotionale Diskussionen.

(Foto: Stephan Rumpf)

"Sechs Euro pro Tag für jeden" und Kommentar "Der falsche Weg", 15. September:

Geht's noch komplizierter?

Der Autor Max Hägler bemüht wieder einmal die gerne genommene ältere Dame aus dem Glockenbachviertel mit kleiner Rente und eingestaubtem Kleinwagen, die im Nachteil zum Großverdiener mit dem Elektro-SUV gleiche Beträge für die City-Maut zahlen soll. Was daran ungerecht sein soll, bleibt in seinen Einlassungen verborgen. Man soll also je nach Einkommen und Kfz-Steuer gestaffelt zahlen. Das hört sich doch sehr gut an, wo der technische Fortschritt solche Zahlsysteme doch möglich macht. Mit einer App leicht zu lenken.

Geht's vielleicht noch komplizierter?

Es ist erschreckend für mich, so etwas zu lesen und die Betonhaftigkeit der Autofans zur Kenntnis zu nehmen. Der gesamte öffentliche Raum in München ist zugestellt von Blechhaufen auf Rädern, und das Ganze zum Nachteil der Kommune und zum Discountniedrigpreis.

Sinnvoll und unkompliziert wäre eine sofortige Preiserhöhung der Anwohnerparkplaketten und der Parkgebühren an den Parkuhren um das Zehnfache. Dann brauchen wir auch keine Apps und Bescheinigungen des Finanzamtes. Vielleicht würde dann auch die ältere Dame aus dem Glockenbachviertel zu der Erkenntnis kommen, dass ein Auto an ihrem Wohnort Unsinn ist und der SUV-Fahrer überlegen, ob er wirklich ins Zentrum muss.

Außerdem sollten das pausenlos gegen die Gesetze verstoßende Parken auf Radwegen und in zweiter Reihe sowie das Blockieren von Einfahrten durch Lieferdienste wie DHL, Hermes und Konsorten endlich strikt sanktioniert werden. Dann wird es den Geschäften in der Innenstadt wahrscheinlich auch wieder besser gehen. Ulrich Gleibs, München

City-Maut mit Erstattungen

Natürlich hat Herr Hägler vollkommen Recht, eine Anti-Stau-Gebühr, bei der alle Autofahrer, die innerhalb des Mittleren Rings fahren wollen, einen gleichen Betrag entrichten müssen, wäre sozial ungerecht. Sechs Euro täglich merkt ein Gutverdienender kaum oder gar nicht, finanziell Schwache aber umso mehr. Deswegen aber auf ein so machtvolles Instrument wie die City-Maut zu verzichten, wäre jedoch ein Irrsinn.

Natürlich ist alles immer für Gutverdiener eher erschwinglich - angefangen bei Tickets für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), für ein Mietfahrrad, aber auch bei Konzertkarten, Lebensmitteln, Restaurantbesuchen. Nur in den seltensten Fällen gibt es konkrete Ausnahmen für Wenigverdiener. Müssten Reiche für alles mehr bezahlen, wären sie ja auch nicht mehr reich.

Ihren Sinn für Gerechtigkeit in allen Ehren, Herr Hägler, doch nun diese Gebühr deswegen nicht einzuführen, wäre ein Fehler. Vielmehr müssen einfache Erstattungen für Leute, die es wirklich notwendig haben, ermöglicht werden. Dazu gibt es bereits gute Vorschläge. So kann und muss es funktionieren. Thomas Egger, München

Klare Zufahrtsregeln

Es ist erstaunlich, dass Deutsche häufig dazu neigen, einfache Sachverhalte möglichst kompliziert zu regeln, am besten mit oft inhaltlich fraglichen akademisch-technokratischen Begründungen. Die von namhaften Verfassern ins Spiel gebrachte "Anti-Stau-Gebühr" begünstigt nur finanziell sehr gut gestellte Personen, die eine Tagesgebühr von sechs Euro mit links aus der Portokasse bezahlen können. Im Prinzip haben Privatfahrzeuge nichts innerhalb des Altstadtrings verloren. Die zahlreichen öffentlichen Verkehrsmittel können gut genutzt werden, wenn nicht - wie zur Zeit - überall Baustellen hinderlich sind. Und dass Einzelhandel, Praxen nicht oder weniger frequentiert werden, wenn Privatfahrzeuge nicht direkt davor parken können, ist eine unbewiesene Behauptung.

Deshalb folgender Vorschlag: Kostenfreies Fahren innerhalb des Altstadtrings für Bewohner mit Erstwohnsitz, Taxen, Hotelgäste, sowie Personen mit einem Tiefgaragenstellplatz oder firmeneigenen Parkplatz auf dem Grundstück. Hotelgäste erhalten anlässlich der Hotelbuchung eine Innenstadtfahrberechtigung (vergleichbar einer Kurkarte) und Handwerker mit Nachweis einer Baustelle in diesem Sprengel sowie Lieferfahrzeuge. Ich wage folgende Prognose: 50 Prozent weniger lästiger Verkehr in der Innenstadt, und das alles sozialverträglich, ohne komplizierte Regelung. Ein ganzjähriges Wapperl erhalten die vorgenannten Bewohner, Taxen, Lieferfahrzeuge und Personen mit eigenem Parkplatz. Bei befristeter Berechtigung steht halt ein Datum von...bis... drauf. Kontrolliert wird die Berechtigung an Zufahrtsstraßen. Bernd Broßmann, Neubiberg

Schluss mit der Gratismentalität

Ja klar brauchen wir eine Straßennutzungsgebühr, und vermutlich nicht nur innerhalb des Mittleren Rings. Diese sollte (tages-)zeitabhängig sein und Ort und Verkehrsaufkommen berücksichtigen und, ja, selbstverständlich auch die Größe und Umweltschädlichkeit (Emissionen) des Autos berücksichtigen.

Die ewigen Diskussionen und Abwehrgefechte gegen eine Nutzungsgebühr sind nun schon so alt wie das Jahrtausend. Aber statt immer nur zu reden und Studien in Auftrag zu geben, sollte die Stadt den Mut haben, endlich anzufangen etwas zu unternehmen! Dass dies alles nicht von heute auf morgen geht, ist klar, aber dass es sowohl technisch als auch rechtlich lösbar ist, zeigen genug Beispiele im Ausland. Wie weit ist eigentlich die vom Gemeindetag 2019 angedachte Straßennutzungsgebühr für Alle?

Warum es nicht möglich sein soll, dass überhaupt Gebühren von der Stadt verlangt werden dürfen (schließlich darf sie ja auch Parkgebühren verlangen), leuchtet mir ebenso wenig ein wie die Argumente die Wirtschaft, innerhalb des Mittleren Rings würde alles zusammenbrechen. Da aber wohl die Realisierung entsprechend "gerechter" Gebühren noch einige Zeit dauern wird, könnte die Stadt ja die einheitliche Einführung von Tempo 30 innerhalb des Mittleren Rings und eine Erhöhung der Parklizenzgebühren umsetzen. Vielleicht wäre vorübergehend auch die Verknüpfung eines gültigen MVG-Tickets (Tages-, Wochen-, Monatskarte) mit der Einfahrtsberechtigung in die Innenstadt ein Ansatz und Denkanstoß für Autofahrer, doch gleich den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen, weil dies unter Umständen schneller geht. Vorausgesetzt natürlich, dass ausreichende Park-and-Ride-Plätze an entsprechenden Orten vorhanden wären (etwa an den in die Stadt führenden Autobahnen).

Also bitte, liebe Verantwortliche und Volksvertreter, machen Sie endlich etwas. Das Pochen auf Freiwilligkeit und Gratismentalität haben uns den Schlamassel eingebrockt, den wir Bewohner des Innenstadtbereichs und unsere Kinder ausbaden müssen. Manfred Mayr, München

Innenstadt ganz sperren

Den Verkehrsinfarkten in der Innenstadt durch pauschale Eintrittspreise vorzubeugen, ist natürlich keine gute Idee, es wäre ein Geschenk für Reiche, die dann mit ihren Panzern freie Bahn hätten. Vielleicht sollte man die Innenstadt für den privaten motorisierten Verkehr ganz sperren und den öffentlichen Verkehr deutlich ausbauen, das wäre einfach und billig. Aber das will natürlich die Wirtschaft und damit auch das Ifo-Institut nicht. Friedhelm Buchenhorst, Grafing

Hinweis

Leserbriefe stellen keine redaktionelle Meinungsäußerung dar, dürfen gekürzt und digital veröffentlicht werden unter Angabe von Name und Wohnort. Briefe ohne Nennung des vollen Namens werden nicht veröffentlicht. Bitte geben Sie für Rückfragen Ihre Adresse und Telefonnummer an. Das Leserforum des SZ-Ressorts "München-Region-Bayern" erreichen Sie per E-Mail unter forum-region@sueddeutsche.de, per Fax unter 089/2183-8295 oder postalisch unter: Süddeutsche Zeitung, Leserforum Region, Hultschiner Straße 8, 81677 München.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: