Wenn Sabine Mayerhofer die Freundin ihrer Tochter sieht, fühlt sie sich jedes Mal etwas hilflos. Nicht, weil sie ein Problem mit der lesbischen Beziehung hätte, und auch nicht, weil sie die Partnerin nicht mögen würde. Es sind vielmehr die ablehnenden, ja abschätzigen Blicke, die die junge Frau mit den kurzen Haaren, den vielen Piercings und Tätowierungen auf sich zieht. Es sind die Lästereien, die Schimpfworte über Frauen, denen man ihre sexuelle Orientierung sofort ansieht. In solchen Momenten werde ihr immer wieder klar, dass ihre Tochter einer Gruppe Menschen angehört, die zumindest von Diskriminierung bedroht sei, sagt Mayerhofer.
Seit drei Jahren besucht sie regelmäßig die Gruppe für Eltern von lesbischen Töchtern und schwulen Söhnen, die von der Lesbenberatungsstelle Letra und dem Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum Sub veranstaltet wird. Jeden Monat treffen sich Väter und Mütter im Glockenbachviertel.
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Es ist ein harter Kern, der zu jeder Veranstaltung kommt, und immer mal wieder finden sich neue Teilnehmer ein. Sie sprechen über ihre Sorgen, beraten sich gegenseitig und klären, wie sie sich selbst schützen - vor mitleidigen Blicken, ausweichenden Fragen der Freunde, der Ignoranz des Umfelds. Ein Coming-out stellt nicht nur das Leben der Lesbe oder des Schwulen auf den Kopf, sondern bringt oft die komplette Familie durcheinander.
Die Eltern finden sich in einem verzwickten Spannungsfeld wieder: In den Vorabendserien, im Kino, in den Medien sehen sie immer wieder lesbische und schwule Pärchen. Politiker sprechen von Gleichberechtigung, nehmen gar das Wort "schwullesbisch" in den Mund. "Im Privaten aber merkt man weiterhin, dass unsere Welt auf Heterosexualität ausgelegt ist", sagt Miriam Vath, Sozialpädagogin bei Letra.
Eltern mit schwulen Söhnen, lesbischen Töchtern oder transsexuellen Kindern wollen sich hip und tolerant geben, sind gleichzeitig aber oft isoliert. In ihrem Freundeskreis gibt es niemanden, der in einer ähnlichen Situation ist. Die anderen reden über Hochzeiten, über Enkel oder die böse Schwiegertochter. Sie selbst fühlen sich außen vor und genau wie ihre Kinder einer Minderheitengruppe zugehörig.
Das Gefühl bleibt, auch wenn die Gesellschaft sich langsam wandelt. Klaus Müller, der nach eigenen Angaben Ende 60 ist, aber viel jünger wirkt, kennt das zu gut. Er war schon Mitglied der ersten Elterngruppe, die sich vor ein paar Jahren aufgelöst hatte. Und er engagierte sich aktiv für die Neugründung der zweiten. "Am Anfang dachte ich, jetzt ist meine Familie zu Ende", erinnert er sich an das Coming-out seiner Tochter. Er habe damals im Glockenbachviertel gearbeitet, Schwule und Lesben stets gesehen. "Ich kannte das, aber dann irgendwie doch nicht", sagt er. Seitdem ist viel Zeit vergangen, heute versteht er sich besser denn je mit der Tochter.
Es geht um Ausgrenzung, Sorge und die Frage nach dem eigenen Platz
Persönlich hat er seinen Weg gefunden, die Selbsthilfegruppe bezeichnet er als seinen Fixpunkt. Doch er sagt auch: "Die Themen sind die gleichen geblieben." Das sieht man alleine daran, dass die Teilnehmer der Selbsthilfegruppe ihre echten Namen nicht in der Zeitung lesen wollen. Kürzlich haben sich die Münchner Eltern mit Vätern und Müttern aus Kiew getroffen. Sie leben in einem anderen politischen System, sind in der Ukraine anderen Problemen ausgesetzt. "Doch in Bezug auf ihre Kinder fühlen sie genauso wie wir", sagt Mayerhofer. Immer geht es um Ausgrenzung, Sorge und die Frage nach dem eigenen Platz in der Beziehung zum Kind.
Maria Schmidt, 52 Jahre alt, bringt ihre Situation auf den Punkt: "Ein Stück weit begräbt man eigene Träume." Vor zwei Jahren erklärte ihr erwachsener Sohn ihr, dass er schwul sei. Mittlerweile lebe er in einer festen Partnerschaft, er sei glücklich - und sie ja eigentlich auch. Dass seine Mutter sich einer Selbsthilfegruppe angeschlossen hat, weiß der Sohn aber nicht. "Ich renne seiner Entwicklung immer ein wenig hinterher", sagt Schmidt. In ihrem Bekanntenkreis fühlt sie sich manchmal isoliert. "Hier in der Gruppe weiß ich, dass wir die gleiche Sprache sprechen", sagt Schmidt.
Das empfindet auch Myra Kühnel so. Wenn sie von ihrem Kind erzählt, benutzt sie wechselweise die Worte Sohn oder Tochter. Transsexuell sei ihre Tochter, sagt sie. Zunächst ein Schock für Kühnel: Warum gerade soll mein Kind im falschen Körper geboren sein? "Anfangs wollte ich, dass alles so bleibt, wie es ist", sagt sie. Doch das tat es nicht. Und mit der Akzeptanz kamen die schönen Erlebnisse. Etwa, als der Opa alles erfahren sollte. Richtig Angst habe man vor dessen Reaktion gehabt. Doch der Rentner reagierte cool: "Er war erleichtert, dass es nur um Transsexualität ging." Denn nach all den verschwurbelten Ankündigungen war er zunächst davon ausgegangen, der Enkel sei unheilbar krank.
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Das nächste Treffen der Elterngruppe beginnt am Dienstag, 13. Dezember, um 18.30 Uhr. Nähere Informationen per E-Mail an info@letra.de oder telefonisch unter 089/725 42 72. Der Eintritt ist frei.