Süddeutsche Zeitung

Diskotheken gegen Gema-Pläne:Über Gebühr verärgert

Die Gema will mehr Geld von den Clubbetreibern, doch diese rebellieren. Aus Protest gegen die neue Gebührenstruktur drehen mehrere Münchner Clubs in der Nacht zum Sonntag nun die Musik ab - und hoffen auf Hilfe aus der Politik.

Beate Wild

Die Wut der Münchner Clubbesitzer ist groß. Es geht schließlich um ihre Existenz, wie sie sagen. In der Nacht von Samstag auf Sonntag wollen sie in ihren Läden deshalb die Musik abdrehen. Um exakt 1.55 Uhr*. Nur für fünf Minuten, aber lange genug, dass die Gäste merken, wie traurig ein Club ohne Musik überhaupt wäre. "Es ist ein Hilfeschrei", sagt Christoph Hanke vom Szene-Club Bob Beaman. Ein Hilferuf, um auf ein Problem aufmerksam zu machen, das gerade auf sämtliche Clubbesitzer und Partyveranstalter der Republik zukommt: die neue Gebührenordnung der Gema.

"Wir sind schockiert, manche Clubs sollen plötzlich bis zu 1800 Prozent mehr zahlen", sagt Hanke. Und Alexander Wolfrum vom Verein Münchner Kulturveranstalter (VdKM) erklärt: "Die künftige Forderung der Gema übersteigt den Jahresgewinn vieler kleiner Clubs." Die neuen Gebühren bedeuteten das Aus für viele Lokale, ein Diskothekensterben sei zu befürchten. Deshalb machen viele Münchner Innenstadt-Discos bei der bundesweiten Protestaktion mit. Neben dem Bobbeaman drehen die Clubs Harry Klein, Rote Sonne, Herr Hotter, Neuraum, Nachtgalerie, Café am Hochhaus, Pacha und Max & Moritz die Musik aus.

Bisher verlangt die Gema von den Betreibern einen Pauschalbetrag. Künftig werden die Abgaben aus drei Faktoren errechnet: Fläche in Quadratmetern, Öffnungszeiten und Eintrittspreise. Was herauskommt ist laut Wolfrum ein "utopischer Preis", bei dem die Gema jedes Augenmaß verloren habe. "Wir bekennen uns zum Urheberrecht. Künstler sind unsere Partner, die wir angemessen beteiligen wollen", betont Wolfrum. Doch wenn ein Disco-Besitzer statt 20.000 plötzlich 200.000 Euro im Jahr bezahlen solle, stehe das nicht mehr im Verhältnis.

Die Gema indes sieht sich im Recht. Ja, es könne mit den neuen Tarifen für manche Clubs zu einer zehnfachen Gebührenerhöhung kommen, das seien aber eher Einzelfälle. "Es gibt genügend Beispiele, wie etwa Studentenpartys oder Schützenfeste, die künftig weniger zahlen als bisher", sagt Gema-Pressesprecherin Gaby Schilcher, und rechnet vor, dass bei einer Party mit einer Veranstaltungsfläche von 300 Quadratmetern und drei Euro Eintritt bisher 192,80 Euro bezahlt werden müssen, künftig nur noch 90 Euro.

"Wir haben bisher niemanden gefunden, bei dem es billiger wird", sagt Dierk Beyer, Chef der Discos Neuraum und Nachtgalerie. Die Rechenbeispiele der Gema entsprächen nicht der Realität, sagt er. Die Gema hält dagegen: "Wir sind doch nicht für das Konzept der Clubs verantwortlich. Wer nicht richtig wirtschaftet, wird sowieso nicht überleben", sagt Schilcher. Schließlich sei es doch völlig ungerecht, dass Türsteher bisweilen mehr verdienten als ein Songschreiber.

Völlig überraschend bekommen die Clubbetreiber in dem Streit Unterstützung von Familienministerin Kristina Schröder (CDU). "Die Einnahmeverluste durch illegale Kopien dürfen nicht zulasten von bezahlbaren Freizeitangeboten für Jugendliche wettgemacht werden", sagte sie in einem Interview. Auch in Berlin werden die dortigen Clubbetreiber vom Senat unterstützt.

"Wäre wirklich toll, wenn wir in diesem absurden Tarifstreit auch vom Münchner Stadtrat und vom Oberbürgermeister Beistand bekämen", sagt Wolfrum. "Herrn Ude liegt doch die Kultur sehr am Herzen, seine Hilfe könnten wir jetzt hier dringend brauchen."

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* Die Münchner Clubs drehen erst um 1.55 Uhr die Musik ab, nicht wie vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) bundesweit um 23.55 Uhr initiiert. Grund: Um Mitternacht sind noch nicht so viele Gäste im Club und man möchte mit der Aktion ja möglichst viele Menschen erreichen.

Ergänzung (29. Juni 2012, 12 Uhr):

Schmid unterstützt Clubs im Gema-Streit

Im Streit mit der Gema um eine Erhöhung der Gebühren bekommen die Münchner Clubbesitzer Unterstützung von CSU-Fraktionschef Josef Schmid. Dieser reichte am Freitag einen Antrag im Rathaus ein, in dem er den Stadtrat und Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) auffordert, sich gegen die Neuregelungen der Gema stark zu machen. Ziel sei, die Abgaben auf ein vertretbares Maß zu reduzieren, da die Clubs sonst in ihrer Existenz bedroht seien.

"Die Kulturstadt München, deren Charme auch das Nachtleben und diese Clubszene ausmacht, muss sich dafür einsetzen, dass diese Clublandschaft erhalten bleibt", so Schmid.

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SZ vom 29.06.2012/wib
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