Süddeutsche Zeitung

Discounter:Aldi-Mitarbeiter sollen Arbeitskleidung vom Designer bekommen

Bevor Münchner Modeschüler die neuen Kleidungsstücke entwerfen, machen sie erst einmal Praktika bei Aldi. Dazu gehört Regaleinräumen - und am Ende die Erkenntnis, dass gutes Design alleine nicht reicht.

Von Franziska Gerlach

Als Isabella Heinz neulich zum Praktikum in einer Aldi-Filiale in Karlsfeld war, hat sie die Regale mit Ware bestückt, die Gefriertruhen eingeräumt. Und einmal durfte sie sogar kurz an die Kasse. Nur die Bananenkisten, die konnte sie ohne Hilfe eines Mitarbeiters nicht von A nach B tragen. Nicht ein einziges Mal in den drei Tagen. Das sei eine richtig anstrengende Arbeit, sagt die Studentin der Akademie Mode & Design (AMD). "Da muss auch die Kleidung einiges können."

Aldi Süd hat die Münchner Modeschule zur Zusammenarbeit gebeten, für beide ist es die erste Kooperation dieser Art. Gerade erst hat das Unternehmen die Einrichtungen seiner Filialen überarbeitet, und nun sollen Isabella Heinz und 21 weitere Modedesignstudenten des dritten Semesters auch gleich noch neue Arbeitskleidung für die Mitarbeiter entwerfen - und zwar so, dass sich Filialleiter, Verkäufer und Azubis optisch voneinander unterscheiden. Als professionelle Unterstützung hat man Thomas Rath dazu geholt, einen Damenmodedesigner aus Düsseldorf, der über seine Tätigkeit als Juror bei "Germany's Next Topmodel" einige Bekanntheit erlangt hat und nun auch die Münchner Modestudentinnen coacht. An diesem Tag ist er nach München gekommen, um die ersten Entwürfe zu begutachten.

Verständlich, dass da so mancher die Düse geht. Elisa Deutschmann und Raphaela Dürr sind gleich als zweite Gruppe dran, noch einmal tief durchatmen, dann setzen sie sich zu Rath an den Tisch, klappen die Mappe auf - und stellen sich dem Blick des Profis.

Für die Studenten sei es eine gewichtige Angelegenheit, für einen so großen Kunden zu arbeiten, glaubt Dozentin Shirin Seyed, die an diesem Nachmittag neben dem Düsseldorfer Designer Platz genommen hat. So können sie lernen, wie man die Wünsche eines Kunden umsetzt.

Wer ein Modestudium beginnt, meine ja oft, die Welt habe nur auf seine Kreativität gewartet. Grundsätzlich werde den Studenten freie Hand gelassen, nur einige Materialien fielen per se aus. Hanf zum Beispiel, der sei zu teuer. Und Kork, wie ihn sich zwei Studentinnen einbilden? Ach, warum nicht. "Aldi wollte uns, damit wir verrückte Ideen einbringen. Und dazu gehören eben auch Korkknöpfe."

Die Farben stehen dagegen schon fest. Mit dunkelblau und hellblau sollen die Studenten arbeiten, außerdem mit Anthrazit und einem Ton, der an Wüstensand erinnert, damit das Ganze auch gut zu den Holz-Elementen der neuen Einrichtung passt. Farbakzente gefällig? Dafür gibt es ein frisches Limonengrün.

Dass die Kleidung in erster Linie funktionieren muss, haben die Studenten am eigenen Leib im Praktikum erfahren. "Die Mitarbeiter müssen sich darin bewegen können, die Kleidung muss robust sein und atmungsaktiv, eben weil man so viele schwere Sachen schleppt", sagt Isabella Heinz. Für die weiblichen Mitarbeiter hat sie sich eine leicht taillierte Bluse ausgedacht, mit großen Taschen aus Denim. Denn Jeansstoff sei nicht nur widerstandsfähig, damit könne sich Aldi optisch auch von anderen Discountern abheben.

Bevor nun aber die Gerüchteküche hochkocht, demnächst gingen die Angestellten bei Aldi Süd von Kopf bis Fuß in Denim, sollte erwähnt werden: Ein einheitliches Outfit für ein Unternehmen in dieser Größe entsteht nicht über Nacht, und da braucht es nicht nur pfiffige Ideen, sondern auch mehrere Abstimmungsrunden.

Immerhin werden eines Tages rund 35 000 Mitarbeiter die von den Münchner Studenten entworfenen Klamotten tragen, in Filialen in Baden-Württemberg und Bayern, im Saarland und in Rheinland-Pfalz sowie in Teilen von Hessen und Nordrhein-Westfalen. Und natürlich ist Isabella Heinz nur eine von 22 Studenten, die sich Gedanken über ein mögliches Design gemacht hat. Bis die Supermarktmitarbeiter im kommenden Frühjahr aus den drei besten Entwürfen per SMS ihren Favoriten wählen, wird also noch kräftig aussortiert. Und an Details gefeilt.

An Einfällen mangelt es jedenfalls nicht. Eine Studentin hat sich bei ihrem Entwurf von der Kleidung eines Imkers inspirieren lassen, die Oberteile sind wie der Anzug eines Bienenzüchters in der Taille gerafft. Dann wiederum diente die Uniform eines Offiziers als Vorlage für eine Jacke. Erlaubt ist offenbar, was gefällt. Zumindest in dieser frühen Phase. Doch Glamour und Glitzer sind zwischen Supermarktregalen natürlich fehl am Platze, mit Volants und Rüschen bleibt man nur hängen, experimentelle Eskapaden sollten sich die Jungdesigner also besser verkneifen. Während Elisa Deutschmann und Raphaela Dürr viel Lob bekommen für den T-Shirt-Print, den sie aus dem Aldi-Logo entwickelt haben, müssen andere Kritik einstecken. Große Taschen aus Denim ergäben keinen Sinn, findet Designer Rath. Er empfiehlt Isabella Heinz deshalb, den unelastischen Jeansstoff nur für Hemdkragen oder Ärmeleinsätze zu verwenden. "Ich würde die Elastizität nicht verschenken, weil Elastizität ist Bequemlichkeit."

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Quelle:
SZ vom 15.11.2017
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