Wenn an Dirk Heißerer eines sofort auffällt, dann seine Begeisterung. Wenn jemand mit Emphase über seine Lieblingsthemen sprechen und andere mitreißen kann, dann dieser Münchner Literaturwissenschaftler und Autor. Da er seit vielen Jahren Vorsitzender des Thomas-Mann-Forums München ist, verbindet man seine rege Tätigkeit vor allem mit dem Nobelpreisträger, der in diesem Jahr 150 Jahre alt geworden wäre. Doch Heißerer arbeitet sich mit viel Detailfreude auch in andere Themen ein – unvergessen ist zum Beispiel sein Vortrag über „Kafka in München“ vor einem Jahr, im überfüllten Saal der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Bekannt ist er aber nicht nur für zahlreiche Publikationen und Bücher, sondern auch für seine Literarischen Spaziergänge und Exkursionen in München und Umgebung. Am 3. Juni etwa bietet er im Rahmen des Bad Tölzer Thomas-Mann-Festivals eine Tour auf den Spuren Manns durch den Münchner Herzogpark an.
Montag: Runde im Englischen Garten

Der schöne Park kennt keinen Ruhetag, und den besten Zugang bietet das alte Schwabing. Überall trifft man dort auf wandernde Geister. Vom Wedekindplatz aus ist es nicht weit zum Wirtshaus Seerose, wo Thomas Mann im Sommer 1900 seinen Roman „Buddenbrooks“ beendete. Nebenan wohnte Rainer Maria Rilke und nannte den Kleinhesseloher See einen „teilnahmslosen Teich“. Zwischen diesem Teich und dem Rumfordschlössl erklären uns Schautafeln all die Vogelarten, die im Englischen Garten heimisch sind. Über einen QR-Code lassen sich Vogelstimmen hören und in einem Quiz abfragen. Die Sänger selbst flattern zu den Futterstellen. Das dürfte der Enkelin gefallen. Für uns gibt es Brotzeit im Biergarten unter dem Chinesischen Turm, gleich neben dem schönsten aller Kinderkarussells.
Dienstag: Spaziergang nach Fernost

Nur ein Katzensprung ist es derzeit von München nach Japan und China, noch dazu umsonst! Die Bayerische Staatsbibliothek an der Ludwigstraße präsentiert die Ausstellung „Farben Japans“ mit wunderbaren Farbholzschnitten in drei halbdunklen Schatzkammern. Davor kann man mit verschiedenen Stempeln selbst einen Holzschnitt herstellen. Danach ist es nicht weit zur Galeriestraße mit dem Finanzgarten, der einmal ein „Dichtergarten“ werden sollte. Dort imponiert die Steinstatue des chinesischen Philosophen Konfuzius zwischen einem Denkmal für den polnischen Komponisten Frédéric Chopin und einer seltsam verschlossenen Grotte für den Dichter Heinrich Heine, die sein Freund, der russische Dichter-Diplomat Fjodor I. Tjutschew, bewacht. Konfuzius meinte, ein einfaches Reisgericht, zum Trinken Wasser, als Kissen seinen gebogenen Arm – auch dabei könne er Freude empfinden. Die Enkelin nutzt bestimmt die Wege zum Rundlauf und die Wiese zum Tollen.
Mittwoch: Entdeckungen am See

Ein Ferientag mitten in der Woche – ob kleine oder große Rundfahrt, das schwebende Gleiten wirkt sofort. Die „MS Starnberg“ erfreut die Kinder sogar mit einer prima Rutsche. In Berg steigen wir aus für eine Wanderung in der Landschaft des „Provinzschriftstellers“ Oskar Maria Graf. Die Lindenallee vor der Oskar-Maria-Graf-Grundschule in Aufkirchen geht über in einen „Planetenweg“ mit mehreren Säulen. Wir wandeln dort von einer erbsenkleinen Erde an den größeren Planeten vorbei zur riesigen Sonne einmal durch das Weltall. Hinunter nach Leoni fliegen wir fast, und nach dem schattigen Schlosspark mit der Votivkapelle für König Ludwig II. kehren wir in Berg ein ins Oskar-Maria-Graf-Stüberl, das Feinschmeckerlokal von Peter Reinmann.
Donnerstag: Kunst in und um Murnau

Das Haus der Malerin Gabriele Münter ist ein Kunstwerk für sich, nicht nur wegen der historischen Rekonstruktion und dem bemalten Treppengeländer. Münters Bilder aus der Zeit mit Wassily Kandinsky und dem Blauen Reiter lassen uns die Landschaft zwischen dem Staffelsee und den Bergen in verschiedenen Lichtstimmungen immer wieder neu erleben. Vom Münterhaus kommen wir durch die Kottmüllerallee mit der Aussicht auf das Murnauer Moos zum uralten Ramsachkircherl, dem Ähndl, geweiht dem Heiligen Georg. Hier steuern wir den Biergarten an und schaukeln die Enkelin auf dem Spielplatz. Im Schlossmuseum erleben wir danach die Münter-Bilder noch intensiver und erfreuen uns an der aktuellen Ausstellung ihrer Malerkollegin Olga Meerson.
Freitag: Musik und Thomas Mann
Heute müsste das Los entscheiden. Es gibt gleichzeitig drei Veranstaltungen zu Thomas Mann! Aber das eigene literarische Jazzkonzert in der Stadtbibliothek im Forum Bogenhausen zur Diskussion um Thomas Manns Rückkehr 1945 ist bereits ausgebucht! Und die Doppelveranstaltung im Literaturhaus mit der Vorstellung eines Briefwechsels und einer Biografie dürfte es auch bald sein. Was tun? Da lockt die Arvo-Pärt-Nacht im Prinzregententheater zum 90. Geburtstag des estnischen Komponisten. Dessen Musik umspinnt vielfach Thomas Manns Musiker-Roman „Doktor Faustus“. Die Enkelin schläft wohl derweil.
Samstag: Buddhistisches Fest im Westpark

Das alljährliche Vesakh-Fest ist der Höhepunkt im buddhistischen Jahr. Es feiert nach dem ersten Vollmond im Mai die Geburt, die Erleuchtung und das Verlöschen Buddhas. Im Ostasien-Ensemble des Westparks mit der Thai-Sala und dem wandelnden Buddha, den China- und Japan-Gärten sowie der Nepalesischen Pagode gibt es von mittags bis in den Abend Meditationen und Rezitationen, Vorträge, Musik, Tanz und ein lebhaftes Kinderprogramm. Viele Stände und Garküchen bieten Delikatessen. Asiatische Lebensfreude, lächelnder Zauber. Freude und Spiritualität halten lange vor.
Sonntag: Belohnung zum Schluss

Den symbolischen Eintritt von einem Euro lassen wir uns nicht entgehen. Diesmal suchen wir erst in der Alten Pinakothek das Bildnis „Maria mit dem Kinde“ (1435) von Masolino da Panicale auf, das Vorbild der Madonna im Schaufenster in Thomas Manns München-Novelle „Gladius Dei“ (1902). In der Archäologischen Staatssammlung mit der schönen Dachterrasse laufen wir über den gläsernen Boden, unter dem die Ausgrabungen aus dem Münchner Untergrund zu sehen sind. Unsere Woche endet in Haidhausen auf dem Weißenburger Platz am Brunnen aus dem Alten Glaspalast. Zuletzt gibt es für unser Trio zur Belohnung ein großes Eis bei „Chocolatte“ in der Wörth-/Ecke Preysingstraße.
Dirk Heißerer, geboren 1957 in Koblenz, studierte Germanistik, Philosophie, Kunstgeschichte und Völkerkunde in Bonn und München. Er arbeitet als Literaturwissenschaftler in München und veranstaltet seit 1988 literarische Spaziergänge und Exkursionen zwischen Schwabing und dem Gardasee. Seit 1999 ist er erster Vorsitzender des Thomas-Mann-Förderkreises München. Für seine Publikationen wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Schwabinger Kunstpreis und der Thomas-Mann-Medaille.
