Buchclubs im Netz:Lesen und lesen lassen

Lesezeit: 4 Min.

Lesen? Gerne. Und gerne auch gemeinsam, so wie in den digitalen Buchclubs. (Foto: Sensay/imago/Photocase)

Es gab sie schon vor der Pandemie. Doch seit es schwierig ist, sich persönlich zu treffen, gedeihen digitale Buchclubs unter Lesebegeisterten besonders gut. Eine Auswahl.

Von Michelle Rigohrt

Egal wie unterschiedlich die Interessen der Lesenden sind, es gibt schon immer den einen Ort, an dem sie alle zusammenkommen: der Buchclub. Zusammen mit Freunden und Nachbarn wird diskutiert über Lieblingslektüren, Nischenautoren und Bestseller. Doch die Pandemie hat es schwierig gemacht, diese Unterhaltungen auch nur im kleinen Kreis weiterzuführen. Da kommen die digitalen Versionen der Lese-Clubs, in denen man sogar mit den Autorinnen und Autoren der Bücher sprechen kann, wie gerufen. Mit Gleichgesinnten und Andersdenkenden aus der ganzen Welt kann man sich über Zoom, Slack-Gruppen und Webseiten über Literatur austauschen. Auch für Leser aus Bayern gibt es die Möglichkeit, digital zusammenzutreffen.

Der Club "Book Broker"

Die 28-jährige Münchnerin Evelyn Unterfrauner beispielsweise hat 2020 den Club Book Broker gegründet. "Eines meiner Ziele war es immer schon, Menschen zum Lesen zu bringen", sagt Unterfrauner, die Online- und Social-Media-Managerin bei der Verlagsgruppe Random House ist und das gemeinsame Lesen und Diskutieren für rund 200 aktive Teilnehmerinnen und Teilnehmer nebenbei organisiert. Die Ursprungsidee sei es gewesen, Bücher mit nur einigen hundert Seiten zu lesen, um auch Gelegenheitslesern die Chance zu geben, Literatur in ihr Leben einzubinden. Jeden Monat wird ein Titel gelesen und besprochen, den die Teilnehmer aus der persönlichen Leseliste der studierten Literaturwissenschaftlerin auswählen. Darunter befindet sich klassische Literatur wie "1984" von George Orwell, Sachbücher wie etwa "Sprache und Sein" von Kübra Gümüşay, sowie Neuerscheinungen und Bestseller wie der "Morgenstern" von Karl Ove Knausgård. Schon während des Lesens können sich die Teilnehmer in einem Chat austauschen - natürlich mit ausdrücklichem Spoiler-Verbot. Am Ende des Monats wird via Zoomtreffen gemeinsam diskutiert. Zuerst auf emotionaler Ebene, um die Hemmschwelle zu nehmen: Hat das Lesen Spaß gemacht? Was empfindet man während des Lesens? Hat das Buch gefallen? Um den Handlungsort oder das Identifikationspotenzial mit den Figuren geht es erst später. Unterfrauner selbst lerne auch aus den Gesprächen: "Nach den Diskussionen habe ich immer das Gefühl, den Büchern nochmal mehr entnehmen zu können. Dann ist jedes Buch für sich nochmal großartiger."

Book Broker, Anmeldung hier.

Buchclub des Staatstheaters Augsburg

Die Inszenierung des "Zauberbergs" konnte während des Lockdowns am Staatstheater Augsburg nicht gezeigt werden. Also las man den Roman von Thomas Mann im hauseigenen Buchclub. (Foto: Jan-Pieter Fuhr)

Während die 28-Jährige sich den nachhaltigen Erfolg von Anfang an erhofft hatte, war man beim Augsburger Staatstheater überrascht, wie gut sich der hauseigene digitale Buchclub entwickelt hat. Denn eigentlich entstand er als Überbrückungshilfe während des Lockdowns, als die Bühne geplante Inszenierungen absagen musste. So auch Thomas Manns "Der Zauberberg". Also haben die Verantwortlichen kurzerhand entschieden, den Roman gemeinsam mit den Menschen zu lesen - die Leserunde war geboren. Für Januar ist bereits der dritte Titel geplant, "Früchte des Zorns" von John Steinbeck. Der 1939 veröffentlichte Roman handelt von Macht und Unterdrückung durch Großgrundbesitzer. Er brachte seinerzeit Politiker und Erzbischöfe in Aufruhr und trug Steinbeck den Titel als Volksverhetzer ein. Zur Unterstützung der Teilnehmer nehmen in Augsburg auch Expertinnen und Experten an den Treffen teil, um sich in Kleingruppen über das Buch auszutauschen.

Buchclub Augsburger Staatstheater, Anmeldung unter buchclub@staatstheater-augsburg.de

Lesezirkel der Arbeiterwohlfahrt

Im AWO-Lesezirkel liegt der Fokus auf gesellschaftspolitischen Texten, etwa den Schriften des Soziologen Armin Nassehi. (Foto: Florian Peljak)

Während sich die meisten Buchclubs mit Romanen beschäftigen, legt der Lesezirkel der AWO Demokratiewerkstatt den Fokus auf gesellschaftspolitische Sachbücher und Texte. Wie etwa "Unbehagen" des Münchner Soziologen Armin Nassehi, in dem er zeigt, "warum der Versuch einer politischen Bündelung aller Kräfte auf ein gemeinsames Ziel in komplexen Gegenwartsgesellschaften zwangsläufig scheitern muss." Bücher wie dieses werden an jedem vierten Dienstag des Monats besprochen. Mitglieder des Lesezirkels können eigene Buchempfehlungen vorschlagen und sie unter der Moderation von Politikwissenschaftlerin und Komparatistin Julia Gerecke mit den anderen teilen.

Politischer Leserzirkel der AWO Demokratiewerkstatt, Anmeldung unter demokratie@awo-bayern.de

Lesekreise am Goethe Institut

Shida Bazyar bei ihrem Auftritt 2021 auf der lit.Cologne. (Foto: Christoph Hardt/imago images/Future Image)

Am Goethe Institut kommen die Lesenden mit Menschen und Meinungen aus der ganzen Welt zusammen. Die Bibliotheken des Instituts an den Standorten in London, Glasgow, Stockholm, Dublin, Oslo, Helsinki, Amsterdam, Rotterdam und Kopenhagen haben bereits vor der Pandemie regelmäßige Lesekreise organisiert. Um die Leserschaft während des Lockdowns nicht zu verlieren, haben sich die nordeuropäischen Standorte zusammengetan und einen gemeinsamen Buchclub als Onlineversion gestartet. Dadurch können nun Menschen aus der ganzen Welt an den Gesprächen teilnehmen. "Wir suchen meistens nach aktuellen Titeln, mit denen unsere primäre Zielgruppe - im Ausland an deutschsprachiger Literatur interessierte Personen - auch etwas an einer persönlichen Ebene anfangen kann", so Gosia Cabaj, Leiterin der Bibliothek am Goethe Institut London, in der der digitale Buchclub ins Leben gerufen wurde. In den vergangenen Monaten beispielsweise sei es um das Thema Identität gegangen. Das Besondere ist, dass an den Gesprächen auch die Autoren des aktuellen Buchs teilnehmen. Dazu kommen, wegen der internationalen Teilnehmer, Übersetzerinnen und Literaturexpertinnen. Im Januar startet die nächste Runde des Buchclubs mit der Autorin Shida Bazyar und ihrem Buch "Drei Kameradinnen".

Digitaler Leseclub des Goethe Instituts, Anmeldung auf der Webseite.

Online-Plattform Lovelybooks

Auch für diejenigen, die nicht unbedingt auf einen festen Termin im Monat warten wollen, sondern die sich spontan und unabhängig von einer Gruppe über ihre Lieblingslektüre austauschen möchten, gibt es eine passende Lösung: Lovelybooks. Die Online-Plattform ist nach eigenen Angaben die größte deutschsprachige Buchcommunity, in der sich Leseaffine, Verlage und Autoren täglich über ihren aktuellen Lesestoff austauschen, Rezensionen schreiben und Neuigkeiten weitergeben. Mehrmals im Jahr veranstaltet Lovleybooks eine Lesung mit Autorinnen und Autoren, die live auf der Webseite übertragen wird. Das Profil kann als eine persönliche Bibliothek genutzt werden, die man mit seinen gelesenen und noch-zu-lesen-Büchern füllen und mit Gedanken und Bewertungen versehen kann. In den verschiedenen Kategorien - wie etwa Crime Club oder House of Fantasy - können Leserinnen und Leser auch ihr Wohlfühlgenre finden.

LovelyBooks, Registrierung auf der Webseite.

Und für alle, die unter den vielfältigen digitalen Lösungen nicht das passende für sich finden können, gibt es ja auch noch eine ganz klassische Möglichkeit: Einfach mit Freunden und Bekannten einen eigenen Buchclub gründen. Immerhin liest es sich gemeinsam weniger alleine.

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