Luftreinhaltung:Keine Lust auf Fahrverbote

Bundesverwaltungsgericht verhandelt über Diesel-Fahrverbote

Dichter Verkehr auf dem Mittleren Ring in München

(Foto: dpa)
  • Trotz eines Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes von 2017 lehnen die bayerischen Behörden Diesel-Fahrverbote ab.
  • Die Regierung begründet ihre Haltung damit, dass sich die Luftqualität in den letzten zwei Jahren deutlich verbessert habe.
  • Zudem würden Fahrverbote auf einigen Straßen die Lage an anderen Orten verschärfen.

Von Dominik Hutter

Eigentlich war der Auftrag klar: Ohne Diesel-Fahrverbote, so der Vorsitzende Richter Rainer Schenk, können die Schadstoffgrenzwerte in München wohl nicht eingehalten werden. Im März 2017 war das, und die Deutsche Umwelthilfe war vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gezogen, weil der Freistaat Bayern noch immer nicht alle Register gezogen hatte, um die Limits einzuhalten. Obwohl dies das Verwaltungsgericht schon 2012 angemahnt hatte. Der Verwaltungsgerichtshof verdonnerte schließlich die Behörden, ein Konzept für Dieselfahrverbote auszuarbeiten und der Öffentlichkeit vorzulegen. Bis Ende 2017.

In diesen Wochen nun, bis zum 15. Juli, liegt die Fortschreibung des Luftreinhalteplans in der Bibliothek der Regierung von Oberbayern an der Maximilianstraße aus. Es ist die siebte, seit der Freistaat erstmals ein solches Programm verfasst hat, das beim Überschreiten von Grenzwerten obligatorisch ist. Ein Konzept für Diesel-Fahrverbote ist auch in der aktuellen Fassung nicht enthalten - obwohl gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs keine Rechtsmittel mehr möglich sind.

Die Regierung beruft sich darauf, dass die Luft deutlich besser geworden sei seit 2017. Und dass man damals ja noch davon ausgehen musste, dass die Grenzwerte für Stickstoffdioxid in München nahezu flächendeckend überschritten werden. Was sich dann als unzutreffend entpuppte. Die einstige Horrorbotschaft, an 123 von 511 Kilometern Hauptstraßennetz sei die Luft deutlich schlechter als die EU erlaubt, beruhte auf einem Rechenmodell, mit Zahlen von 2015. Sobald belastbare Messungen vorlagen, sah die Situation gleich deutlich entspannter aus. Und es geht weiter aufwärts, das belegen die Zahlen sowohl der fünf staatlichen als auch der inzwischen 42 städtischen Messstationen.

Trotzdem werden die Grenzwerte zumindest beim Stickstoffdioxid noch immer an mehreren Stellen überschritten - lediglich beim Feinstaub ist inzwischen alles weitgehend im grünen Bereich. Hochbelastet ist vor allem der Mittlere Ring, gemessen wird an der Landshuter Allee, an der Tegernseer Landstraße und an der Chiemgaustraße. Die 28 Kilometer lange Ringstraße, auf der täglich bis zu 142 000 Autos unterwegs sind, dürfte auf nahezu kompletter Länge ein Problemfall sein. Es wird halt nur nicht überall gemessen.

Das Landesamt für Umwelt lehnt Fahrverbote ab

Dass die Liste der schlimmen NO₂-Sünder vergleichsweise überschaubar ist, liegt an einer Gesetzesnovelle der Bundesregierung. Die hatte im April beschlossen, Fahrverbote seien nur dann verhältnismäßig, wenn der Jahresmittelwert für NO₂ bei 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft oder höher liegt. Diese Marke haben 2018 lediglich die Stationen am Ring und die Prinzregentenstraße gerissen. Berücksichtigt man, dass der EU-Grenzwert eigentlich bei strengeren 40 Mikrogramm liegt, kommen noch der Stachus, die Frauen- und die Wotanstraße hinzu. Inzwischen wurde das Messnetz der Stadt von 21 auf 42 Adressen ausgeweitet, gut möglich also, dass die Überschreitungsliste 2019 noch etwas länger ausfällt.

Die Bundesregierung sieht den Bereich zwischen 40 und 50 Mikrogramm als vergleichsweise unkritisch an. Die Berliner Logik lautet: Das erledigt sich von selbst, wenn die bereits beschlossenen Maßnahmen für bessere Luft erst einmal greifen. Fahrverbote seien daher überflüssig. Zugute kommt Politik und Behörden dabei, dass die Autofahrer stetig ihren Fuhrpark erneuern. Und so immer mehr Fahrzeuge mit besseren Schadstoffnormen unterwegs sind.

Bleiben aber immer noch die Ausreißer nach oben. Das Landesamt für Umwelt hat daher einmal untersuchen lassen, ob Dieselfahrverbote an einzelnen Abschnitten des Mittleren Rings die Lage entspannen können. Das Ergebnis lautet: nein. Denn die Grenzwerte werden auch nach dem Aussperren sämtlicher Diesel bis einschließlich Euro 5 nicht eingehalten. Ein bisschen sauberer wäre die Luft, das schon. Aber noch nicht sauber genug. Was aber in den Augen der Behörden ein solches Verbot komplett ad absurdum führt, wäre die Situation in den Münchner Straßen, die dann als Ausweichstrecke genutzt werden. Dort könnte die NO₂-Belastung plötzlich in den roten Bereich rutschen - ein Effekt, den es unbedingt zu vermeiden gelte. Zumal keinesfalls nur die unmittelbar umliegenden Straßen, sondern ein sehr großer Bereich betroffen wäre. Der Mittlere Ring ist ja schließlich keine x-beliebige Verkehrsachse, sondern der wichtigste Verteiler im Straßennetz. Der Endpunkt der meisten Autobahnen. Im Amtsdeutsch eine "höhenfreie, zweibahnige Hochleistungsstraße". Die so großzügig mit Tunnels und Brücken ausgebaut ist, dass es sich schon deshalb verbiete, den Verkehr auf andere Wege umzuleiten.

Fahrverbote könnten die Situation an anderen Straßen verschlechtern

Ein Dieselfahrverbot in der Prinzregentenstraße etwa würde den Untersuchungen zufolge vor allem in der Oettingen-, Ismaninger und Inneren Wiener Straße für dicke Luft sorgen. Diese Straßenabschnitte lägen dann allesamt über der 50er-Marke, während die Prinzregentenstraße in den Bereich zwischen 40 und 50 rutschen würde. Was dann trotz eines für zahlreiche Autofahrer recht einschneidenden Zufahrtsverbots noch immer zu hoch wäre. Ähnlich sähe es am Mittleren Ring aus. Würde an der Landshuter Allee ein strenges Dieselfahrverbot ausgeschildert, läge die Jahresbelastung mit Stickstoffdioxid zwischen 50 und 60 Mikrogramm. Neu in der Stink-Liga wären dann auf einmal die Baumgartnerstraße in Sendling, die Fürstenrieder Straße und die Grasserstraße (Hackerbrücke). Verschlechtern würde sich die Luftqualität auch in der Elsenheimer Straße, auf der Friedenheimer Brücke, am Georg-Brauchle-Ring, Lerchenauer Straße, Menzinger Straße, Schleißheimer Straße und Wendl-Dietrich-Straße.

Geht gar nicht, findet die Regierung von Oberbayern. Schließlich gehöre es zum Prinzip der Verhältnismäßigkeit, dass sich nicht anderenorts die Lage gravierend verschlechtert. Was übrigens auch an der Candid-/Tegernseer Landstraße der Fall wäre, für die ein Fahrverbot untersucht wurde. Die Gelackmeierten wären in diesem Fall die Anwohner der Falken- und Pilgersheimer Straße. In der Falkenstraße wäre eine Belastung oberhalb der 60er-Marke zu erwarten, das wäre schon fast das heutige Landshuter-Allee-Niveau. Aber auch der Harlachinger Berg, die Karolingerallee, die Nauplia- und Peter-Auzinger-Straße würden deutlich mehr abbekommen.

Fazit der Regierung: Fahrverbote auf einzelnen Streckenabschnitten bringen nichts. Eine Verbotszone wiederum würde wegen der Verdrängungseffekte, praktisch von selbst immer größer werden. Was dann auch immer mehr Ausnahmen bedeute. Für die Anwohner nämlich.

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