Diebstahlserie in Oberbayern:Einbrecher mit guten Verbindungen

  • 200 Villen räumt eine osteuropäische Gang in zehn Jahren aus. Der Schaden beträgt 2,4 Millionen Euro.
  • Tipps sollen eine Finanzamtsmitarbeiterin und eine Anwältin geliefert haben, deren Ex-Geliebter als Kriminalbeamter arbeitet.

Von Martin Bernstein

Es klingt wie das Drehbuch zu einer neuartigen Krimi-Soap. Eine osteuropäische Einbrecherbande räumt zehn Jahre lang Villen in und um München und in Ingolstadt aus. Die Gesamtbeute in den rund 200 Fällen: etwa 2,4 Millionen Euro. Die entwendeten Tresore versenkt die Bande in der Donau. Hilfe bekommt die Gang von einer Ingolstädter Finanzangestellten, einer Münchner Rechtsanwältin und indirekt auch von einem Münchner Kriminalbeamten.

Liebe ist im Spiel. Am Ende die nächtliche Flucht mit quietschenden Reifen, ein aufmerksamer Nachbar und schließlich der Zugriff. Dass statt einer abgeschlossenen Geschichte daraus inzwischen eine Art Serie mit immer neuen Folgen geworden ist, liegt auch an der Staatsanwaltschaft München I, die Informationen nur scheibchenweise herausgibt - herausgeben darf, wie Sprecherin Judith Henkel betont.

Die vorerst letzte Folge: Am Montag wird bekannt, dass die Einbrecherbande weitere Helfer hatte. Eine Münchner Rechtsanwältin soll der Bande Tipps gegeben haben. Ob Haftbefehle vorlagen, ob nach dem Fluchtauto gefahndet wurde: Das verriet die Mittvierzigerin den Einbrechern, ehe diese loslegten. Ihre Insider-Informationen erhielt die Anwältin direkt aus dem Münchner Polizeipräsidium.

Gegen den Polizeibeamten wird ermittelt

Ein Kriminalbeamter, mit dem sie dem Vernehmen nach früher eine Beziehung unterhalten haben soll, schaute für sie immer mal wieder im Computersystem der Polizei nach. Er habe aber nicht gewusst, dass in zwei Fällen ein Zusammenhang mit den Taten der Einbrecherbande bestand, versicherte ein Präsidiumssprecher am Montag. Der Polizist, der zwischenzeitlich vom Dienst suspendiert war, momentan aber wieder arbeitet, hat mittlerweile einen Strafbefehl über 9000 Euro erhalten und akzeptiert. Gegen ihn wird jetzt disziplinarrechtlich ermittelt.

Die Anwältin sitzt seit Frühsommer in Untersuchungshaft. Ihr werden gewerbsmäßige Bandenhehlerei, Geldwäsche und Anstiftung zur Verletzung des Dienstgeheimnisses vorgeworfen. Während der eine Polizist also seine Ex-Geliebte mit Informationen versorgte, bemühten sich ein paar Zimmer weiter Kriminaler um die Aufklärung der größten Einbruchserie, die es in München je gab.

Am Ende war es eine eigene Ermittlungsgruppe mit fünf Beamten, die nach einem Hinweis aus der Bevölkerung die international agierende Bande auffliegen ließ. Allein im Bereich des Präsidiums München gingen 137 Einbrüche auf das Konto der hoch spezialisierten Bande.

Wer die Einbrecher sind

Deren Mitglieder, ein 38-jähriger Serbe, ein 44-jähriger Serbe und ein 47-jähriger Kroate, sitzen seit einem Jahr in Haft und sind größtenteils geständig. Ihnen drohen Gefängnisstrafen zwischen einem und zehn Jahren. Nach zwei weiteren 41 und 43 Jahre alten Serben wird derzeit in enger Zusammenarbeit mit den serbischen Behörden gefahndet. Die Mitglieder der Gang - darunter die 43-jährige Ehefrau des Bandenchefs - müssen sich demnächst in einem Mammutprozess wegen schweren Bandendiebstahls vor dem Landgericht verantworten. 297 Zeugen sind benannt, die Anklageschrift hat 79 Seiten.

Bei den Taten spielte die jetzt mitangeklagte deutsche (Noch-) Ehefrau des Bandenchefs eine wichtige Rolle. Sie war bis zu ihrer Enttarnung Mitarbeiterin des Finanzamts Ingolstadt. In dieser Eigenschaft hatte sie Zugriff auf Steuerdaten aus Ingolstadt und München. Dem 38-jährigen Serben konnte sie damit die entscheidenden Informationen liefern - nicht nur Hinweise auf besonders lukrative Einbruchsziele, sondern auch darauf, wer sich welchen Tresor gekauft und anschließend von der Steuer abgesetzt hatte.

Wie die Bande aufflog

Vier dieser Tresore fand die Polizei bei ihren Ermittlungen auf dem Grund der Donau. Geschäftsleute, Ärzte, Juristen aus Ottobrunn, Trudering und Pullach waren unter den Opfern. Einzig die Villen in Grünwald mit der dort vermuteten besonders hohen Überwachungsdichte hatten die Täter ausgespart.

Der Anfang vom Ende kam nach einem missglückten Einbruchsversuch am 21. Dezember 2013 in Harlaching. Damals brausten drei Täter in ihrem Fluchtfahrzeug mit quietschenden Reifen davon. Zeugen wurden darauf aufmerksam, merkten sich das Ingolstädter Autokennzeichen und alarmierten die Polizei. Die Fahndung blieb zunächst erfolglos, doch eine fünfköpfige Ermittlungsgruppe des Kommissariats 53 der Münchner Kriminalpolizei heftete sich an die Fersen der Täter.

Als der serbische Fahrzeughalter im Januar 2014 wieder nach Deutschland einreiste, tat er dies unter Beobachtung. Die Bande hatte inzwischen - mit wertvollen Informationen versorgt - ihren Wirkungskreis nach Ingolstadt verlegt. Dort hatte das kroatische Bandenmitglied eine Wohnung, die als Unterschlupf sowie als Lager für Einbruchswerkzeug und Beute gedient haben soll. Am 24. Januar vor einem Jahr schlug die Polizei dann zu und nahm vier Bandenmitglieder fest.

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