Diebstahl bei Paulaner im Tal:Wenn fünf Halbe fehlen

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Mehrere Liter Bier zapft ein Kellner am Tag, wie hier im Paulaner Winzerer Fändl auf dem Oktoberfest. Da ist es leicht, die ein oder andere Halbe am System vorbeizuschleusen. (Foto: N/A)

"Mit einer kriminellen Energie, wie man sie nur aus Hollywood-Filmen kennt": Wirte erklären, wie betrügerische Mitarbeiter in der Gaststätte "Paulaner im Tal" mehr als 200 000 Euro ergaunern konnten - und warum Überwachungssysteme nicht helfen.

Von Susi Wimmer

Vor zwei Tagen hat die Polizei der Familie Holenia mitgeteilt, dass sechs ihrer Angestellten sie jahrelang betrogen und ausnahmen. Und noch immer hat Junior-Chefin Natalie Zarazik das Gefühl, sich in einem schlechten Film zu befinden. Wie genau die mutmaßlichen Täter es geschafft hatten, mehr als 200 000 Euro aus dem Betrieb abzuzapfen, das will sie natürlich nicht sagen. "An unserem System kann man nicht viel ändern", sagt sie. Nur so viel: Es sei nur möglich gewesen, weil sich mehrere zusammengeschlossen hätten, "mit einer kriminellen Energie, wie man sie nur aus Hollywood-Filmen kennt." Damit könne keiner rechnen.

Über fünf Jahre lang sollen sie in der Traditionswirtschaft des ehemaligen Fernseh-"Haferlguckers" Putzi Holenia, dem Paulaner im Tal, regelmäßig Geld abgezweigt haben: ein 31-jähriger Restaurantfachmann, ein 34-jähriger Lagerist - zumindest einer ist bei der Polizei wegen Betrugs und Diebstahls bekannt - sowie zwei Kellner, eine Kellnerin und eine weitere, ehemalige Angestellte. Gemeinschaftlich hatte sie ein System ausgeklüngelt, das es ihnen erlaubte, verkaufte Getränke nicht zu bonieren, an der Kasse vorbeizuschummeln und so den Erlös in die eigene Tasche zu wirtschaften. Die Betrüger müssen so täglich mindestens 100 Euro abgezweigt haben. Gewerbsmäßigen Diebstahl nennt das die Polizei.

"Das kann jedem passieren"

"Das kann jedem passieren, wenn er nicht ununterbrochen da ist", sagt Wiesn-Wirt Wiggerl Hagen. Da nutze das beste technische Kontrollsystem nichts: "Wenn sich mindestens zwei zusammentun, einer bescheißt und der anderen den Nutzen hat und die dann teilen, dann geht was." Möglichkeiten zum Betrug gebe es zur Genüge, aber da will auch er nicht ins Detail gehen. Generell müsse man aufpassen bei Veranstaltungen, wenn ein Gast die ganze Zeche bezahlt oder mit den Bon-Zetteln, dass da alles seine Richtigkeit habe. "Wir hatten mal eine Lohnbuchhalterin in einem früheren Lokal, die hat mehrere Arbeitnehmer voll angemeldet, dabei hat es die gar nicht gegeben."

In Hagens Wirtschaft Hirschau sind etwa 40 Leute beschäftigt, er hat Überwachungskameras installiert, auf die er die Mitarbeiter hinweist. Im Garten etwa zählt eine automatische Schankanlage die ausgegebenen Biere. Die Zahl wird dann am Abend mit der Kasse verglichen. "Und wenn fünf Halbe fehlen, muss man mir das erklären." Hagn erinnert sich auch noch an den Kellner, der aus drei Gulaschtöpfchen aus der Küche am Serviertisch hinterrücks vier zauberte und das Geld einsteckte. Oder einen Aushilfskellner: Als der Gast die Schweinswürstl mit 100 Mark bezahlte, behauptete er, er müsse den Schein wechseln, und verschwand auf Nimmerwiedersehen.

"Wir schaffen das auch so"

Zu 100 Prozent verhindern könne man solche Fälle nie, sagt auch Friedrich Steinberg jun. vom Hofbräukeller am Wiener Platz. Er habe einen ähnlich Fall schon gehabt: Irgendwann fand ein Kellner heraus, dass, wenn man in der Schankanlage die Knöpfe in einer bestimmten Reihenfolge drückte, eine nichtregistrierte Halbe herauskam. Irgendwann flog die Sache auf und Steinberg investierte in eine neue Anlage. In die muss der Kellner seinen Schlüssel stecken, den Tisch und die Bestellung eingeben, erst dann öffnet sich die Anlage: Am Zapfhahn wird eine Halbe frei geschaltet, in der Kühlschublade, in der eine Waage installiert ist, ein Flaschenbier abgezogen. Das Hofbräuhaus habe dieses System auch übernommen, erzählt er. Es gebe dann keinen Schankkellner mehr, jeder Kellner zapft selbst.

Trotzdem, da sind sich die Wirte einig, brauche man in seinem Betrieb Menschen, denen man vertrauen könne. "Sieben Tage die Woche immer anwesend sein, das geht halt nicht", sagt Friedrich Steinberg. Die menschliche Enttäuschung hat auch Natalie Zarazik arg zugesetzt. Mindestens fünf Jahre lang von engen Mitarbeitern hintergangen worden zu sein, hab sie geschockt. Jetzt hilft das restliche Personal zusammen, um die freigestellten sechs Mitarbeiter zu ersetzen. "Wir schaffen das auch so", sagt die Junior-Chefin.

© SZ vom 15.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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