Die Woche von:Evelyn Schels

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Kulturtipps einer Autorin und Regisseurin, die in Paris und München lebt. Der Start ihres Kinofilms "Body Of Truth" wurde verschoben, inzwischen vertreibt sie sich die Zeit mit Lieblingsfilmen auf DVD, Büchern und Pasta. Ein Gastbeitrag.

Evelyn Schels ist Autorin und Regisseurin. Der Start ihres neuen Kinofilms Body Of Truth wurde verschoben. (Foto: Daniel Tschitsch)

Eigentlich wollte ich schon längst im Pariser Frühling sein, dort ist mein Lebensmittelpunkt, neben München. Vor dem Ausgehverbot habe ich noch im Centre Pompidou die Retrospektive des Künstlers Christian Boltanski gesehen: eine meisterhafte Inszenierung seiner Werke, die sprichwörtlich unter die Haut geht. Er nennt sie "Das Haus der Erinnerung". In einer Woche sollte der Kinostart meines Films "Body of Truth" sein. Verschoben auf später. So bestimmt das Corona-Virus über unser Leben.

Umständehalber bin ich viel schreibend zuhause. Am frühen Nachmittag, sollte dann kein komplettes Ausgehverbot sein, lockt unwiderstehlich die Münchner "Bar Centrale" mit Cappuccino und Tiramisù. Ein italienisches Flair, auch jenseits der Alpen, mit der entsprechenden Geräuschkulisse: Espresso-Maschine, Geschirrgeklapper und laute italienische Schlagermusik! Danach geht's zurück mit dem Fahrrad durch den Englischen Garten rund um den Kleinhesseloher See. Das Seehaus wirkt etwas verwaist, aber die Luft ist herrlich frühlingshaft. Vielleicht werde ich heute Abend die "Mutter aller Serien", die Sopranos, noch mal ansehen.

Mal sehen, wie die Wochenendeinkäufe ausfallen werden - mit langen Warteschlangen da und dort. Um dann kurzweilig in eine andere Welt zu tauchen, lege ich eine DVD ein von einem meiner Lieblingsfilme Les plages d'Agnès ("Die Strände von Agnès") von der im vergangenen Jahr verstorbenen Agnès Varda. Ein Dokumentarfilm, in dem die großartige Filmemacherin ihr Leben erzählt - mit poetischem Ernst und spielerischer Leichtigkeit. Jetzt ruht sie auf dem Friedhof Montparnasse neben der großen Liebe ihres Lebens, Jacques Demy.

Bücher sind angesagt in diesen Zeiten, in denen man nun mehr Zeit zum Lesen hat. Der neu übersetzte Roman "Giovannis Zimmer" von James Baldwin, dessen Sprachgewalt mich schon immer faszinierte, beschreibt das Outing eines Jungen aus Brooklyn, der dann im Paris der Fünfzigerjahre landet. Ergänzend sehe ich mir auf Netflix dann nochmals I A m Not Your Negro an, ein tief berührender Dokumentarfilm über das Leben von James Baldwin von Raoul Peck. Ausgehend von einem nicht vollendeten Buch Baldwins, weitet Peck den Film zu einem Essay über Rassismus aus.

Zu Hause benötigen wir etwas Nachschub an guter Pasta, und die Fahrt mit dem Rad ins Glockenbachviertel ist ein Vergnügen. Bei "Schmatz", meinem Lieblings-Naturkostladen, ertönt wie immer gepflegter Jazz und im Pasta-Regal finde ich zum Glück noch immer eine tolle Auswahl. Eigentlich würde ich jetzt gerne in die "Milla" gehen, dort gibt es die besten Konzerte der Stadt, aber so kann ich mich nur auf die Zeit freuen, wenn der Club wieder geöffnet hat. Als kleinen Ersatz gönne ich mir ein Gelato im "Café Maria", auch wenn es heute noch etwas zu kühl zum Eisessen ist. Der wunderbare Blumenladen "Tulipa" ist gleich um die Ecke, aber wahrscheinlich ist mittlerweile auch der geschlossen.

Da sich auch Kinder in der auferlegten Quarantäne nach Kurzweil sehnen, spiele ich mit meiner zehnjährigen Nichte via Facetime eine paar Runden "Mensch-ärgere-Dich-nicht", bevor sie wahrscheinlich beschließt, zum x-ten Mal die Eiskönigin anzusehen. Für ein Abendessen suche ich die paar Zutaten - Zwiebel, Knoblauch, Radicchio di Treviso, Rotwein, Parmesan - für ein schnelles Risotto zusammen. Ein gutes Risotto beruhigt die Nerven und wärmt den Magen in klammen Zeiten!

Das wäre genau der richtige Tag, um einen Frühlings-Ausflug an den Tegernsee zu machen in das Olaf-Gulbransson Museum, um die Ausstellung des Karikaturisten Pepsch Gottscheber zu sehen. Passend zum 1. April, denn seine Zeichnungen stellen jeden Anschein des politischen Weltgeschehens erstmal in Frage - mal augenzwinkernd, mal ironisch und ab und zu mal böse. Ein vieldeutiger Einstieg in den neuen Monat, der hoffentlich auch ein paar gute Überraschungen haben wird.

© SZ vom 26.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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