Die SZ feiert ihre Zusteller:Diensteifriger als Gromyko

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700 Frühaufsteher tragen jeden Morgen in München und im Landkreis die Süddeutsche Zeitung aus - manche seit mehr als 50 Jahren

Von Stephan Handel

Was wäre der Briefeschreiber ohne den Postboten? Der Schraubenfabrikant ohne den Lastwagenfahrer, der Koch ohne den Kellner, der das Essen zu den Gästen trägt? Und was wäre der tollste Journalismus der Welt, wenn es niemanden gäbe, der den Lesern die Zeitungen täglich vor die Haustür legt? Die Helden des Morgens, die Zeitungszusteller, sind das letzte Glied in der Produktionskette - und das, so findet der Süddeutsche Verlag, ist eine besondere Anerkennung wert: Zum siebten Mal lud er seine Zusteller zu einem Fest ein, am Samstag, denn da müssen sie am nächsten Morgen nicht aufstehen, wenn alles sonst noch schläft.

So etwas wie ein kleiner Urlaub sollte dieser Abend sein, mit Sand unter den Füßen und Palmen, als wär's die Karibik. War dann aber doch nur Werksviertel, das "Beach 38°", das sich alle Mühe gab, zu erfüllen, was Jürgen Baldewein versprochen hatte, der Geschäftsführer der SZ Logistik GmbH: "Eine Supersuperlocation". Auch Stefan Hilscher, der Geschäftsführer des Süddeutschen Verlags (SV), gab sich casual im Poloshirt , aber dankbar in der Ansprache der Zusteller: "Wir konnten noch so schöne Zeitungen machen, nützt nichts, wenn sie nicht zum Leser kommen."

Ein Fest für die Frühaufsteher: Stefan Hilscher, der Geschäftsführer des Süddeutschen Verlags, bedankt sich im „Beach 38°“ im Werksviertel bei den Zeitungszustellern. (Foto: Stephan Rumpf)

700 Zusteller beschäftigt der SV in Stadt und Landkreis München, rund 400 wollten mitfeiern. Zum Beispiel Irene Kellermann, die wahrscheinlich so etwas wie die Alterspräsidentin unter den Austrägern ist: Im Oktober 1968, vor bald 51 Jahren also packte sie zum ersten Mal den Zeitungsstapel zusammen. Die SZ berichtete damals auf der Titelseite unter anderem von einem Grubenunglück an der Ruhr sowie von einem gewissen Andrei Gromyko; dieser hatte irgendetwas gesagt, was wichtig war, weil er der Außenminister der Sowjetunion war.

Gromyko gibt's nicht mehr, Irene Kellermann schon: Um 3 Uhr steht sie jeden Tag auf, zusammen mit ihrem Mann Rainer, der im Vergleich zu ihr ein Neuling im Austräger-Gewerbe ist - er macht's ja erst seit 29 Jahren. Vielleicht deshalb hat er die leichtere Tour, die mit den Aufzügen, während Irene 28 Haustüren bedient und teilweise bis in den dritten Stock klettert mit ihren bald 76 Jahren, damit die Leute ihre Zeitung direkt vor der Wohnung finden.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Irene Kellermann steht seit bald 51 Jahren jeden Tag um 3 Uhr auf. Hier mit der ersten Ausgabe der Süddeutschen Zeitung, die sie austrug, vom 5. Oktober 1968.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Mit der Ausgabe vom 16. März 1984: Thomas Weindl ist seit 35 Jahren dabei, er bringt den Leuten in Laim ihre SZ.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Inge Vilsmeier trägt in Kirchheim Zeitungen aus. Ihre erste Ausgabe am 16. Januar 1980.

Thomas Weindl ist seit 35 Jahren dabei, er bringt den Leuten in Laim ihre SZ, 23 Kilometer kreuz und quer ist er jeden Tag unterwegs, rund sechs Stunden braucht er. Was als Nebenjob während der Lehre begann, ist mittlerweile eine Leidenschaft: "Das ist so frei wie kaum ein anderer Job - ich kann mir meine Arbeit einteilen, wie ich will." So ähnlich geht's auch Inge Vilsmeier, die in Kirchheim austrägt, seit 1980 schon. Nur manchmal ärgert sie sich, sagt sie: Wenn's regnet und sie ihre Zeitungen schützen muss wie eine Zuckerstange - aber auf den letzten Metern zur Haustür fallen dann vielleicht doch ein paar Tropfen drauf, und schon beschweren sich die Leute: "Was soll ich denn machen?"

Solche Geschichten trübten aber die Feierfreude nicht, es gab zu essen und zu trinken, eine Tombola, eine Feuershow - die Zeitungszusteller, so war zu sehen und zu hören, genossen den Abend in vielerlei Hinsicht, am meisten aber wahrscheinlich: Dass sie am nächsten Tag nicht aufstehen mussten.

© SZ vom 29.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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