Süddeutsche Zeitung

Die Seen der Münchner (8):Münchens größtes Planschbecken

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Der Nadisee ist das pulsierende Herz des Olympischen Dorfes - Sportbegeisterte und Feierlustige kommen dort auf ihre Kosten

Janek Schmidt

Wenn es unter den Münchner Gewässern einen See gibt, von dem selbst die ortskundigsten Bajuwaren noch nicht gehört haben, dann ist das wohl der Nadisee. Die meisten Münchner Stadtpläne würdigen diesen kleinen Tümpel nicht einmal mit einem blauen Fleck, und selbst Taxifahrer, die jeden Schleichweg der Stadt kennen, werden wohl noch nie einen Blick aus ihrem Autofenster auf dieses entlegene Wasserareal geworfen haben.

Eingeklemmt in den verwinkelten Häuserfluchten des Olympischen Dorfes zwischen Nadi- und Connollystraße und der angrenzenden Zentralen Hochschulsportanlage (ZHS) ist der Nadisee einer der verstecktesten Seen der Stadt. Doch so unbekannt dieses Gewässer für die meisten Münchner sein mag, so populär ist es unter den Bewohnern des Olympischen Dorfes - und für diese Beliebtheit gibt es mehrere Gründe.

Ideal für sportliche Übungen

Obwohl der Nadisee eigentlich nicht als Badegewässer, sondern als Ziersee ausgewiesen ist, könnte man ihn als größtes Planschbecken Münchens bezeichnen. Der See, der gemeinsam mit dem Sportlerdorf für die Olympischen Spiele 1972 in München gebaut wurde, hat großenteils nur knietiefen Betongrund und Erwachsenen reicht das Wasser an keiner Stelle über den Kopf. Diese idealen Voraussetzungen für erste Schwimmversuche haben den See unter den Kindern im Olympiadorf entsprechend beliebt gemacht.

Vor allem an den letzten Schultagen im Juli sonnen sich zahlreiche Eltern am Ufer und beobachten ihre Sprösslinge, die ausgerüstet mit Schwimmflügeln, Taucherbrillen und anderen Planschutensilien den See erobern. Während die Allerkleinsten noch im Sandkasten am Ufer durch Wasserlachen hüpfen, beweisen die Größeren schon ihren Entdeckergeist indem sie die rund 15 Meter vom Ufer zur Seemitte mit Schlauchbooten oder Luftmatratzen erforschen. Die Tollkühnsten unter ihnen schwimmen sogar bis zu einer der Miniaturinseln, aus denen Wasserfontänen spritzen, und werfen sich von diesen Betonsockeln in die sprudelnden Fluten.

Doch auch Jugendliche, denen diese Mutproben höchstens noch ein nostalgisches Lächeln entlocken, haben ihre Freuden am Nadisee - vor allem dann wenn das Wasser für Reinigungsarbeiten abgelassen wird, und die Betonwanne geleert ist. Dann kommt der Zeitpunkt der Mountainbiker und vor allem der Skateboardfahrer, die sich in dem Moment an die Ursprünge ihrer Sportart zurückversetzt fühlen: So wie die ersten Skater an der Westküste der USA in den 70er Jahren durch ausgetrocknete Swimmingpools in Los Angeles glitten, eifern heute die Münchner Rollbrettfahrer ihren Idolen am Nadisee nach.

Und auch wenn das Olympische Dorf noch nicht den Kultstatus des "Pacific Ocean Park Pier" in Los Angeles erreicht hat, ist der Nadisee unter vielen lokalen Skatern ein bekannter Treffpunkt. Das hat auch dazu beigetragen, dass einige von ihnen dort schon beim Tricksen im gewellten Betonuntergrund von Sportfotographen abgelichtet wurden.

"Badewanne" und Festplatz

Eine weitere Besonderheit des Olympischen Weihers ist sein kleines Wasservolumen - allein das jährlich auf der Wiesn ausgeschenkte Bier würde die Betonschüssel bereits zum Überlaufen bringen. Diese geringe Wassermenge führt dazu, dass der See im Sommer schon nach einigen Sonnentagen fast Badewannentemperatur erreicht aber gleichzeitig im Winter schneller abkühlt und zufriert als die großen Gewässer der Stadt. Darüber freuen sich insbesondere die Wintersportler im Olympiadorf, die auf der Eisfläche Schlittschuh laufen und Eishockey spielen.

Neben seiner Funktion als Multisport-Komplex ist der Nadisee gleichzeitig eine Art inoffizieller Festplatz des Olympiadorfs - nicht immer zur Freude der Anwohner. Die Schar der Feiernden reicht von Kindergeburtstagsgruppen bis zu Besuchern der angrenzenden Hochschulsportanlage, die mit einem Kasten Bier den Gewinn irgendeines Hochschul-Pokals begießen. Hinzu gesellen sich des öfteren Bewohner aus dem nahe gelegenen Studentenwohnheim oder Jugendliche aus dem Olympischen Dorf, die an lauen Sommernächten vom Klirren der Bierflaschen wie magisch angezogen werden.

Aber auch offizielle Feste finden rund um den See statt. So feiern die beiden Volksparteien und der Kulturverein des Olympiadorfs dort ihr Sommerfest mit Konzerten und Biergärten und machen den Nadisee zu dem, was er für viele Kinder ohnehin schon ist: dem pulsierenden Herz des Olympischen Dorfes.

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SZ vom 02.09.06
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