Oktoberfest:Wie schafft man es auf dem Toboggan unfallfrei nach oben?

Physik der Wiesn: Toboggan

Seit 1933 steht die Holzrutsche auf der Wiesn, das Prinzip und die Bauteile sind noch dieselben wie vor 85 Jahren.

(Foto: SZ Grafik)

Nach zwei Mass Bier ist das eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe. Denn es geht um die Umwandlung von Energie - und die Standfestigkeit der Besucher.

Von Irmengard Gnau

Manchmal sind die alten Ideen ja die besten. Zum Beispiel der Toboggan: Seit 1933 steht die Holzrutsche auf der Wiesn, das Prinzip und die Bauteile sind noch dieselben wie vor 85 Jahren. Nur beim Design hat Betreiber Claus Konrad, der jüngste in einer langen Familientradition, ein wenig nachgebessert, mit LED-Lampen zum Beispiel. Beim Toboggan geht es darum, sich auf einem Förderband nach oben transportieren zu lassen, ohne dabei umzufallen, was spätestens nach dem Genuss von zwei Mass Bier durchaus anspruchsvoll ist, um dann vom Rutschturm aus wieder hinunterzurutschen.

Physikalisch betrachtet teilt sich das Fahrgeschäft also in zwei Elemente: die Rutsche und das Hinauffahren mit dem Förderband. Beim Rutschturm geht es, vereinfacht gesagt, um die Umwandlung von Energie. Der Fahrgast erklimmt den Turm mit Hilfe von Muskelarbeit (über die Stufen) beziehungsweise elektrischer Arbeit (auf dem Förderband). Die damit aufgebaute Höhenenergie wandelt in Bewegungsenergie um, wenn er wieder hinunterrutscht. Der Energieerhaltungssatz besagt, dass die Energie dabei gleich bleibt:

Das Gewicht eines Körpers - also die Masse mal die Fallbeschleunigung, in Deutschland rund 9,81 Meter pro Sekunde - mal der Höhe, in der er sich befindet, entspricht der Masse mal der aufgebauten Geschwindigkeit zum Quadrat, geteilt durch zwei. Da der Fahrgast freilich nicht einfach von der Spitze des Turms hinunterspringt, sondern über die gewundene Rutsche hinunterrutscht, muss die laterale Bewegung berücksichtigt werden, außerdem kommen die Faktoren Reibung und Luftwiderstand hinzu, wie Bianca Haier erklärt. Die Physikerin arbeitet als Lehrkraft am Gymnasium in Ismaning. Die Reibung auf der Rutschbahn wird gemindert durch den Teppich, auf dem die Fahrgäste abwärtsgleiten. Wer möglichst schnell hinunterrutschen will, hat mit mehr Körpergewicht übrigens hinsichtlich der Gleitreibung keinen Vorteil.

Beim zweiten Teil des Toboggan, dem Förderband, sieht Haier zwei physikalische Probleme beziehungsweise Herausforderungen: Der Fahrgast wechselt von einem ruhenden Bezugssystem in ein bewegtes - mit einem beherzten Schritt muss er auf das Förderband steigen, das mit einer Geschwindigkeit von 10,6 Kilometern pro Stunde nach oben läuft. Gleichzeitig ändert sich die Standfläche von einer waagerechten in eine schräge Ebene, das Förderband hat eine Steigung von 21 Grad; der Fahrgast muss also seine Körperhaltung anpassen, sich leicht nach vorn lehnen und den Körperschwerpunkt verschieben, um eine stabile Position zu finden. Wo der Körperschwerpunkt liegt, ist individuell verschieden, grob ist er in der Körpermitte hinter dem Bauchnabel zu verorten.

Oktoberfest Toboggan Physik der Wiesn

Besucher-Flaute auf dem Oktoberfest.Die Schausteller sind nicht glücklich darüber. Zeit für einen Ratsch bei der Togoggan-Crew Foto:Alessandra Schellnegger

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Eines sollte man in jedem Fall vermeiden: sich am Geländer neben dem Laufband festzuhalten. Das gehört nämlich zum ruhenden Bezugssystem, bewegt sich also nicht mit. Sucht man hier Halt, hat man die Balance rasch verloren. Wer diese Herausforderungen meistert, hat gute Chancen, stehend am Ende des Förderbands anzukommen.

In der Serie "Die Physik der Wiesn" analysiert die SZ in loser Folge verschiedene Bestandteile des Oktoberfests nach naturwissenschaftlichen Kriterien.

Gute Wiesn-Gschichten bleiben gut. Dieser Text wurde zuerst am 01. Oktober 2018 veröffentlicht.

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