Musical:Im Namen der Gerechtigkeit

Musical: Ein schicksalhafter Wendepunkt im Leben der jungen Johanna (Kristin Backes, links): Nach dem Willen ihrer Eltern soll sie verheiratet werden. Doch ein Normannenüberfall vereitelt diese Pläne.

Ein schicksalhafter Wendepunkt im Leben der jungen Johanna (Kristin Backes, links): Nach dem Willen ihrer Eltern soll sie verheiratet werden. Doch ein Normannenüberfall vereitelt diese Pläne.

(Foto: Michael Böhmländer)

Dennis Martin erschafft Musicals nach legendären Vorbildern. Nun kommt "Die Päpstin" ins Deutsche Theater, und ein gemeinsames Projekt mit Chris de Burgh hat im Mai Uraufführung.

Von Barbara Hordych

Sie sind Menschen, die im Laufe ihres Lebens an einen Punkt kommen, an dem sie sich entscheiden müssen: die Päpstin und Robin Hood. Beide erfüllen nicht die gesellschaftlichen Erwartungen ihrer Zeit - weder als Frau noch als Adeliger. Dafür fanden sie ihren Platz in der Geschichte, in Romanen und Filmen - und in den Musicals von Autor und Komponist Dennis Martin.

"Auf der Suche nach einem geeigneten Stoff für den Musical-Sommer in Fulda kamen wir auf Donna W. Cross' Bestsellerroman ,Die Päpstin'. Darin gibt es ja eine entscheidende Episode, die im Kloster Fulda spielt. Sie gibt sich als Mönch Johannes Anglicus aus, nachdem sie ihre Frauenkleider abgelegt und sich das Haar abgeschnitten hat", sagt Martin über die Entstehung des Stücks. Das hatte 2011 in seiner Geburtsstadt Uraufführung - und ist nun, vom 6. bis 10. April, in der Neuinszenierung von Benjamin Sahler erstmals im Deutschen Theater in München zu sehen.

Seit dem Mittelalter existieren die Gerüchte um eine Frau, die Mitte des neunten Jahrhunderts zur Päpstin gewählt wurde. Doch ob es diese Päpstin namens "Johannes Anglicus" tatsächlich gegeben hat, ist umstritten. Tatsache aber ist, dass die Figur der Johanna immer wieder literarisch bearbeitet wurde. Im Falle von Cross' "Die Päpstin" wurden seit 1996 alleine in Deutschland fünf Millionen Exemplare verkauft. "Für uns war entscheidend, dass die Figur eine dramaturgische Fallhöhe hat und eine spannende Story aufweist", sagt Martin. Im Mittelpunkt steht ein Mädchen, das sich mit seinem Wissens- und Erkenntnishunger gegen ihren Vater stellt, als Junge verkleidet eine Ausbildung genießt, Jahre später als Medicus Rom, die Stadt des Papstes betritt, wo die Wechselfälle des Schicksals sie schließlich selbst auf den heiligen Stuhl bringen.

Sieht er in dem Kampf, den Johanna in und um ihrem Glauben führt, Bezüge zur Gegenwart? "Unbedingt! Tatsächlich habe ich das Gefühl, dass wir heute gegen die gleichen Dogmen ankämpfen wie sie damals", sagt Martin. "Meine Frau und ich haben vor einigen Monaten eine Dokumentation gesehen über queere Menschen in der Institution Kirche. Da hat man schon das Gefühl, dass die Kirche und die säkularisierte Gesellschaft immer weiter auseinanderdriften. Wenn insbesondere die katholische Kirche es nicht schafft, sich radikal und schnell zu ändern, verliert sie die Verbindung zu den Menschen", so Martin. Diese Entwicklungen manifestierten sich auch in den Kirchenaustritten. Und ob jemals eine Päpstin auf dem Heiligen Stuhl sitzen wird, kann allein die Zeit zeigen. Eine spannende Frage, auch wenn sie ihn als Protestant in seiner eigenen Lebenswirklichkeit nicht wirklich betrifft.

Musical: Johanna (Kristin Backes) wird zum Papst gekrönt - und geht als legendäre "Päpstin" in die Geschichte ein.

Johanna (Kristin Backes) wird zum Papst gekrönt - und geht als legendäre "Päpstin" in die Geschichte ein.

(Foto: Michael Böhmländer)

"Hinter hohen Klostermauern / hat der Glaube sich verschanzt / Hinter hohen Klostermauern / machen wir die Welt zu klein" heißt es in Martins Libretto. Gefolgt von dem ihm sehr wichtigen Satz: "Demut darf nicht feige sein". "Man muss aufpassen, nicht von reaktionärem Verhalten zum Schweigen gebracht zu werden, ihm zum Opfer zu fallen", sagt Martin. Auch Jahrhunderte später noch eine bedrängend aktuelle Thematik.

Johanna jedenfalls kämpft in Martins Musical um ihre wahre Identität, singt in dem Lied "Das bin ich": "Ich trage eine Maske, um der Menschheit zu zeigen, wer ich bin". Ihre Position als Päpstin kann sie nur unter Vorspiegelung einer falschen Identität ausüben. Sie nutzt ihr Amt, um insbesondere den ärmeren Bevölkerungsschichten Roms zu helfen. "Mit der Ernennung Johannas zum Papst blühte Rom wieder auf. Johanna veranlasste den Wiederaufbau des Machianischen Aquädukts. Zum ersten Mal, seit die Menschen denken konnten, gab es wieder frisches Wasser, und die Epidemien in den Armenvierteln gingen zurück", heißt es im Stück. Das Volk liebt seinen neuen Papst und nennt ihn papa populi - Papst des Volkes. Aber durch Pläne wie die Errichtung einer Mädchenschule macht sie sich unter dem Klerus immer mehr Feinde. Und ihre Gefühle für ihren Jugendfreund Gerold stürzen sie in immer tiefere Konflikte.

Musical: Dennis Martin, geboren 1974 in Fulda, gründete 2003 die Musical-Schmiede Spotlight. Er schrieb und komponierte unter anderem "Die Päpstin", "Der Medicus" und jetzt "Robin Hood".

Dennis Martin, geboren 1974 in Fulda, gründete 2003 die Musical-Schmiede Spotlight. Er schrieb und komponierte unter anderem "Die Päpstin", "Der Medicus" und jetzt "Robin Hood".

(Foto: Spotlight Musicals)

Martin hat die Tour-Produktion bereits in Stuttgart gesehen. Ob er es schafft, am 6. April nach München zu kommen, kann er noch nicht absehen. "Das Interesse ist da", sagt Martin. Gleichzeitig drängen aber die Arbeiten am Musical "Robin Hood", das im Mai in Fulda Uraufführung hat. Erneut ein recht eigenwilliger Charakter? "Ja, das kann man so sehen. Robin Hood ist eine Figur, die eher als Legende, in einer Balladensammlung ihren Ursprung hat. Es ist nicht gesichert, dass seine Geschichte auf eine historische Person zurückgeht", sagt Martin. Von daher habe er sich erlaubt, eine eigene Version von Robin Hood zu erschaffen, dessen Charakter durch Erfahrungen von Krieg, Macht und Machtmissbrauch erst gebildet wird. Die Erzählstränge und die Kompositionen entwickelte er gemeinsam mit dem Singer-Songwriter Chris de Burgh.

Wie kam die Zusammenarbeit zustande? "Im Zuge meiner Recherchen zu den Verhältnissen in England im 13. Jahrhundert habe ich auch Shakespeares Historiendrama "König Johann" gelesen. Darin bin ich auf einen Hubert de Burgh gestoßen, der seinerzeit so etwas wie ein Reichskanzler von England war", erzählt Martin. Chris de Burgh sei tatsächlich ein direkter Nachfahre von ihm, er stamme mütterlicherseits aus einer britischen Adelsfamilie, die ein Schloss im Südosten Irlands besitzt. Ein wunderbarer Aufhänger für die Kontaktaufnahme, dachte sich Martin. Die lief dann über José Carreras, der sowohl ihn wie auch de Burgh gut kenne.

"Er wusste natürlich über seinen Vorfahren Bescheid, sein erster Sohn heißt mit Vornamen deshalb auch ,Hubert'", sagt Martin. Und ihm gefiel das Projekt. Auch Martins Ansatz, die Geschichte von Robin und Marian etwas anders zu erzählen. "Bei mir werden sie in ganz frühem Alter miteinander verehelicht, eine Art Zwangsheirat, ohne dass sie einander näher kennen würden. Erst später, im Laufe der Ereignisse, begegnen sie sich wirklich und entwickeln Gefühle füreinander". Und Hubert de Burgh? "Zu dem haben wir dann nur eine kleine Reminiszenz am Schluss eingebaut, gewissermaßen mit einem Augenzwinkern", sagt Martin. Die tragenden Rollen spielten andere.

Die Päpstin, Mi., 6., bis So., 10. April, Mi.-Fr., 19.30 Uhr, Sa., 15 und 19.30 Uhr, So., 14.30 und 19 Uhr, Deutsches Theater, www.deutsches-theater.de

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