Süddeutsche Zeitung

Die neue Pumuckl-Stimme:Krächzen wie das Original

Lesezeit: 3 min

Der Schauspieler Kai Taschner synchronisiert erstmals den Pumuckl im aktuellen Kinofilm.

Von Serge Debrebant

Nach zehn Minuten Einschreien ist Kai Taschners Stimme ein krächzendes Falsett. "Ich mache sie rauer und drücke sie nach oben", sagt er. Erst nach dieser Vorbereitung kann er in den Pumuckl schlüpfen, "ein Wesen ohne Falschheit, das Ärger und Freude nicht herunterschluckt." Wie das klingt, kann man derzeit in den Kinos hören. In "Pumuckl und sein Zirkusabenteuer" ist Kai Taschner der Synchronsprecher des Kobolds.

Eine schwierige Aufgabe, schließlich hat sein Vorgänger Hans Clarin die Figur 41 Jahre lang geprägt. "Er war sehr wichtig für die Entwicklung des Charakters - er ist Pumuckls Vater", sagt Taschner. Nachdem die Kinderbuchautorin Ellis Kaut die Figur 1962 erfand, war zunächst nur die Stimme zu hören. 16 Jahre lang heckte der Kobold seine Streiche in Hörspielen aus, bevor er in Kino und Fernsehen Gestalt annahm.

Als Clarin vor zwei Jahren an den Stimmbändern operiert wurde und sich davon nicht rechtzeitig erholte, sprang Taschner ein. In einem Casting wählte ihn das Studio "Synchron 80" unter 20 Münchner Sprechern aus. Sechs Tage lang synchronisierte Taschner die Figur nach und orientierte sich dabei an Clarins Ratschlägen und einer älteren Fassung, die der Originalsprecher vor der Operation eingesprochen hatte.

Im neuen Film spielt Clarin den Restaurator Ferdinand Eder, der nach dem Tod seines Vetters den Pumuckl erbt. Nachdem der Kobold im vorigen Film auf Schiffsreise ging, kehrt er nun nach München zurück - oder vielmehr in eine nostalgische Version der Stadt. "Vielleicht ist München nicht mehr so", sagt Taschner, "aber in den Herzen der Menschen lebt die Stadt so weiter." Für ihn ist der Film eine "Rückkehr zu den Wurzeln".

Doch trotz des Bemühens, an Bewährtes anzuknüpfen, ist alles etwas anders. Nicht Gustl Bayrhammer, der vor zehn Jahren starb, sondern Clarin spielt Pumuckls väterlichen Freund. Musik und Zeichnung basieren auf vertrauten Motiven, variieren sie aber. Die Stimme klingt eine Spur tiefer als das Original.

"Als Clarin den Pumuckl gesprochen hat, hat sich die Stimme auch verändert", entgegnet Taschner auf diese Beobachtung. Glaubt man den Kritiken, ist ihm der Spagat zwischen Tradition und eigener Interpretation geglückt. "Ein "sehr gelungenes Krächzen" hört die Abendzeitung, das die Süddeutsche Zeitung zwar "schroffer, doch durchweg überzeugend" findet. Nur für die Berliner Zeitung wirkt Taschner "manchmal bemüht und angestrengt".

Wegen des Urheberrechtstreits zwischen Ellis Kaut und der Grafikerin Barbara von Johnson hatte sich der Start des Films verzögert. Jetzt, nachdem er angelaufen ist, passiert es Taschner, dass ihn der Postbote auf seine Rolle anspricht. Aber "es gab ein Leben vor Pumuckl", betont er. Als er 13 war, nahmen ihn seine Eltern, beide Cutter, zum ersten Mal zu einem Casting mit. Mit 15 hatte er die ersten Rollen in Film und Fernsehen. Er war Jadup in "Die Powenzbande" und Hanno in "Die Buddenbrooks".

Er hat in "Scream" den Killer am Telefon und in "Dschungelbuch 2" den Geier Lucky synchronisiert. Am Blutenburg-Theater führt er Regie, und seit 13 Jahren arbeitet er als Schauspieler in der Pasinger Fabrik. An der "Jazz School München" hat er außerdem Saxofon studiert, mit Al Gromer Khan zwei Weltmusik-Alben aufgenommen. Der 46-Jährige sieht sich als vielseitigen Autodidakten, der Schubladen ablehnt. "Die Theaterleute wollen mich ganz als Schauspieler und die Musiker ganz als Musiker haben", sagt er.

Sein Faunsgesicht mit dem Spitzbart und der hohen Stirn verzieht sich gequält. "Ich will Geschichten erzählen, egal ob ich Musik, Theater, Filme mache oder synchronisiere."

Bei aller Vielseitigkeit gibt es eine Konstante: die Lust am Abseitigen. Als Musiker mag er Frank Zappa, als Schauspieler schräge Figuren, als Regisseur das absurde Theater. Als Sprecher hat er neben Kinderfilm-Figuren oft Komödianten wie Michael Palin in "Monty Python's Flying Circus" synchronisiert. Mit seinem Hang zur Anarchie, seinen Streichen und seiner Verspieltheit passt der Kobold zu dieser Vorliebe.

Ob Taschner ein Interims-Pumuckl bleibt, hängt zunächst davon ab, ob sich die Stimme des 74 Jahre alten Clarin wieder erholt. "Die Figur ist ihm ans Herz gewachsen. Ich wünsche ihm, dass er zurück kommt", sagt Taschner. "Er ist die Referenz. Ich bin zufrieden, wenn ich der Zweitbeste bin." Als Kind hat er Clarin in "Das Spukhaus im Spessart" als durchgeknallten orientalischen Prinzen gesehen. Das hat ihn beeindruckt. "Für die schönen, edlen Helden", sagt er, "bin ich genauso wenig geeignet wie er."

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